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Predigt am 3. Januar 1886 beim 25jährigen Jubiläum des Regierungsantritts Sr. Maj. des Kaisers und Königs Wilhelm I.

„Lobe den HErrn, meine Seele, und was in mir ist, Seinen heiligen Namen! ,,Lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht, was ER Dir Gutes gethan hat!"

Gnade sei mit uns und Friede von Dem, der da war und der da ist und der da kommt! Amen.

Text: Psalm 71, 7-9, 14, 45:

Ich bin vor Vielen wie ein Wunder, aber Du bist meine starke Zuversicht. Laß meinen Mund Deines Ruhmes und Deines Preises voll sein täglich. Ich aber will Deines Ruhmes immer mehr machen. Ich preise Deine Gerechtigkeit allein, täglich Dein Heil, das ich nicht alles zählen kann. Derwirf mich nicht in meinem Alter und verlaß mich nicht, wenn ich schwach werde!"

In Christo geliebte Gemeinde! Soli Deo gloria! „Allein Gott in der Höh' sei Ehr'!" Das soll heute das Festgeläute sein. So wollte es unser in Ehrfurcht geliebter König. Kein Festzug noch Festgepränge, keine Festsäule noch Festgeschenk von

Frommel-Gedenkwerk. Bd. IV. Für Thron und Altar.

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Seiten seines Volkes soll den hohen Tag bezeichnen. Wie die stillen Alpenhäupter am Abend glänzen im leuchtenden Schnee und man schweigend und feiernd vor ihnen steht, so sollen auch wir vor dem vom Abendsonnenschein göttlicher Gnade umleuchteten Haupte unseres Königs stehen, den HErrn anbetend, der ihn also begnadigt. Aber auch wie in den hohen Wipfeln der Eichen der Abendwind still und leise weht, so soll unsere Königseiche still umrauscht sein von den Gebeten seines Volkes. Im Hause unseres Gottes seines greisen Königs gedenken, über ihn Gott danken und für ihn Gott bitten, das sollte das beste Fest= geschenk sein; vor Gottes Angesicht wallen, der rechte Festzug; den König selbst anschauen als ein lebendiges Denkmal der Gnade Gottes, besser als jedes Denkmalaufrichten in Stein und Erz. So von der Gabe zum Geber aufsteigen, vom greisen König zu dem König aller Könige, der war, ehe denn die Berge worden das war des Königs Wille für den heutigen Tag. Wahrhaftig, so ist es des Königs würdig, der die Krone als Lehen nicht aus Menschen-, sondern aus Gottes Hand vom Altare nahm und heute, nach fünfundzwanzig Jahren, sie in betenden Händen zu dem HErrn wieder hinaufträgt, der sie ihm auch in schweren Stürmen auf dem Haupte erhalten hat. So feiern wir denn hier in Gottes Haus, und mit uns Millionen von Preußenherzen vom Fels bis zum Meer, von den Ufern des Rheins bis zur Weichsel, von der Nordsee bis zu den Bergen Schlesiens. So weit der preußische Adler seine Schwingen schützend breitet, wird man singen:

„Segne, segne unsern König!"

Das ist ja Preußens Ehre von jeher gewesen, daß es mit seinen Fürsten und Königen sich gefreut und mit ihnen gelitten. Was Preußen geworden, es ist's durch seine Könige geworden, aber auch mit seinen Königen. Des Volkes Leid war auch des Königs Leid, und darum ist auch am heutigen Tage des Königs Freude auch seines Volkes Freude. Jede rechte Feier aber will aus dem Herzen des Andern heraus gefeiert sein, darum ver

senken wir uns in unseres Königs Herz und beten mit ihm selbst

unseres Königs Jubiläumspfalm.

Er enthält:

I. ein Königsbekenntniß: „Ich bin wie ein Wunder vor Vielen, aber Du, HErr, bist meine starke Zuversicht!"

II. ein Königsgelöbniß: „Ich will Deines Ruhmes immer mehr machen, laß meinen Mund Deines Ruhmes voll sein täglich!" III. eine Königsbitte: Derwirf mich nicht in meinem Alter und verlaß mich nicht, wenn ich schwach werde!"

HErr, thue meine Lippen auf, daß mein Mund Deinen Ruhm verkündige! I.

In Christo geliebte Gemeinde! „Ich bin vor Vielen wie ein Wunder, aber Du, HErr, bist meine starke Zuversicht!" Bezeichnet dies Wort nicht treffend wie kein anderes das Leben unseres Königs in diesen fünfundzwanzig Jahren? Niemand hat dies tiefer empfunden als der König selbst, und unvergeßlich sind mir jene Worte aus seinem Munde: So viele wollen in heutiger Zeit an keine Wunder mehr glauben; ich dächte, sie sollten mich nur anschauen, denn ich bin doch ein Wunder Gottes vom Haupt bis zu Fuß, ein Wunder Seiner Vorsehung und Regierung." Lassen wir in Kürze diese Jahre an uns vorüberziehen.

