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Schmuhl. Und die Bauart sei?

Mopsus. Im dorischen Styl.

Schmuhl. Was setzen wir in die Metopen?

Mopsus. Abbildungen wohl von den Affen des Cap's und die Schicksalsdichter

dazwischen.

Schmuhl. Jezt weiß ich genug, ich folge dir nach.
Mopsus. O wären wir über der Grenze. (Ab.)
(Schlußparabase.) Schmuhl. Nun beginnt, ihr Anapäste! (Er tritt vor.)

Sein Abschiedswort thut euch durch mich der Komödiendichter zu wissen,
der oftmals schon, im Laufe des Stücks, vortrat aus seinen Coulissen!
Ueberseht huldreich die Gebrechen an ihm, lasst euch durchs Gute bestechen!
Man liebt ein Gedicht, wie den Freund man liebt, ihn selbst mit jedem
Gebrechen;

denn, wolltet ihr was abziehen von ihm, dann wär' er derselbe ja nicht mehr, und ein Mensch, der nichts zu verzeihen vermag, nie seh' er ein Menschengesicht mehr!

Wohl weiß der Poët, daß dieses Gedicht ihm tausende werden verketzern, ja, daß es vielleicht niemandem gefällt, als etwa den Druckern und Setzern: es verleidet ihm auch wohl ein Freund sein Werk, und des Kritikers Laune verneint es,

und der Pfuscher vermeint, er könne das auch; doch irrt sich der Gute, so scheint es.

Durch Deutschland ist, die Latern in der Hand, nach Menschen zu suchen, so mißlich;

Wohlwollende triffst du gewiß niemals, kurzsichtige Tadler gewißlich. Zwar möchte das Volk aus eitler Begier, an poëtischen Genien reich sein, doch sollen sie auch Bußprediger, ja, Betschwestern und alles zugleich sein! Doch, reichten sie nichts als milchige Kost, als ganz unschuldige Speise, dann wären sie wohl viel weiser als Gott, der Thoren geschaffen und Weise. Was jedem geziemt, das üb' er getrost, mit dem Seinen bescheide sich jeder: im Sonnensystem ist Raum für mehr als für des Zeloten Katheder! Wir schelten es nicht, will einer die Welt und die weltlichen Dinge verpönen; doch wer anschaut die Gebilde der Kunst, geh' unter im Geiste des Schönen. Ein Pedant, den nichts zu begeistern im Stand, armselig steht er und einsam; zwar hat er vielleicht mit den Thieren den Fleiß, doch nichts mit den Menschen gemeinsam!

Glaubt nicht, daß unser Poët, der gern, was krank ist, sähe geheilet, mißgünstigen Sinns Eingebungen folgt, wenn er auch Ohrfeigen vertheilet: Wer Haß im Gemüth und Bosheit trägt und wer unlautere Regung, dem weigert die Kraft jedweden Gehalt und die Grazie jede Bewegung. Wen kümmert es, was ein Poët urtheilt? Doch, zeigte sich einer empfindlich, übertreff' er ihn auch; denn er macht sich dadurch zu gediegneren Worten verbindlich.

Doch, kommt er kutschirt mit leichtem Gepäck und gekritzelter Stümperdepesche,

gleich schicke man ihn über Schilda zurück, in des Nicolai Kalesche;

Euch aber, zur Gunst und zur Liebe geneigt, weißage der Dichter vertraulich des Gedichts Vorzug, wie er selbst es versteht; denn er hält es für hübsch und erbaulich:

Ihr findet darin, bei sonstigem Spaß, auch Rath und nützliche Lehre und alles zum Trotz dem Verkehrten der Zeit und dem Trefflichen alles zur Ehre. Ihr findet darin manch witziges Wort und manche gefällige Wendung und erfindende Kraft und Leichtigkeit und eine gewisse Vollendung; denn, wie sich enthüllt jemaliger Zeit Volkstum in den epischen Liedern, so spiegelt es auch in Komödien sich mit allen Gelenken und Gliedern; drum hat der Poët euch Deutschland selbst, euch deutsche Gebrechen geschildert; doch hat er den Spott durch freundlichen Scherz, durch hüpfende Verse gemildert. Nicht wirkungslos bleibt dieses Gedicht, das glaubt nur meiner Betheurung, und der wahren Komödie Sternbild steht im erfreulichen Licht der Erneurung. Der Aesthetiker wird's, da es nun da ist, als ganz alltäglich ermessen ; doch bitt' ich, ihr Herrn, des Columbus Ei nicht ganz und gar zu vergessen! Liebhaber jedoch, gern werden sie es anhören und gern es in Lettern anschauen sofort, auch würden sie gern es vernehmen herab von den Brettern; laut heischten sie dann, mit Heroldsruf, nach Weise der alten Thesiden: es erscheine der Chor, es erscheine der Chor des geliebten Aristophaniden! Wie bedarf es des Ruhms und der Liebe so sehr, im Bewustsein gährender Triebe, ihm werde zum Ruhm der Befreundeten Gunst; denn Ruhm ist werdende Liebe. Nun sei es genug! Stets reiht an die Zeit des musikaufwirbelnden Reigens sich die Stunde des Ruh'ns, und ich lege sogleich an die Lippe den Finger des Schweigens;

denn die Zeit ist um; nun schlendert nach Haus, doch ja nicht rümpfet die Nasen und begnügt euch hübsch mit dem Lustspiel selbst und den zierlichen Schlußparabasen.

