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Was das Kind in der Luft des Hauses eingeathmet, hat es auch hinausgetragen und bewährt im Leben. Pietät und Dankbarkeit, ein stiller, freundlich milder Ernst, der Kaiser hat sie in allen Lebenslagen bewahrt und bewährt. Gab es ein dankbareres Herz als das seine? Wer nur immer seinen Eltern oder ihm wohlgethan den Kindern und Kindeskindern hat er es vergolten. Das sprichwörtlich gewordene, bis ins hohe Alter verbliebene ausgezeichnete Gedächtniß des Kaisers wurzelte vielmehr in seiner Dankbarkeit. Wer im Herzen des Kaisers stand, stand auch in seinem Kopfe, der brauchte nicht zu sorgen, daß er vergessen werden könnte.

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So weit das Jugendbild, ich eile zu den Jünglings- und Mannesjahren. In den schlichten Feldmantel geschlagen, ruhte die Hülle des Kaisers. Nach seinem letzten Willen sollten wenige Ehrenzeichen seine Brust schmücken, unter ihnen das Eiserne Kreuz und der St. Georgsorden: die ersten Ehrenzeichen, die der Kaiser sich in offener Feldschlacht errungen ein stiller Wink, daß nur, was erstritten, wahrhaft schmückt. Sein Verdienst sollte auch sein einziger Schmuck sein. So empfing er, im Gehorsam den brennenden Wunsch, zur Völkerschlacht bei Leipzig zu eilen, unterdrückend, im Jahre 1814 die Feuertaufe, die ihn von nun an mit der Armee in Kampf und Friede, in Freud' und Leid verbindet. Ihr galt das Leben seiner Jünglingsjahre, die Arbeit des Mannes, das Schwert zu feien, während sein Bruder die Krone trug.

Die Armee, oft als ein Ueberbleibsel einer rohen Zeit, als müßiges Spielzeug der Großen dieser Welt angesehen, jezt zur Schule des Volkes, zum lebendigen Wall vor dem Vaterland, zur Hüterin des Friedens geworden, ist in ihrem jeßigen blühenden Zustande wesentlich das Werk des Kaisers. Daß wehrlos ehrlos sei, daß nur friedfertig sein könne, wer schlagfertig, und daß der Starke allein geduldig zu sein vermöge

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stand dem Kaiser klar vor dem Auge. In den Unglückstagen hatte er es gelernt, daß Stillstand der Armee Rückgang bedeute, daß der Ruhm kein Ruhekissen sei, und daß das Ererbte von den Vätern von den Söhnen erworben werden müsse. Alles das erkannte des Kaisers durchdringender Blick.

Zu dieser seiner Lebensarbeit brachte er selbst das Beste mit. Der anfangs so schwächliche Knabe, um dessen Leben man sich sorgte, war zur ritterlichen reckenhaften Gestalt herangewachsen

aber in dieser hohen, vornehmen Gestalt schlug zugleich ein ritterliches tapferes Herz. Er war nicht bloß der Bildner der Armee, sondern auch ihr leuchtendes Vorbild. Der beste Soldat der Armee war der König selbst. Was kein Auge der Vorgesetzten sah, erblickten diese blauen Königsaugen, das wußten die Soldaten wohl, die ihn mit Guten Morgen, Majestät!" begrüßten; sie vergaßen es nicht, daß er auch ihr Richter war.

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Ein Muster der Bedürfnißlosigkeit und Schlichtheit, wovon nur ein Bild sein Sterbezimmer. Nie begehrte er von Anderen, was er nicht im höchsten Maße von sich gefordert. Er theilt die Todesgefahr mit seinen Soldaten und den Hunger mit ihnen, froh, in der Schlacht ein Stück Brod aus dem Beutel eines Soldaten zu erhalten. Der König zieht seinem Heere überall nach vielmehr voran! Der Dienst in erster Linie" — „Ich dien’“ und „noblesse oblige“ - „das Leben, wenn es köstlich gewesen, nicht Genuß, sondern Mühe und Arbeit" das hat den König nie verlassen, ein Vorbild der Pflichttreue im Großen wie im Kleinen und darum seiner letzten Worte eines, aber keineswegs das geringste: „Ich habe keine Zeit zum Müdewerden!" Ein Wort, das ein ebenso tief bezeichnendes Bekenntniß als ein gewaltiges, schwerwiegendes Vermächtniß Jedem im Volke sein wird!

Geprüft, geläutert, gestärkt und erprobt in den Stürmen der vierziger Jahre, gebeugt durch Preußens Demüthigung und im tiefsten Herzen verwundet durch den Tod seines geliebten Bruders, wird er zur Regierung berufen, in einer Zeit, in der

Andere sich zum Feierabend rüsten und mit der Lebensarbeit abschließen.

Diese siebenundzwanzig Jahre seiner Regierung sind vor unsern Augen durchlebt worden. Es bedarf keiner Worte weiter. Wir sehen einen wundersamen König, über dem das Wort des Königspsalms wahr wird: Ueber ihm wird seine Krone blühen blühen wie die Blüthenkrone einer Blume, in immer neuer Färbung und neuem Dufte.

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Was der Kaiser und König geleistet, was er errungen, es gehört uns in besonderem Sinne; aber Eines, das gehört allen das, was er war: der Mensch im Könige.

