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Geliebte! Jenes Eckfenster, aus welchem so oft das freundliche Antlig unseres Heldenkaisers schaute, ist geschlossen und verhängt; aber über diesem Fenster war ein anderes, da leuchtete in die dunkle Stadt ein Licht in später Mitternacht. Da hinaus und hinauf sind viele Gebete gegangen. Das Licht ist erloschen und unser Volk ärmer geworden um ein betend Herz. Darum, liebe Schwestern, laßt bei Euch dies Licht fortleuchten; das sei die ewige Lampe" in Eurem Hause. Betend Alles thun und Alles lassen, heißt mit reinen Händen thun und lassen. Die Sabbathstille des Gebets giebt dem Werktag die Weihe. Ja, vergeßt den Schmuck betender Lippen nicht: Haltet an am Gebet.

Und dazu kommt als Lettes: die offene, milde Hand.

Soll ich Euch davon sagen, hier in diesem Hause, wo jeder Stein, jeder Schmuck ein Zeugniß einer milden, offenen Hand ist? Wie hat die theuere Heimgegangene diese Herberge geschmückt und das Wort geübt: Herberget gerne." Wie hat sie es verstanden, diesen Ort der Schmerzen mit Liebe zu umgeben! Aber mehr noch -- was ist sie den Kranken gewesen! Soll ich Euch erinnern, wie sie einst durch die Cholera-Lazarethe hindurchging im Jahre 1866, für Alle ein tröstend Wort hatte; für unser Heer ein anderes Heer mobil machte, das im Dienst der barmherzigen Liebe stand und noch steht! Ja, der unvergeßliche Kaiser Wilhelm hat ihr einst das schöne Zeugniß gegeben: „Die Kaiserin möchte jeden verwundeten Soldaten in ein Himmelbett legen." Und hier in diesem Hause, das sie noch als letzten Gruß ihre „Heimath" nannte, wie hat sie den Kranken wohlgethan! Da lag jener arme Tischler krank, und sie fragte ihn, wie es ihm gehe. Wenn Sie da sind, Majestät", erwiderte er, „dann fühle ich keine Schmerzen." Und wer hat ihn dann sechs Wochen lang Tag für Tag besucht und keine Einrede gelten lassen, sondern gesagt: „Und wenn's nur eine Stunde wäre,

er hat ja gesagt: er fühle keine Schmerzen", war's nicht die hohe Frau? Und jener entsetzlich entstellte Knabe, der Schrecken Aller, die auf seiner Stube waren, hat sie ihn nicht immer zuerst gerufen und angeschaut, ihm zugeredet? Und in manches Antlig hat sie noch geschaut, mit keinem Zucken der Wimper verrathend, was es ihr koste - um dann todtenbleich draußen sich zu halten und zu sagen: „Das ist entseßlich." Und das war eine Fran auf dem Throne. Sie war auch sonst eine Meisterin im Geben. Wenn es im Liede heißt: So manches Nehmen giebt", so könnte man wohl auch sagen: „So manches Geben nimmt", es verlegt, es erstickt den Dank. Aber ihr Geben that wohl. Sie gab immer aus dem Sinn des Anderen heraus und versenkte sich in sein Empfinden. Leer ist Niemand von ihr gegangen, und was sie gab, das gab sie in edler Form und Fassung. Auch diese milde Hand ist nun erkaltet und geschlossen, aber sie will, daß wir unsere Hände aufthun. Das ist ihr Abschiedssegen.

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Geliebte! Die Zeit heilt keine Wunde, und wo sie heilte, da ist's keine tiefe Wunde gewesen. Es giebt Wunden, die nicht zuheilen dürfen und sollen, die nicht eine Krankheit, sondern ein Mittel der Gesundheit sind, man muß sie offen halten. So giebt es auch im Herzen Wunden, die nicht geheilt werden sollen, aber sie haben die Aufgabe, Anderer Wunden zu verstehen und zu heilen. Wehe dem, den das Leid bitter macht, der sein Herz krampfhaft verschließt im eigenen Jammer, statt es zu öffnen. Darum, geliebte Schwestern, jetzt nur um so treuer im Herbergen, gerade wo Euer Herz verwundet ist. Ein großer Schmerz, im Blick auf den HErrn getragen, hat etwas Heiliges und Erhebendes, und mit der Erhebung des Herzens wollen wir heimgehen, umweht vom Odem der Ewigkeit. Wenn eins der Unseren in Frieden heimgeht", sagt ein großer Gottesmann, „dann streicht den Zurückbleibenden aus der geöffneten Himmelsthür, durch welche dasselbe eingegangen, ein Lüftlein entgegen, kraft dessen sie es aushalten können bis zur eigenen Nachfahrt." Und, getragen von dieser Ewigkeitsluft, töne die Losung Eurer heimgegangenen Stifterin als ein stilles Geläut durchs ganze

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Haus und durch jedes Herz: Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet, herberget gerne!

Amen.

Kaiser Friedrich III.

Predigt bei der Gedächtnißfeier für Se. Maj. den Kaiser Friedrich, am 24. Juni 1888.

Gott, dem ewigen Könige, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren und allein Weisen sei Ehre und Preis in Ewigkeit! Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommt!

Tert: Jakobi 1, 12:

„Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewähret ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben."