Aus Platen's romantischem Oedipus.

(Aus dem fünften Acte.)

Nimmermann. Wer kümmert um Verstand sich noch?

Mich lies, Fouqué studire dann und sämtliche
Franz Horn-Zigeunerzeune-deutsch-Berlinerei :
Wir haben keinen Theil an dir im Preußischen!
Aus meinen Augen weiche nur, wert bist du nicht,

mich anzuschaun; wer kümmert um Verstand sich noch?

Verstand. Was fällt dir ein? Bezähme deinen Uebermuth!

Nicht kennst du mich, so scheint es. Muß ich zeigen dir,
aufknüpfend meinen Ueberrock, den Ordensstern,
wie die Fürsten thun in Kotzebue's Komödien?
Zwar als Verbannter schleich' ich jezt allein umher;
doch vom Exil abruft mich einst das deutsche Volk.
Schon jezt erklingt im Ohre mir sein Reueton,
schon zerrt es mich am Saume meines Kleids zurück!
Dir aber, welchen schonend ich behandelte,

dir schwillt der Kamm gewaltig, bitter höhnst du mich
und hältst für deines Gleichen mich, Betrogener!

für jener Leutchen einen, welche sonst vielleicht

um deinen Schreibtisch drängten sich, beklatschten dich,
von dir mit Schwulst sich stopfen ließen, Gänsen gleich.
Unseliger, der du heute nun erfahren must,
welch' einen Schatz beherzter Ueberlegenheit,
biegsamer Kraft im Vorgefühl des Bewältigens,
welch' eine Suade dichterischer Redekunst

in meines Wesens Wesenheit Natur gelegt!
Denn jeden Hauch, der zwischen meine Zähne sich
zur Lippe drängt, begleiten auch Zermalmungen.
Chor. Was thust du? Wehe! Höhne nicht das Kraftgenie!
Verstand. Du blickst herab verächtlich auf Gescheitere,

als Pfuscher pfuschend, spielst du noch den Kritikus ;
doch schelten darf nicht jeder; das bedenke du!
Denn selbst die Schicksalsnymphen will ich lieber sehn,
als dich, den Eimer füllend am Poëtenborn:

du bist die Rachel, welche nur die Schafe tränkt!
Und wäre Müllners Musengott ein Satyr auch,
mit dir verglichen ist er ein Hyperion,

so wahr der Sohn der Maja mir die Laute gab,
ja selbst die Pfeife, die den Argus eingewiegt!
Du bist allein ein ganzer Tollhaushelikon,
der neun und neunzig Musen hat zu Närrinnen ;
der langen Weile nie versiechender Quell entspringt,
wo nur den Boden stampfen mag dein Pegasus;
Wie Holperpflöcke pflanzest deine Verse du,
auf daß du selbst im Rausche d'rüber stolperest,
wofern der Krätzer, den ich biete, trunken macht:
Komm; thu Bescheid mir, Bruder! ich credenze dir's!
Wie schäumt in meinem Becher dir der herbe Spott!

Chor. Weh! schone deine Gurgel, Unersättlicher !

Verstand. Und kraft der Vollmacht, welche mir die Kunst verlieh,

und kraft des Scherzes, welchen ich bemeistere,

der unter meinen Händen fast erhaben klingt,

als wär's der Andacht hoher Ernst, und kraft der Kraft
zerstör' ich dich und gebe dich dem Nichts anheim!
Zwar wäre, dich vernichten, eine kleine That;
allein gesalbt zum Stellvertreter hab' ich dich

der ganzen Dichterlingsgenossenschaft,

die auf dem Hackbrett Fieberträume phantasirt

und unsre deutsche Heldensprache ganz entweiht.