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Es war ein schmerzensreicher Tag, als am 2. Januar 1861 der König die Augen schloß, dessen Wege, wenn eines Königs Wege, thränenwerth und thränenreich gewesen sind: Friedrich Wilhelm IV. gesegneten Angedenkens. Lange schon vorher war dies Herz gebrochen, ehe es im Tode brach; dieses Herz, von dem der königliche Bruder gesagt: „Niemals hat eines Königs Herz treuer für sein Volk geschlagen als das seine." Während draußen der eisige Winterhimmel leuchtete, war der politische Horizont tief umdunkelt, das Vertrauen in die Ruhe Europas erschüttert, Rußland und Oesterreich gedemüthigt; die Reihe sollte

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auch an Preußen kommen. In Deutschland selbst dumpfes Brüten und Schweigen, und über den zerstörten Idealen der Jugend schauten die Besten aus nach Preußen hin. Aber die Fänge des preußischen Aars und seine Schwingen waren gelähmt. So trat der König die Regierung an. Der großen Aufgabe gegenüber stand ein Mann, der bereits an die Schranken gelangt, wo es nicht weit hin ist zu dem Schlagbaum, von dem Mose, der Mann Gottes, sagt: „Unser Leben währet siebenzig Jahre." In einem Alter, wo man weit mehr heimwärts als vorwärts schaut, mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart und Zukunft lebt, da hat es Gott gefallen, ihn in seinem vierundsechzigsten Jahre auf den Thron Preußens zu rufen. Welch' ein Weg und Wunder Gottes, und wer sollte ihn schürzen und gürten, diesen Weg zu gehen? Aber Du, HErr, bist meine starke Zuversicht!" Dies Wort löst das Räthsel. Wenn der König zum ersten Male nach langer, langer Zeit wieder gen Königsberg zog in jene Schloßkirche, die die Krönung des ersten Königs gesehen, so wissen wir, daß es ihm nicht um äußeres Gepränge zu thun war, sondern, wie er selbst sagte: „Ich habe von Gott die Krone empfangen, sie von Gottes Tisch genommen und sie auf mein Haupt gesetzt, auf daß ich sie in Demuth trage, weil ER sie mir verliehen.' Das ist des Königs Trost gewesen in den schwersten Stunden seines Lebens, das hat ihn umgeben als eine heilige, unsichtbare Macht. Und sein Gott hat es ihm an der Salbung und Ausrüstung nicht fehlen lassen. Statt des wagenden Jugendmuthes und Jugendübermuthes gab ER ihm die abwägende Besonnenheit, die ausharrende Geduld, den erfahrenen Blick und die männliche Thatkraft, alles Tugenden, die auf der einen Seite eine Gabe Gottes sind, andererseits nur auf dem Wege der Erfahrung und der Läuterung errungen werden; Tugenden, deren ein König gerade in jener Zeit bedurfte.

So hat es schon am Anfang seiner Regierung der König mit klarem Auge erkannt, daß ehrlos wehrlos sei, daß Deutschlands Macht bei allem seinem Wissen und Bildung, bei allem

dem, was in Kirche, Staat und Schule für das Volk geschieht, doch schließlich auf des Schwertes Spite gestellt sei. Darum lenkte er sein Augenmerk vor Allem darauf, sein Volk schlagfertig und wehrhaft zu machen. Aus den Tagen seiner Kindheit und Jugend, aus dem Unglück, das über seine königlichen Eltern hereinbrach, hat er ersehen, daß ein Volk aufs Neue erwerben müsse, was es besitzt. Einen zweiten Tag von Jena wollte er seinem Volke ersparen. Weitsichtiger als alle Andern, die ihm rathen und helfen sollten, stand der König allein da mit seinem eigensten Werk. Ihr, geliebte Brüder in Waffen, wißt am besten, was unsres Königs Herz in jener Zeit bewegte und wie die Sorge ihn nächtelang nicht schlafen ließ. Und siehe fünf Jahre nachher und er ging gerechtfertigt mit seinem Werk hervor, das die Feuerprobe bestanden, ein Wunder vor unseren Augen! Aber auch hier die Losung: Du warst meine starke Zuversicht."

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Zu den Wundern seiner Regierung und der Hülfe seines Gottes gehört es ferner, daß dem Könige zur rechten Zeit die rechten Männer geschenkt wurden. Es ist vielleicht unerhört in der ganzen preußischen Geschichte, drei Männer um ihren König geschart zu sehen, deren jeder seine besondere Begabung, aber auch jeder seine besondere Willenskraft hatte; der große Kanzler, der Schlachtendenker und der Schwertschärfer: Otto von Bismarck, Hellmuth von Moltke und Albrecht von Roon. Sie stehen neben dem willenskräftigen und unbeugsamen Könige und doch, wie standen sie alle zusammen! Bei allem Weitblick des Einen, bei allem Scharfblick des Andern und aller Energie des Dritten Eines hatte der König vor ihnen voraus, eine Last konnte ihm Niemand abnehmen: das fürstliche Gewissen und die Verantwortung vor seinem Gott, und diesem Einen fügten auch die Andern sich willig. Das war ein Wunder Gottes, das sich vor unseren Augen vollzog, das kommt nicht von Menschen, sondern von Ihm; ER ist es, der den Blick verleiht, zur rechten Zeit die rechten Männer zu wählen, und die Demuth schenkt, sie zu ertragen. Darum: Ich bin wie ein Wunder

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