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,,Schwing mir die Buben und schwing mir sie stark!"

ruft dem Winde der Wald;

,,klagen sie gleich im müden Gestöhn,

laß mir nicht ab sobald.

Also wurzelt ihr Fuß, und mit Mark

füllet sich Arm und Brust;

und sie wachsen zu stolzen Höhn,
mir eine Herzenslust.

Denn ich hasse die Zwergenart,
so die sumpfige Kluft

eingewindelt vor Wetter bewahrt

immer in Stubenluft.

Fahl und kahl in des Frühlings Saft

hat schon ein Lüftchen sie hingerafft.

(A. E. Fröhlich.)

Der Hexameter.

-501-501-501-501-0U|--.

Gleichwie sich dem, der die See durchschifft, auf offener Meerhöh' rings Horizont ausdehnt und der Ausblick nirgend umschränkt ist, daß der umwölbende Himmel die Schar zahlloser Gestirne

bei hell athmen der Luft abspiegelt in bläulicher Tiefe:

so auch trägt das Gemüth der Hexameter; ruhig umfassend
nimmt er des Epos Olymp, das gewaltige Bild, in den Schoß auf
kreisender Fluth, urväterlich so den Geschlechtern der Rhythmen,
wie vom Okeanos quellend, dem weithinströmenden Herscher,
alle Gewässer auf Erden entrieseln oder entbrausen.

Wie oft Seefahrt kaum vorrückt, mühvolleres Rudern

fortarbeitet das Schiff, dann plötzlich der Wog' Abgründe

Sturm aufwühlt und den Kiel in den Wallungen schaukelnd dahinreißt:

so kann erst bald ruh'n, bald flüchtiger wieder enteilen,

bald, o wie kühn in dem Schwung! der Hexameter, immer sich selbst gleich, ob er zum Kampf des heroischen Lieds unermüdlich sich gürtet,

oder der Weisheit voll Lehrsprüche den Hörenden einprägt,

oder geselliger Hirten Idyllien lieblich umflüstert.

Heil dir, Pfleger Homers! ehrwürdiger Mund der Orakel!

Dein will ferner gedenken ich noch und andern Gesanges.

(A. W. Schlegel.)

Columbus.

にこにここに

Steure, muthiger Segler! es mag der Witz dich verhöhnen

und der Schiffer am Steu'r senken die lässige Hand.

Immer, immer nach West! dort muß die Küste sich zeigen,

liegt sie doch deutlich und liegt schimmernd vor deinem Verstand.

Traue dem leitenden Gott und folge dem schweigenden Weltmeer;
wär sie noch nicht, sie stieg jezt aus den Fluthen empor.

Mit dem Genius steht die Natur in ewigem Bunde:
was der eine verspricht, leistet die andre gewiß.

(Schiller.)

§. 283. (Anapästisches Versmaß.) Die gebräuchlichsten Metren sind hier der zwei-, drei- und achtfüssige anapästische Vers. Besonders im ersten Fuß längerer Masse findet sich im Deutschen häufig statt des Anapästs ein blosser Jambus, weil ein Auftact von zwei Kürzen den accentuirenden Sprachen widerstrebt; dies darf jedoch nicht durchweg geschehen; wenigstens in einigen Zeilen muß der strengere Rhythmus angedeutet sein. Auch am Ende kann statt des Anapästs ein Jambus stehn, und dieser männlich oder weiblich, gereimt oder ungereimt, ausklingen. Die kleineren anapästischen Verse wechseln häufig mit einander ab.

Sehnsucht.

(Fünf doppeldipodische Verse und eine einfache anapästische Dipodie.)

1. Ich blick in mein Herz und ich blick in die Welt,
bis vom schimmernden Auge die Thräne mir fällt;
wohl leuchtet die Ferne mit goldenem Licht,
doch hält mich der Nord, ich erreiche sie nicht.
O die Schranken so eng und die Welt so weit
und so flüchtig die Zeit!

2. Ich weiß ein Land, wo aus sonnigem Grün
um versunkene Tempel die Trauben blüh'n,
und die purpurne Woge das Ufer beschäumt
und von kommenden Sängern der Lorbeer träumt;
fern winkt es und winkt dem verlangenden Sinn,
und ich kann nicht hin.

3. O hätt' ich Flügel, durchs Blau der Luft,

wie wollt' ich baden im Sonnenduft!

Doch umsonst! und Stunde auf Stunde entflieht

vertraure die Jugend, begrabe das Lied.

O die Schranken so eng und die Welt so weit
und so flüchtig die Zeit!

(E. Geibel.)

Romanze.

(Zwei-, drei- und vierfüssige Anapäste nach folgenden Reimschema
abwechselnd: abaaab.)