In Christo geliebte Gemeinde! „kommt, wir wollen wieder zum HErrn gehen; ER hat uns zerrissen, ER wird uns auch verbinden!" Wieder! mit diesem einen Worte beginnt mit der neuen Wunde die alte zu bluten, das neue Leid ruft das alte wach. Vor unseren Augen stehen zwei Königsleichenzüge: der eine zieht vom Dome hinaus zum stillen Mausoleum in Charlottenburg, zu den Füßen Friedrich Wilhelms III. und Luise, der andere von Friedrichskron nach der stillen Friedenskirche zu Friedrich Wilhelms IV. Gruft. Wie wunderbar verschieden sind diese beiden Züge! Damals war's Wintertag, öde die Flur, die Bäume, starrend von Schnee und Eis, ihre Zweige gen Himmel streckend; der Schnee breitete mitleidig das weiße Bahrtuch aus, daß die Königsleiche still darüber getragen werde. Ja, so schien es zu stimmen zu dem Heldenkaiser, dessen Leben in Sturm, in Eis und Schnee begonnen und Mühe und Arbeit gewesen. Und trotz des Winterschnees auf seinem Haupte, wie viel blühendes

Leben innen; das Auge war nicht dunkel geworden, seine Kraft nicht gebrochen, seine Gestalt nicht zerfallen. Wohl waren wir Alle lange darauf gefaßt, daß auf den unvergleichlichen Spätherbst seines Lebens einmal ein Wintertag kommen müsse, der ihn uns wegnimmt. Aber wie ist dieser Tag gekommen! Welch goldner Abendsonnenglanz, welche Morgenröthe des ewigen Lebens lagerte sich über diese Scheidestunde! Des Heldenkaisers letzte Worte waren nicht Worte, sie waren vielmehr ein großes Testament, ein herrliches Vermächtniß an das Volk. So schied Kaiser Wilhelm. Der friedevoll ausklingende Akkord seines Lebens rief im Herzen des Volkes nur den Psalm, auch unter Thränen, wach: „Lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht, was ER dir in diesem einundneunzigjährigen Leben Gutes gethan."

Der andere Leichenzug geht vom Schlosse aus mitten in jauchzende Sommerpracht, zwischen Rosen- und Blüthenbäumen und sprossendem Leben hindurch; auf den belaubten Zweigen Tausende der gefiederten Sänger, die ihr Lied schmetterten; vorüber ging's an rauschenden Wasserbronnen, an den Orangengärten Friedrich Wilhelms IV. und dem Sanssouci des großen Friz überall quellendes Leben. Aber in der Mitte dieses Zuges eine Königsleiche, ein Sarg und drinnen ein stiller Mann, gebrochen im Hochsommer seiner Tage, versiegt die rauschenden Quellen, die in ihm so köstlich sprudelten, Sang und Klang verstummt in der Brust, die so liederfroh war; das Auge geschlossen, vor dem die Welt in so rosigem Glanze lag. Kein Wort tönt mehr zu den Seinen, kein Vermächtniß mehr aus seinem Munde an sein Volk; die Lippen, die so begeisternd und zündend zu reden wußten, waren schon lange verstummt, ehe der Tod ihnen Schweigen geboten. Aus dem Herzen des Volkes und Derer, die ihn liebten, nur ein Dank hinauf dringend: daß ihn Gott erlöst, den Dulder, aus unsagbarem Leid!

War Kaiser Wilhelm wie eine Königseiche, die ihre Krone neigte im Tode vor der Last des Alters Kaiser Friedrichs Leben sank zu Tode wie ein vom jähen Blitz getroffener Baum. Begreift Jhr's, Geliebte, welcher Unterschied in diesen beiden

Leichenzügen? faßt und versteht Ihr's auch, daß wir heute mehr
Trost, mehr Licht bedürfen, wo der Pfad Gottes so verborgen
und dunkel werden will? Fragen tauchen im Herzen auf, die
stürmisch Antwort begehren; Fragen, die hinauf zum Throne
Gottes dringen. Wo wollen wir hin? Das Wort, das sein
Königlicher Sohn für diese Feier gewählt, das schon einmal über
jenem Königlichen Dulder erklang, dessen Zeit in Unruhe, dessen
Hoffnung in Gott war, an Friedrich Wilhelms III. Sarg
mag uns Antwort geben. Hat jenes „Selig sind die Todten,
die in dem HErrn sterben, von nun an“ wie lichter Sonnen-
schein über Kaiser Wilhelms Leben geleuchtet, wohlan, so wird
dieses andere: „Selig ist der Mann, der die Anfechtung
erduldet", wie ein milder Stern über der Leidensnacht Kaiser
Friedrichs stehen. Freilich, es begreift dieses Wort ja nur das
lette Jahr seines Leidens; aber es steht mit ihm zu gleicher Zeit
das Bild seines Lebens licht und voll vor uns. Angefochten
kann doch nur ein Mann werden, der gewappnet ist; bewährt
nur Einer werden, der etwas zu bewähren hat. Die Tiefe des
Leidens und Duldens mißt sich nach der Höhe des Glanzes und
des Lichtes, auf der man zuvor gestanden. Hinab ins Leiden
kann doch nur schmerzlich gehen, wer vorher auf sonniger Höhe
des Glückes gestanden. Das sind die beiden großen Kapitel im
Leben unseres heimgegangenen Kaisers: Sein Sonnenschein und
seine Nacht. So erstehe denn, Geliebte, und insonderheit vor
Euch, liebe Soldaten, vor unserm innern Auge in dieser Stunde
das Bild unseres heimgegangenen Kaisers Friedrich:

„1. leuchtend im Sonnenglanz glücklicher Tage,
2. verklärt aber in der Nacht tiefer Leiden".

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HErr Jesu Christ! Du großer Friedefürst, Du hast nach dem Charfreitagsleid und Kampf den Deinen den seligen Osterfrieden gegeben, — laß Deinen heiligen Frieden auf uns ruhen in dieser Trauerstunde!

Amen!

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