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Auch wir kennen dies edle Gut. Wir Deutsche sind ja wohl ein streitbar, aber doch ein friedliebend Volk, dem nicht im Frevel das Schwert aus der Scheide fährt. Aber wir wissen auch: friedfertig kann nur sein, wer schlagfertig ist. Wir bauen wie Israels Volk, mit der Kelle in der Hand und dem Schwert an der Seite. Ob wir uns auch nicht fürchten, so bitten wir doch: Verleih' uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten!" Unsere Bitte geht aber noch tiefer, wir bitten. um den inneren Frieden. Es ist je und je unseres Volkes Unglück gewesen, daß es sich zerrieben in innerer Uneinigkeit, in Zank und Zwietracht, und dadurch so oft zum Spott und Raub der Völker geworden ist. Einander ertragen, einander verstehen, vorschlagen zu lassen, was zum Frieden dient, das ist von jeher nicht unsere Sache gewesen.

Wohlan, hat Gott uns den äußeren Frieden geschenkt und erhalten, wollen wir ihm nicht im Innern nachjagen, dem Frieden zwischen Fürst und Volk, zwischen Reich und Arm, dem Frieden in den Häusern, dem Frieden in den Herzen?

Gewiß, wir reden keinem faulen Frieden das Wort, und mögen dahinfahren alle Propheten, die da sagen: Friede, Friede, da doch kein Friede ist. Um die edelsten Güter der Nation, um ihren Glauben, ihre Ehre, wird ja immer der Kampf nöthig sein. Aber braucht er darum mit vergifteten Waffen geführt zu werden? Das blizende Schwert der Wahrheit muß doch in das Del des Friedens getaucht sein, und Friede muß des Streites Ziel bleiben. Deshalb:

Gott gebe Euch viel Frieden!

Es reiht der Apostel daran das Lezte und Höchste an, wenn er sagt:

III. Und Liebe!

Der Segen unserer Arbeit hängt auch von der Kraft unserer Liebe ab. Das ist die Liebe, die nicht das Ihre sucht, die Liebe, die nicht herrschen, sondern dienen will mit der Gabe, die sie empfangen hat; die Liebe, der es mehr aufs Rechtthun und Ge

rechtwerden, als aufs Rechthaben ankommt, die Liebe, welche nicht eigene Ehre und Berühmtheit, sondern das Wohl des Ganzen im Auge hat.

Das ist die Liebe, die nicht irre wird über unserem Volk und all' seiner Verkehrtheit, die nicht verzweifelt an seinen Wunden, sondern die da hofft, daß der Gott, der es aus sechs Trübsalen gezogen, es auch in der siebenten nicht verlassen noch versäumen werde; daß der, welcher sein deutsches Volk getragen, wie ein Adler seine Jungen, es auch noch weiter tragen und ertragen werde.

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Im Glauben ist die Hoffnung" das war ein Lieblingswort unseres heimgegangenen Kaisers Wilhelm —, ein Wort, bewährt in einem 90jährigen Leben und bewahrt in allen Wechseln des Geschickes. Im Glauben — aber auch in der Liebe ist die Hoffnung; denn die Liebe kann keinen aufgeben, den sie einmal umfaßt hat. Laßt mich schließen.

In deutschen Landen steht auf hohem Bergkegel eine Burg, in ihren Trümmern noch zeugend von der Kraft und Ausdauer derer, die sie erbaut haben. Eine alte Inschrift aber besagt das Geheimniß solch' fröhlicher Arbeit: Jeder, der einen Stein hinauftrug zum Bau, sollte aus güldenem Becher von dem Bauherrn erquickt werden.

Auch Euch, ihr Männer des deutschen Volkes, die Ihr Steine bringen wollt - nicht zum Niederreißen, sondern zum Aufbau unseres heißgeliebten Vaterlandes, soll der labende Trunk nicht fehlen. Es lohnt Euch der Dank unseres Kaisers, der Dank eines treuen Volkes. Er aber, der ewige, himmlische Bauherr, erquicke Euch selbst aus dem goldenen Becher Seiner Gnade; Er gebe Euch viel Barmherzigkeit, viel Frieden, viel Liebe durch unseren HErrn Jesum Christum, hochgelobt in Ewigkeit! Amen!

Predigt zur Landtagseröffnung am 15. Januar 1895 in der Schloßkapelle.

Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist und der da war und der da fommt.

Text: Jeremia 28, 7.

,,Suchet der Stadt Bestes, darin Ich euch habe führen lassen und betet für sie zum HErrn; denn wenn es ihr wohl geht, dann geht es auch euch wohl."

Hohe Versammlung! Insonderheit evangelische Männer
beider Häuser des Landtags!

An manchem deutschen Hause steht der alte Spruch:
,,Wo Gott nicht giebt zum Haus sein' Gunst,

Ist unser Thun und Bau'n umsunst."