1. Wie raft' ich mich auf in der Nacht, in der Nacht,

und fühlte mich fürder gezogen;

die Gassen verließ ich, vom Wächter bewacht,

durchwandelte sacht

in der Nacht, in der Nacht

das Thor mit dem gothischen Bogen.

2. Der Mühlbach rauschte durch felsichten Schacht,

ich lehnte mich über die Brücke,

Tief unter mir nahm ich der Wogen in acht,

die wallten so sacht

in der Nacht, in der Nacht,

doch wallte nicht eine zurücke.

3. Es drehte sich oben, unzählig entfacht,

melodischer Wandel der Sterne,

mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht;
sie funkelten sacht

in der Nacht, in der Nacht

durch täuschend entlegene Ferne.

4. Ich blickte hinauf in der Nacht, in der Nacht,

ich blickte hinunter auf's neue:

o wehe, wie hast du die Tage verbracht;

nun stille du sacht

in der Nacht, in der Nacht

im pochenden Herzen die Reue.

(Platen.)

Während die kleineren anapästischen Verse etwas Lebhaftes und Stürmisches haben, zeigt der sieben- und achtfüssige Anapäst grössere Vielseitigkeit. Er ist für den Ernst großartiger Schilderung eben so geeignet, wie für launige Gemälde. Nach der ersten Dipodie verlangt er eine Caesur; die Hauptcaesur fällt aber nach der zweiten Dipodie.

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Seit ältester Zeit hat hier es getönt und, so oft in erneuerndem Umschwung, in verjüngter Gestalt aufstrebte die Welt, klang auch ein germanisches Lied nach, Zwar lange verhallt ist jener Gesang, den einst des Arminius Heerschar anstimmend gejauchzt in des Siegs Festschritt, auf römischen Gräbern getanzt ihn;

doch blieb von der Zeit des gewaltigen Karls wohl noch ein gewaltiges Lied euch, ein gewaltiges Lied von der mächtigen Frau, die erst als zarteste Jungfrau dasteht und verschämt, voll schüchterner Huld, dem erhabenen Helden die Hand reicht,

bis dann sie zulezt, durchs Leben gestählt, durch glühende Rache gehärtet, graunvoll auftritt, in den Händen ein Schwert und das Haupt des enthaupteten Bruders. Auch lispelt um euch der melodische Hauch aus späteren Tagen des Ruhm's noch,

als mächtigen Gangs zu des Heilands Gruft die gepanzerten Friedriche wallten; an den Höfen erscholl der Gesang damals aus fürstlichem Mund, und der Kaiser, dem als Mitgift die Gestade Homers darbrachte die Tochter des Normanns, sang lieblichen Ton! kaum aber erlosch sein Stamm in dem herrlichen Knaben, der, unter dem Beil hinsterbend, erlag capetingischer teuflischer Unthat, schwieg auch der Gesang, und die göttliche Kunst fiel unter die Meister des Handwerks.

Spät wieder erhub sich die heilige Kraft, als neue befruchtende Regung weit über die Welt, aus Deutschlands Gau'n, der begeisterte sächsische Mönch trug;

doch strebte sie nun langsamer empor, weil blutiger Kriege Verderbnis das entvölkerte Reich, Jahrhunderte lang, preisgab der unendlichen Rohheit, weil Wechsel des Lauts erst hemmte das Lied, da der bibelentfaltende Luther durch männlichern Ton auf immer vertrieb die melodische rheinische Mundart. Doch sollte das Wort um so reicher erblüh'n, und es lehrte zugleich es Melanchthon

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den gediegenen Klang, den einst anschlug die beglücktere Muse von Hellas; und so reifte heran die germanische Kunst, um entgegen zu gehn der Vollendung! Lang schlich sie dahin, lang schleppte sie noch nachahmende Fessel und seufzte, bis Klopstock naht und die Welt fortreißt in erhabner Odenbeflüglung und das Maß herstellt und die Sprache beseelt und befreit von der gallischen Knechtschaft,

zwar starr noch und herb und zuweilen vers teint, auch nicht jedwedem genießbar, doch ihm folgt bald das Gefällige nach und das Schöne mit Göthischer Sanftheit. Manch grosses Talent trat später hervor und entfaltete himmlischen Reichtum; doch keiner erschien, in der Kunst Fortschritt, dem unsterblichen Paare vergleichbar : Keusch lehnt Klopstock an den Lilienstab und um Göthe's erleuchtete Stirne glüh'n Rosen im Kranz!

(Platen.)

§. 284. Verse mit ganz genauer Sylbenabzählung, welche verschiedenartige Versfüsse enthalten, nennt man zusammengesetzte Verse. Ihr Gebrauch ist sehr eingeschränkt, und dürften folgende Verse die bekanntesten sein:

1. Der logaōdische Vers. So wird derjenige genannt, der entweder dactylisch beginnt und trochäisch schließt, oder

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