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„Der alte Gott im Himmel

Gab dem alten König Sieg!"

Nicht bloß beschützt und behütet, sondern gekrönt führt ihn der HErr zurück. Zu der Krone des Königthums gab er ihm noch eine Krone der Ehren und der Siege, und ihr leuchtend Bild ist die Kaiserkrone. Ein achtzehnter Januar war's einst, den man als Krönungstag bei uns in Preußen gefeiert, und ein achtzehnter Januar wird von nun an das ganze deutsche Volk erinnern, daß die Hoffnung seiner edelsten und besten Söhne nicht zu Schanden geworden. Wars doch noch nicht erstorben, weder in dem Herzen noch auf den Lippen des deutschen Volkes: „das Lied vom deutschen Kaiser." Was die Dichter gesungen, in der Jünglinge Brust tönte es wieder von Geschlecht zu Geschlecht. Die Alten sind mit der Hoffnung zu Grabe gegangen, es werde ein Kaiser aufstehen, der des deutschen Reiches Herrlichkeit wiederbringen werde, und sie haben diese Hoffnung dem kommenden Geschlechte vermacht. Und siehe, was die Besten geglaubt, was die Kühnsten nicht zu hoffen gewagt, was die Mattherzigen als Schwärmerei verlacht das ist vor unsern Augen erstanden: ein einiges deutsches Volk unter seinem Kaiser. Und der König hat die Krone nicht hingenommen als einen Raub, sie ist ihm entgegengebracht worden von den deutschen Fürsten und errungen worden auf dem Schlachtfelde vom deutschen Volke. Wenn es in einem Psalme heißt: Ueber dem König blühet seine Krone" so ergreifen auch wir dies Bild und sagen: Die Kaiserkrone ist dem König nicht gemacht worden, sie ist lebendig emporgewachsen und über Ihm herausgeblüht, ein Gnadenlohn, vom HErrn gereicht nach langer, mühe- und dornenvoller Arbeit.

Und das hat ihm der HErr bescheert nicht am Morgen, nicht am Mittag nein am Abend seines Lebens. Wenn eines Menschen Leben an den Schlagbaum gekommen, davon Mose, der Mann Gottes, im 90. Psalm sagt: „Unser Leben währet siebzig Jahre" dann ziehen sich die Ströme des Lebens zurück. Es wird mehr ein Leben der Vergangenheit, denn der Gegenwart; es fehlt der frische Schwung der Jugend, der

kühne Unternehmungsgeist, der Neues beginnt. Aber wie wunderbar hier in unseres Königs Leben! Wo Anderer Leben an Bedeutung fürs Große, Ganze verliert, hat das seine erst die volle große Bedeutung gewonnen. Ja der HErr hat ihm noch eine Er bittet Dich um Leben,

andere Krone aufs Haupt gesett. und Du gabst ihm langes Leben", die Silberkrone des Alters, jene stille Majestät des Silberhaars, die Jeder gern und willig anerkennt, und mit ihr die heilige Ruhe und Abklärung reifer Erfahrung, den klaren Blick über Welt und Menschen, den nur das Alter geben kann. Das hat der HErr ihm gegeben: Deiner Kraft freut sich der König und ist sehr fröhlich über Deiner Hülfe." Während andere gebrochen stehen im Alter, Ruinen dessen, was sie einst gewesen — wie frisch und jugendlich an Geist und Körper steht der König da in der Kraft seines Gottes! Für jeden Dienst der Treue und Liebe das treue Gedächtniß, für jede Arbeit die ganze Kraft; Gefahr und Mühe mit jedem Jüngling theilend, er der dreiundsiebzigjährige Greis. So stand noch vor Kurzem sein Bild vor uns. So ist's denn nur Dank, heißer Dank gegen den treuen Gott, der unser Herz bewegt; ein Dankopfer, das wir in unseren Händen tragend hier anzünden über dem, was der HErr an dem Könige gethan und für das, was ER uns, Seinem ganzen deutschen Volke in ihm geschenkt. Ach, Geliebte, daß wir's nicht vergessen möchten und, heimkehrend in die Heimath, als eine Frucht der Erfahrung, die wir hier in diesem Lande gemacht, es doppelt an jedem Königsgeburtstag fühlten: Wohl dem Volke, dem es also gehet!"