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Man wird nach Texten suchen, über ihn zu reden, nach Denksprüchen, über sein Grab zu schreiben. Ich kenne nur eine Ueberschrift, die ihn als Menschen voll bezeichnet, jenes Wort des heiligen Psalms: Schlicht und recht, das behüte mich, denn ich harre dein." Das war's, was ihm das Herz Aller gewann. Ohne Arg und Falsch, ohne Künste, ein Mensch den Menschen gegenüber, mit ihnen fühlend und empfindend so hat er den ganzen Menschen in den König gelegt, aber auch den König in den Menschen. Wenn man vor ihm stand, vergaß man über seiner Güte die Majestät, und doch konnte man nie den König über dem Menschen vergessen.

ausgesprochen, hat er

Ich will mich vor Allem hüten, was mich als Mensch erniedrigen würde" dies Wort, in seinem Jugendbekenntnisse auch bei seiner persönlichen nächsten Umgebung bis auf seine Dienerschaft bewährt. Wenn sonst das Wort zutreffen mag, daß kein Mensch groß ist in den Augen seines Dieners, so trifft es bei dem Könige nicht zu. Konnte doch einer seiner ergrauten Diener sagen: „In den vierzig Jahren, die ich dem Könige diene, hat er nie nöthig gehabt, auch nur einen Befehl zurückzunehmen. Er war nie heftig gegen uns, und wenn er schalt, dann galt es nur der Sache, nie der Person."

So, schlicht und recht, ob als König, ob als Mensch, reiht sich jenes andere Bekenntniß aus den Jugendtagen an: „Mein

Fürstenstand soll mich nicht verhindern, demüthig zu sein vor meinem Gott." Demuth ist mehr als Bescheidenheit, die so oft nur eine Tochter der Klugheit ist. Nein, des Königs Lebensbaum beugte sich, wie der Baum unter der Last der Früchte, die auf seinen Zweigen ruhen. Sein Haupt senkte sich wie die volle Kornähre, die zwischen den blauen Kornblumen, seinen Lieblingsblumen, steht. Er wußte, daß er von Gottes Gnaden war, was er war; das war bei ihm kein leerer Titel. Er wußte aber auch, was er den Menschen zu danken hatte: ihr Verdienst hat Niemand williger, größer, neidloser anerkannt als der König. Des Königs Auge hat die rechten Leute erkannt, seine Hand hat sie gewählt, erhoben und geschmückt, seine Demuth aber hat sie neben sich ertragen.

Es würde ein Zug noch fehlen in diesem Bilde, wenn ich hier schlösse: das war sein Glaube. Jm Glauben ist die Hoffnung", so schrieb der König in die Bibel seiner Kapelle zu Gastein. Das ist ein kurzes, hoheitvolles Bekenntniß. Hier lagen die Wurzeln seiner Kraft. „An meinen Gott will ich überall gedenken; ich weiß, daß ich ohne ihn nichts bin und nichts vermag." Daher stammt sein fürstliches Gewissen, das sich vor Gott verantwortlich wußte. In diesem Glauben vergab er alle Kränkung, ertrug er die schweren Heimsuchungen, das tiefe Leid um den kranken Sohn, unsern geliebten Kaiser Friedrich, den jähen, herben Schmerz um den Tod des theuren Enkels! Einsam war's um den König geworden, die Genossen der Jugend und Mannestage hatten ihn verlassen, aber er war nicht vereinsamt. Die Königseiche, Alle überragend, war gestüht von der Liebe der Kaiserin, die wie ein friedevoller Abendsonnenschein sein Leben begleitete, getröstet durch seine Kinder, umrankt und umsponnen von dem jugendlichen Epheugrün der Enkel und Urenkel. „Im Glauben die Hoffnung“, so nahte sein seliger Abschied, den Sie Alle kennen. Er starb als ein Held und Kind zugleich. Seine Hoffnung aber hat er ausgesprochen in jenem Liede, das er in Jugendtagen gehört, das seine Mutter geliebt. Er hat befohlen,

es bei seiner Todtenfeier zu singen, jenen Choralvers aus dem „Tod Jesu“ von Graun:

Wie herrlich ist die neue Welt,
Die Gott dem frommen vorbehält,
Kein Mensch kann sie erwerben.
O Jesu, Herr der Herrlichkeit,
Du hast die Stätt' auch mir bereit❜t,
Hilf sie mir auch ererben.

Einen kleinen

Blick in jene
Freudenscene

Gieb mir Schwachen,

Mir den Abschied leicht zu machen."

Ich schließe. Wenn jetzt die Töne der Symphonia Eroica ertönen werden, dann steige das Leben des Kaisers vor Ihnen empor, selbst eine große Symphonia Eroica mit dem sturmbewegten Allegro der Kindheit, mit dem friedevollen Finale seines Heimganges.

Gottes Friede über seinem Grabe, ewiger Dank in dem Herzen seines Volkes! Amen!

Rede, gehalten im Auguftahospital am 13. Januar 1890 zur Gedächtnißfeier für die entschlafene Kaiserin und Königin Augusta.

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da war und der da ist und der da kommt! Amen!

Text: Römer XII, 11-13:

„Seid nicht träge, was ihr thun sollt. Seid brünstig im Geist. Schicket euch in die Zeit.

Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet.
Nehmet euch der Heiligen Nothdurft an. Herberget gerne."

In Christo geliebte Gemeinde, insonderheit lieben Schwestern dieses Hauses! Zuletzt freuet euch, tröstet euch, habt einerlei Sinn, seid friedsam, so wird der Gott aller Liebe und Friedens mit euch sein", mit diesem Worte durfte ich Euch grüßen am

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