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Ja, gleichwie Nero, wünscht' ich euch nur ein Gehirn,
durch einen einz'gen Witzeshieb zu spalten es,

um aller Welt zu zeigen eine taube Nuß,

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mit ungenießbar'm Floskelmoder angefüllt.
Verstumme, schneide lieber dir die Zunge weg,
die längst zum Aergernisse dient Vernünftigen!
An deiner Rechten haue dir den Daumen ab,
mit samt dem Fingerpaare, das die Feder führt:
an Geist ein Krüppel, werde bald es körperlich!
Chor. Flieh, Nimmermann, die mörderischen Trimeter !
Verstand. Wohin du fliehen willst, nimmermehr entrinnst du doch,
und gleich Armeen umzingeln dich Verwünschungen!
Sachwalter gibt es keine für den Versifex

und aus dem Schosse schütteln dich die Wenigen,
die noch geneigt dir waren, wie gemeinen Staub!
In meinen Waffen spiegle dich, erkenne dich,
erschrick vor deiner Häßlichkeit und stirb sodann!
Ich bin im Jambenschleudern ein Archilochus,
ein Zeus in meinem Sylbenfall, ein Donnerer:
indem sie treffen, blenden meine Keule dich ;

von mir getötet, gaffst du noch Bewunderung! (Ab.)

§. 333. (Verlauf der dramatischen Poësie.) Hans Sachsens Dramen bilden den Ausgangspunct in der dramatischen Litteratur der Neuzeit. Leider aber hat die dichterische Phantasie an der Production dieser Stücke zu wenig Antheil, und macht sich außerdem der Mangel großartiger Weltanschauung, so wie schöner Diction zu sehr geltend, als daß sie hätten das Herabsinken des Dramas, das in den Passions- und Fastnachtsspielen volkstümlich geworden war und eine würdige Grundlage in der Religion gefunden hatte, ich sage, der oben berührte Mangel machte sich zu fühlbar, als daß sie den Verfall des Drama's in die gemeinste Rohheit hätten aufhalten können. Die Dramen, die in dem Treibhausgarten der schlesischen Gelehrtenpoësie gediehen, waren dies noch weniger im Stande- die Werke des Andreas Gryphius († 1664), Producte, welche Bekanntschaft des Dichters mit Shakespeare verrathen, haben allein etwas urwüchsig Poëtisches an sich und so blieb denn das Drama im Zustande fast gänzlicher Verwahrlosung, bis endlich die Kritik das Wesen und die Technik desselben zum Gegenstand ihrer Forschungen machte und in Lessing sich ein Genius fand, der das auf dem Wege der Forschung Gewonnene poëtisch zu verwerten vermochte. Mit Lessing also hob sich das Drama in all' seinen verschiedenen Gattungen er selbst gab mit Emilia Galotti, Nathan der Weise, Minna von Barnhelm die Tragödie und Komödie

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regenerirende Muster und erreichte, wenigstens was die Tragödie anbelangt, bereits eine sehr hohe Stufe der Vollendung. Schillers Wallenstein" und „Maria Stuart" dürften bis jezt die hervorragendsten Tragödien der Deutschen sein und, wenngleich Vischer's Ideal einer Tragödie „Shakespeare's Styl, geläutert durch wahre, freie Aneignung des Antiken" noch sehr lange nicht seine Verwirklichung finden dürfte, so sind doch die deutschen Culturzustände darnach angethan, um gerade auf diesem Felde, auf dem Felde des Drama's, herrliche Blüten gewärtigen zu lassen. Im Lustspiel freilich läst sich erst von Anläufen zum Besseren Platen's Komödien müssen wenigstens in einer Beziehung als solche gelten sprechen; aber auch hier wird mit dem würdigeren Stoff die würdigere Form gefunden werden. Als namhafte dramatische Schriftsteller sind außer den bereits Genannten vor allen auf dem Gebiete der Tragödie Göthe, Hebbel, auf dem des Lustspiels Kotzebue zu nennen. Die Oper, übrigens kein Gegenstand der Poëtik, wuchert schon seit dem 17. Jahrhundert.

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D. Die Didaotik.

§. 334. Obgleich das Didactische keine selbständige Grundform der Poësie bildet (§. 296), hat es doch einen so eigentümlichen Character, und hat es sich zu so ungehöriger Selbständigkeit herausgebildet, daß wir einige Formen didactischer Poësie, denen echt künstlerische Behandlungsweise zu Theil geworden ist, so daß Einkleidung und Bedeutung zu schöner Einheit verbunden erscheinen, ohne Berücksichtigung ihrer Zuständigkeit gesondert abhandeln zu müssen glauben. Es sind dies das Epigramm, das Lehrgedicht, die Satyre und Epistel.

Das Epigramm ist ein Gedicht, das unser Interesse für einen Gegenstand einige Zeit wachhält, um es sodann auf überraschend sinnige Weise wie mit einem Zauberschlag zu befriedigen. Erwartung und Aufschluß sind also die beiden wesentlichen Theile des Epigramms, und muß der Aufschluß so ausfallen, daß er der Erwartung in ihrem ganzen Umfange entspricht. Man könnte das Epigramm in das lyrische und epische eintheilen, und unter ersterem jenes kurze Sinngedicht verstehen, das in eine frappante lyrische Pointe schalkhaft austönt,

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