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vor Bielen, aber Du, HErr, bist meine starke Zuversicht!"

Und nun wißt ihr, was sich begeben hat; vor euch brauche ich's nicht zu entrollen, die ihr zum großen Theil Augenzeugen gewesen seid. Die entscheidendsten Tage über unserem ganzen deutschen Vaterlande sind in diese fünfundzwanzig Jahre gefallen. Auf den nordischen Schlachtfeldern ward die Schmach Deutschlands gerächt, die Scharte von Olmüş in Königgrätz ausgewett, und die Ehre Deutschlands in Welschland gerettet! So sahen wir den König, einst undeutscher Gesinnung bezichtigt, heimkehren mit der Kaiserkrone auf dem Haupte unter dem Jubel des ganzen deutschen Volkes. Unser deutsches Volk, das man vor fünfundzwanzig Jahren nicht werth gehalten, im Rath der Völker mitzusprechen, wirft jezt sein gefeites Schwert in die Wagschale zum Frieden der Völker, und in weit tieferem Sinne als von jenem Kaiserreich über dem Rhein und viel wahrer kann man sagen: „Der Kaiser ist der Friede." Bangen Herzens am Sarge seiner Mutter stehend und betend zu dem alten Gotte, der seines Vaters Gott gewesen, so zog der König aus. Und ,,Der alte Gott im Himmel

Gab dem alten König Sieg."

Heller als die Kaiserkrone auf seinem Haupte strahlte aber der Lichtkranz von oben: „Ich bin ein Wunder vor Vielen, aber Du, HErr, bist meine starke Zuversicht!" Welches Herz hätte das ahnen, welcher Blick es voraussehen können, daß der HErr den König diesen Tag würde schauen lassen!

Um die Wunder der Berufung, der Ausrüstung, der Durchhülfe in Kämpfen und Siegen schlingen sich die Wunder der Bewahrung. Wer war es, der mit starker Hand den König beschützt; wer hat seine Hand über ihm gehalten dort in BadenBaden, zweimal hier in seiner Residenz? Wer hat die gähnende Tiefe und das Unheil verschlossen, als der König dort am Rhein im Sonnenschein des Niederwalds feierte? Uns kann Niemand schüßen, denn Gott allein", das war des Königs Bekenntniß.

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Ich bin wie ein Wunder vor Vielen auch Deiner erhaltenden

Hand aber Du bist meine starke Zuversicht!" Wer hat es dem Könige ins Herz gegeben, von seinen eigenen Wunden weg zu den Wunden am Leibe seines Volkes zu eilen, um sie zu heilen? Den Armen und Verlassenen, den Kranken und Arbeitsunfähigen das Loos zu verbessern, den Leidenstag und Lebensabend zu erleichtern? Mit dem Hoffnungsblick der Liebe, die kein Altern kennt, hat der König in seiner „Botschaft“ dies Werk gefaßt; aber auch da wohl wissend, daß an Gottes Segen Alles gelegen. „Aber Du, HErr, bist meine starke Zuversicht."

Und noch ein Wunder der Gnade laßt mich erwähnen. Es ist nicht das erste Jubiläum, das der König begeht; auf seinem Haupte ruht so manche Krone außer der Königskrone: die Silberkrone des Alters, jene stille Majestät und Autorität, die ohne Wort überwältigt und zum Frieden bringt; auf seinem Haupte die goldene Myrtenkrone seiner Ehe, um ihn her die Blüthenkrone seiner Kinder und Kindeskinder und seiner Urenkel. Wahrlich, Geliebte, ein Baum, der seine Zweige senkt von der Last der Früchte, die darauf gelegt sind. Darum bleibt es dabei: „Ich bin wie ein Wunder vor Vielen, aber Du, HErr, bist meine starke Zuversicht!" Und daher können wir's wohl begreifen, daß den König, wenn er am inneren Auge vorüber ziehen läßt, was sein Gott je und je an ihm gethan und vorab in diesen fünfundzwanzig Jahren, nicht eine äußere Huldigung noch äußere Pracht und Geschenk in tiefster Seele erquicken können, sondern vielmehr die gemeinsame Anbetung der waltenden Hand Gottes über ihm und der Wunder, die ER an ihm gethan. Aber, Geliebte, nicht jedes Leben ist so reich an Wundern wie unseres Königs Leben, und doch ist keines, in das nicht Gott mit seiner Wunderhand gegriffen; ER hat Denksteine seiner Gnade auch in das ärmste Leben gesetzt, und wo wäre Einer, der nicht über der Chronik seines Lebens mit David ausrufen müßte: „Was bin ich, HErr, und was ist mein Haus, daß Du mich bis hierher gebracht!" Das soll der Segen sein aus diesem Jubiläum, daß wir es erkennen, daß wir einen Gott haben, der