Dies Wort gilt jedem Hause. Der ärmsten Hütte ist es ein Trost, daß weit und hoch ein Himmel voll Segens sich über ihr spannt, und dem stolzesten Palast ist es ein Denkzettel, daß ohne Gottes Gunst der festeste Bau auf Sand und Sumpf gebaut sei. Wer aber berufen ist, das Haus seines Volkes zu bauen, hat's doppelt noth, zum großen Bauherrn der Welt Herz und Hand zu heben. Darum gilt auch dem Herrenhaus wie dem Abgeordnetenhause das Wort:

,,Wo Gott nicht giebt zum Haus sein' Gunst,

Ist alles Thun und Bau'n umsunst.“

Mehr denn einmal hat schon der himmlische Bauherr Sein Veto über einem Beschluß der Parlamente eingelegt und die Botschaft sagen lassen: „Beschließet einen Rath und es werde nichts daraus."

Das ist aber der Sinn dieser Stunde und des Kirchgangs: daß wir erst zum Altar Gottes und dann zum Thron des Königs gehen; erst des himmlischen und dann des irdischen Königs Wort hören; vom Altar die Kohlen nehmen und damit das heilige Feuer

auf dem Herd unseres Volkes entzünden und schüren. Manchem ist diese Feier zur bedeutungslosen Form herabgesunken, und er entzieht sich ihr. Ein Mann aber, der seines Volkes Bestes sucht" und, was gleichbedeutend ist, der für sein Volk ein Herz hat, läßt Lippen und Hände entsündigen, weihen und feien, ehe er an die Arbeit geht. Solcher Männer bedürfen wir. Die Institutionen machen es allein nicht, sondern die Personen, die sie mit Geist und Kraft tragen und erfüllen. Wer sind aber die Männer, die die Signatur tragen, daß sie das Beste ihres Volkes suchen, „ein Herz für unser Volk haben"? Lasset es mich mit dem Wort eines Mannes sagen, der von allem Hohen und Edlen, was Menschenherz und Brust bewegt, seinem Volk einst gesungen, den Fürsten den leuchtenden Edelstein in ihrer Krone, die Treue des Volkes, im Liede geschliffen, in schwerer Zeit das Banner der Freiheit, Ehre und Größe des Vaterlands getragen, dessen Charakter so rein wie seine Lieder sind. Er zeichnet den Mann, der für sein Volk ein Herz hat, also:

„Un seiner Väter Thaten
Mit Liebe sich erbau'n,
Fortpflanzen ihre Saaten,
Dem alten Grund vertrau❜n;

In solchem Angedenken

Des Volkes Heil erneu'n,

Um seine Schmach sich kränken,

Sich seiner Ehre freu'n,
Sein eig❜nes Ich vergessen
Bei aller Lust und Schmerz,
Das heißt man, wohlermessen:
Für unser Volk ein Herz!"

oder mit anderen Worten: der hat ein Herz für sein Volk, der seines Volkes Vergangenheit in pietätsvoller Treue bewahrt, seines Volkes Gegenwart mit klarem Auge erschaut und selbstlos für seines Volkes Zukunft arbeitet und hofft.

HErr, thue meine Lippen auf, daß mein Mund Deinen Ruhm verkündige!

I.

Des Volkes Bestes suchen kann nur der, der selbst ein Bestes hat, ein Kleinod, das er in Treue bewahrt. Dies Kleinod liegt aber als ein Erbe seinem besten Theile nach in der Vergangenheit. Seine Väter haben es ihm erstritten und erworben, an ihren Thaten soll er liebend sich erbauen, fortpflanzen ihre Saaten und dem alten Grunde weiter vertrauen. Gewiß, aus eines Volkes wie aus jedes Menschen Vergangenheit spinnt sich seine Gegenwart und aus Vergangenheit und Gegenwart seine Zukunft. Darum kann man wohl in gewissem Sinne mit Recht sagen: Wer keine Vergangenheit hat, hat auch keine Zukunft. "Wer darum unserem Volke in seiner Gegenwart helfen will, muß festgewurzelt stehen in seiner Vergangenheit; ein dankbarer, pietätvoller Sohn gegen seinen Vorfahren sein; ein Verständniß dafür haben, was sein Volk einst groß und herrlich gemacht und für das, was ihm geschadet hat, und begreifen, was und wie sein Volk gelebt, geliebt und gehaßt, gelitten und gestritten hat. Nur wer den tiefsten Herz- und Pulsschlag seines Volkes aus der Vergangenheit hört, wird auch den Herzschlag der Gegenwart verstehen.

Und uns fehlt es wahrlich nicht an einer großen Vergangenheit! Preußens Geschichte ist eine Geschichte göttlicher Treue an Fürst und Volk; einer Treue, die den jungen Adler fliegen ließ vom Fels zum Meer. Eine Geschichte auch göttlicher Gerichte, wenn das Volk seinen Gott verlassen, und göttlicher Barmherzigkeit, wenn es sich in Reue und Buße aufgemacht. Es ist auch eine Geschichte menschlicher Treue, aufrichtiger Gottesfurcht, eiserner Pflichterfüllung, der Hingabe des Einzelnen ans Ganze, der Selbstverleugnung und des Beharrens, des Sinns für Recht und Gerechtigkeit, die das suum cuique festhält; der Weitherzigkeit, die die Freiheit der Gewissen schont; der Barmherzigkeit, die Schuß den Verfolgten und Geringen im Volk gewährt. Das sind die Kleinodien, die wir zu bewahren haben, das der gute Grund, auf welchem wir fortbauen müssen. So gilt es, pietätvoll schonen und pflegen,

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