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II.

Wer aber dankt, der darf auch bitten. Der Dank ist's, der uns die Thür zu Gottes reichem Herzen offen hält. Einem dankbaren Herzen giebt man gerne. Wenn die Kinder in der lieben Heimath den Geburtstag ihres Vaters feiern, des Hauptes im Hause, dann steht neben dem Danke die Bitte: „Ach HErr, laß ihn uns noch dies Jahr“. Und die Bitte wird um so dringender und inniger, wenn die Kinder es wissen, wie noth

Frommel-Gedenkwerk. Bd. IV. Für Thron und Altar.

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ihnen das Leben des Vaters noch thut, und wenn sie es sich sagen, daß die Tage gezählt und jeder weitere nur geschenkt ist. So stehen auch wir heute bittend für das theure Haupt der großen Volksfamilie: „Ach HErr, erzeige ihm Güte und Treue, die ihn behüten, daß sein Thron bleibe immerdar vor Dir." David weiß es: Es ist leichter, zur Höhe zu kommen, als auf der Höhe bleiben; leichter eine Krone erringen, als sie nun auf dem Haupte tragen mit aller ihrer sorgenschweren Verantwortlichkeit. Es ist leichter, im Unglück muthig, als im Glücke demüthig bleiben vor Gott. Wir alle verstehen besser die Nähe des HErrn, wenn Er in der Nacht der Noth und der Trübsal in der Feuersäule mit uns wandelt, als wenn er im Mittagsglanze des Glückes, des Ruhmes und der Ehre, als in der Wolkensäule mit uns zieht. Wohl uns, daß wir einen demüthigen König haben, der es weiß, wer ihn behütet und bewahrt und wer ihn allein auf der Höhe erhalten kann, um die die Stürme viel mächtiger brausen als im Thal. Nicht in der Weisheit seiner Räthe, nicht in der Freundschaft seiner Verbündeten, nicht in der Tapferkeit seines Heeres, nicht einmal in der Treue seines Volkes, sondern in Gottes Güte und Treue liegt des Königs beste Kraft und sein Schuß. Der Menschen Weisheit kann versagen, ihre Freundschaft sich wandeln, ein Schwert zum Rohrstab und ein Volk verführt werden und das Kreuzige" demselben Manne entgegenrufen, dem es vorher Palmen gestreut und Hosianna entgegengejauchzt — und wir haben solche Tage erlebt aber Gottes Güte und Treue versagen nicht. Sie machen es, daß des Königs Thron bleibe immerdar vor Gott. Ach mancher Fürst ist vor Menschen Augen noch fest gesessen auf seinem Thron - wie einst Saul, der König Israels und doch ist im obersten Regimente sein Absetzungsdekret schon ausgefertigt und er ist vom Herrn verworfen. Es kommt die Stunde nur, wo es auch vor Menschen augen offenbar wird, was im Heiligthum Gottes längst beschlossen war. Güte und Treue Gottes behüten vor aller Selbstüberhebung, behüten aber auch vor aller Verzagtheit, heben den Fürsten weg über das schwankende Urtheil der Menge, über Lob und Schmeichelei.