Wunder thut, und wer an Wunder glaubt, der wird sie auch erfahren. Des Königs Wege sind in die Tiefe und durch die Tiefe zur Höhe gegangen; glaubst du nicht, daß auch dich dein Gott so führen will? Ob es aber Wahrheit ist mit deinem Bekenntniß: „Du bist meine starke Zuversicht", das zeigt sich daran, ob sich auch bei dir finden wird:

II.

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Das Königsgelöbniß: „Ich will Deines Ruhmes immer mehr machen!" Jedes wahre und rechte Fest mit seinen Rückblicken auf eine reichbewegte Vergangenheit führt in die Tiefe und in die Höhe zugleich; in die Tiefe der Beugung, in die Höhe der Anbetung. So riefen einst die Wunder Gottes die Psalmen und Lobgesänge hervor. Schaue hinein in die Schrift! Wenn Gott Israel mit starker Hand errettet und durch die Fluthen des Rothen Meeres trockenen Fußes führt, da ertönt über den Wassern hin, die über den Egyptern zusammenschlagen, der Lobgesang Mosis: Der HErr ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil!" Ueber dem Wunder der Liebe Gottes hörten wir jüngst an Weihnacht den Chor der Engel lobpreisend sein „Ehre sei Gott in der Höhe" singen! So will auch Gott aus jedem Menschenleben und den darin niedergelegten Wundern Sich ein Lob bereiten. ER selber als der große Meister stimmt die Töne unseres Lebens zum Liede zusammen. Darum betet auch unser Psalm an einer andern Stelle: „Gott, Du hast mich von Jugend auf gelehret, darum verkündige ich Deine Wunder!" So bereitet ER Sich schon aus unserer Kindheit und Jugend, aus dem Munde der Unmündigen ein Lob; und wenn je Einer im Volke ist, den Gott von Jugend auf gelehrt, den ER seine Wunder hat schauen lassen, so war es unser König. Aus den schweren Zeiten am Anfang dieses Jahrhunderts, aus den Thränen seiner Eltern und seines Volkes, aus dem gebrochenen Herzen seiner Mutter, aus den Flammen von Moskau und aus den Schlachtfeldern von Leipzig und Belle-Alliance hat das Kind und der Jüngling als in einer