Unsern König erwarten noch große Aufgaben, und manch innerer Feind wird sein Haupt erheben - da mögen Gottes Güte und Treue ihn bewahren. Das laßt uns für ihn erbitten. Wenn heute aber an Alle im Volk die Mahnung geht, festzustehen zu unserm König, daß von oben Gottes Güte und Treue und von unten Seines Volkes Liebe und Treue ihn behüten, so gilt sie doch Euch insonderheit, geliebte Brüder und Kameraden. Wir sind dem Könige noch mit besonderem Eide verpflichtet. Jetzt jubelt dem Könige Alles entgegen. Aber es hat andere Zeiten gegeben und kann auch wieder andere Zeiten geben. Bei der großen Menge entscheidet der Erfolg, aber im Heere die Treue dem geschwornen Eid. Da laßt uns feststehen in guten und in bösen Tagen. Was uns der König ist, zu was er uns mit Gottes Hülfe gebracht, das kann uns allsonntäglich hier dies Gotteshaus durchs Gegentheil lehren. Dort im Chore der Kirche steht an der Stätte des Altars, durch französischen Königsmund befohlen, das Denkmal jenes Marschalls und Herzogs zu Sachsen, der sein deutsches Volk verlassen, seinen Arm und sein Schwert dem welschen Dränger geliehen und in fremdem Solde stehend sein eigenes Vaterland bekämpft hat. Ueber den zerbrochenen Fahnen seiner Landsleute schreitet er hinab in sein ruhmloses Grab. Frankreich weint um ihn, aber sein Vaterland hat keine Thräne für den entarteten Sohn. Schaut hier das Bild des Jammers und des Elends, der Schmach des deutschen Namens! Und nun schaut auf zu unserm König, der wie seine Ahnen sein Geschick mit dem seines Volkes verflochten weiß, mit ihm Freud und Leid, Noth und Sieg theilt - der nicht ruhmlos in der Manneskraft ins fremde Grab hinuntersteigt, sondern im Alter emporsteigt, geliebt und getragen von seinem Volke, dessen Kaiserkrone er aus dem Grabe hervorgeholt. Wohl haben auch wir den König hinabsteigen sehen zu einem Grabmal; hinab zu den Särgen der schwergeprüften Eltern, dort zu beten vor dem Kriege; des Gottes zu gedenken, der die Noth einst gewandt und der auch heute noch helfen kann. Und wie hat der

HErr den König wunderbar erhört! So erhöre denn auch uns der HErr, wenn wir heute für den König bitten.

Herr, unsere Dank und Bittopfer sind bereit, wir legen sie auf Deinen Altar nieder! Sende Deine Flamme, zünde unsere Opfer selbst an. Siehe an den König, Deinen Knecht, segne Du ihn und behüte ihn! Laß ihm leuchten Dein Antlig und sei ihm gnädig! Erhebe Dein Antlig über ihm und gieb ihm Deinen Frieden!

Amen.

Friedens- und Dankesfeßtpredigt am 18. Juni 1871. Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt! Amen.

2 Mose 15, 1-3.

Da sang Mose und die Kinder Ifrael dies Lied dem Herrn und sprachen: Ich will dem Herrn ein Lied singen; denn er hat eine herrliche That gethan, Roß und Wagen hat er ins Meer gestürzet. Der Herr ist meine Stärke und Lobgesang, und ist mein Heil. Das ist mein Gott, ich will ihn preisen; er ist meines Vaters Gott, ich will ihn erheben. Der Herr ist der rechte Kriegsmann; HErr ist sein Name.

„Wem soll der erste Dank erschallen ?
Dem Gott, der groß und wunderbar
Nach langer Schande Nacht uns Allen
In Flammen aufgegangen war!"

So klingt's und läutet's heute von Ort zu Ort in unserm lieben Vaterlande. Mit dem „Friede auf Erden" soll das „Ehre sei Gott in der Höhe" gehen. So steht es recht, und das zu singen, sind wir hier im Hause Gottes versammelt. Ein uraltes Tedeum habt Ihr soeben vernommen. Jahrtausende sind verflossen, seit Israel feuchten Kleides, aber trockenen Fußes ans Ufer steigt. Hinter sich sieht es die Fluthen zusammenrauschen, der Egypter großes Grab. Durchbebt vom Anblick der Leichen am Meer, noch mehr von der gewaltigen Hand seines Gottes

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