schweren und ernsten Schule das Rauschen der Füße des lebendigen Gottes, das Walten Seiner starken Hand gehört und gesehen. Einen unauslöschlichen Eindruck hat das hat das Kind empfangen von einem lebendigen Gott, der unserm Volk in Flammen aufgegangen war, einem HErrn, der wohl beugen und demüthigen kann bis in den Staub und die Vernichtung hinunter, der aber auch den Demüthigen Gnade giebt. So etwas aber vergißt sich, ins zarte Kindesherz gedrückt, auch im späteren Leben nicht. Wie der Namenszug, der in einen jungen Baum hineingeschnitten wird, mit dem Baume wächst und bis ins Alter hinein sich nicht verliert, so hat Gott auch Seinen Namen in das junge Herz unauslöschlich geschrieben. Darum bricht auch aus dem Munde des Kindes und Jünglings am Tage seiner Konfirmation das Bekenntniß hervor: „Auf Gott will ich unerschütterlich vertrauen, Ihm Alles anheimstellen, und mir im Glauben an Seine Vorsehung einen getrosten Muth zu erhalten suchen. Meines Gottes will ich überall gedenken, an Ihn will ich in allen Angelegenheiten mich wenden, und es soll mir eine süße Pflicht sein, im Gebet mit Ihm meine Seele zu vereinigen. Ich weiß, daß ich ohne Ihn nichts bin und nichts vermag. Mein Fürstenstand soll mich nicht verhindern, demüthig zu sein vor meinem Gott; ich will nie vergessen, daß der Fürst vor Gott nur Mensch ist." Das alles ist Frucht der Lippen, die in schwerer Zeit gereift. Und was die Kinderlippen einst gelobt, das ist auch Wahrheit geblieben im Mannesmund. Aus dem Munde des entschlafenen Bruders nimmt er als köstliches Erbe, als ein Wort, das auch in seiner Seele lebt, jenes „Ich und mein Haus, wir wollen dem HErrn dienen!" Das Wort, womit sein königlicher Bruder zur Ruhe in der Gruft gebettet ward: „Wer Mich bekennet vor den Menschen, den will Ich auch bekennen vor Meinem himmlischen Vater!" sollte auch das leuchtende Losungswort für das Leben des Königs werden. So sind wir hinausgezogen in die Kriege, geliebte Brüder, aber zuvor nach dem Willen des Königs hinab in die Buße und in die Demüthigung; das

Schwert sollte zuerst, ehe es aus der Scheide führe, entfündigt werden in Buße und Beugung, und heimkehrend sollte als erster Ton des Siegesgesanges über alle Lorbeeren und eroberten Fahnen das Wort erklingen: „Nicht uns, HErr, nicht uns, HErr, sondern Deinem Namen gieb Ehre!" „Keine Ueberhebung, kein Uebermuth, sondern Demuth und Beugung ziemt uns!" so klang's nach den Siegen in Böhmen. Kein Wort gegen den geschlagenen Feind; „nicht wir haben ihn gestürzt Gott hat ihn gerichtet!" das war die Mahnung nach dem französischen Kriege. Nach jeder gewonnenen Schlacht ertönt ein Psalm, der Gottes Fügung preist oder Gottes Gnade erhebt. So konnte auch den König kein tieferer Schmerz treffen, als zu sehen, wie dem Volke, trotz aller der Wunderthaten Gottes an ihm, sein bestes Kleinod, die Religion, in Gefahr sei verloren zu gehen. Aber wer war es, der dem Könige solche Psalmen in den Mund gab? Wer hat sein Herz nach so viel Ehre und Siege in Demuth und Einfalt erhalten und vor allem Uebermuth und Ueberhebung behütet und bewahrt? Da will er dir selber drauf antworten: Der Gott, Der uns beten heißt: Erhalte mein Herz bei dem Einigen, daß ich Deinen Namen fürchte!" Ja, so soll es sein, daß ein Mensch, sei es mit dem Wort oder mit der That, selbst ein stiller Lobpreis werde der Gnade Gottes, die sich an ihm verherrlicht hat. Da schweigt aller Selbstruhm; Krone und Lorbeer legt man zu Seinen Füßen nieder. Je reicher die Gnade, desto höher schwingt sich das Lob. Je voller die Aehre, desto tiefer senkt sie das Haupt. So spricht der Apostel, der mehr gearbeitet hat als alle andern, am Abend seines Lebens: „Ich bin nicht werth, daß ich ein Apostel heiße!" Und ein Jakob am Ende seiner Wanderung, hingenommen von der Güte Gottes, bricht in das Wort aus: „Ich bin nicht werth all der Barmherzigkeit und Treue, die Du an Deinem Knechte gethan hast!"

So ist es auch am heutigen Tage nach unseres Königs Sinn, daß wir über ihn Gott preisen, über alles das, was ER an ihm und durch ihn an unserem Volke gethan. Wir

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