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den, oder mit Beziehung auf den nun aufhörenden alten Zustand: ent-völkern. Im leztern Fall ist sie denominativ. 3. Die Silbe be hat eine mehrfache Bedeutung:

a) die allseitige Einwirkung auf den Gegenstand, ein untersichbringen desselben, ein versehen werden mit demselben. Das intransitive Zeitwort wird dabei transitiv: be-schiffen, be-fahren, be-hauen, be-malen; Denominative: be-rauschen, be-lauben, be-seelen, be-geistern, be-feuchten, betrüben.

b) ein bergen als Folge der Einwirkung auf den Gegenstand: be-graben, be-statten, Be-gräbnis.

c) Verstärkt sie den Begriff des einfachen Wortes: bekommen, be-ruhen.

d) Sie gibt einigen Participien eine eigene Bedeutung: bemittelt, be-flissen, be-schaffen und daher: Beschaffenheit, Beflissenheit.

e) Schon transitive Zeitwörter fordern mit be ein anderes Object, als sie ohne dasselbe haben: gießen Wasser auf das Beet; be-gießen das Beet mit Wasser.

Der Gegensatz von be in Denominativen ist ent.

4. er bedeutet das gelangen zu etwas, in einen andern Zustand, daher das werden zu etwas neuem, das verlieren von altem: er-blühen, er-füllen, er-bauen, er-wachsen, er-blinden, ergrauen, er-zittern, er-betteln, er-schleichen, er-lernen, erzwingen, er-schöpfen. - Auch verstärkt es den einfachen Begriff: er-sehen, er-achten.

Der Gegensatz von er ist ver und ent: er-blühen, verblühen; er-muthigen, ent-muthigen.

5. ge bedeutet in der Regel eine Reihe fortlaufender Thätigkeiten, einen Verein von zusammengehörigen Dingen. Am deutlichsten tritt dies hervor in den Compositionen, die Substantiven sind: Ge-sumse, Ge-wirre, Ge-haspel, Ge-dutze; Ge-birge, Ge-wässer, Ge-räder.

In Adjectiven bedeutet ge, daß die Sache, die das Substantiv bezeichnet, dem Subjecte eigen sei: ge-lenk, ge-muth, ge-schlacht (gut geartet).

Schwächer ist die Bedeutung in den Verbalcompositionen und ihren Ableitungen: ge-bieten, ge-reichen, ge-frieren;

ge-fallen, ge-rathen, ge-hören, ge-rinnen, ge-brechen; Ge-biet, Ge-bot, Ge-rücht.

Viele Verben und Adjectiven treten gar nicht ohne die Partikel auf; die Bedeutung derselben ist also ganz abgeschwächt in ge-nesen, ge-schehen, ge-mein, ge-sund, ge-wiẞ etc.

Anmerkung 1. Das Augment ge haben alle mit untrennbaren Partikeln zusammengesetzten Zeitwörter nicht: be-reden, be-redt; ge-horchen, ge-horcht; er-reichen, er-reicht; ver-zehren, ver-zehrt.

Anmerkung 2. Die Aehnlichkeit in der Bedeutung von ge und ei ist auffallend (§. 107).

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6. Ver fern, weg, fort (§. 102. Anm. 3.). Es bedeutet mithin das wegstreben von dem, was der einfache Verbalbegriff aussagt: ver-kennen, ver-leiten, ver-beißen, ver-laufen, verdrängen, ver-fließen, Ver-kauf.

Bisweilen verstärkt es nur die Bedeutung des einfachen Verbs: ver-läugnen, ver-ändern, ver-mehren.

Vor abgeleiteten Verben bedeutet es eine Verwandlung in den Stoff oder Zustand des Nennwortes: ver-glasen, verkalken, ver-golden, ver-dichten, ver-schlechtern, ver-wälschen.

Auch steht es oft vor einem und demselben Worte in mehreren Bedeutungen: ver-sprechen: Der Verbrecher versprach sich sehr oft beim Verhör. Der Hofrath versprach ihm, sich für ihn zu verwenden. Die beiden jungen Leute versprachen sich heute (feierten heute ihr Versprechen, ihre Verlobung).

Ohne ver können nicht bestehen: ver-heeren, ver-öden, ver-wüsten.

7. Ur verstärkt in der Regel den einfachen Begriff: Ur-ahne, ur-alt, Ur-quell, ur-plötzlich, Ur-anfang, Ur-eltern, be-urkunden, be-ur-lauben, ver-ur-sachen etc.

8. Un ist oft mit Adjectiven, selten mit Substantiven, nie aber mit starken Verben verbunden. Es bezeichnet den Gegensatz von dem, was das einfache Wort aussagt und kommt insofern gleich der Bedeutung von ohne, nicht: un-rein, un-schön, un-schuldig, un-statthaft, Un-glück, un-selig, Un

gethüm, Un-geheuer, un-merklich, ver-un-ehren, be-un-ruhigen, ver-un-zieren.

9. Zer bezeichnet Sonderung, Trennung, ein voneinanderreißen des vereinigten: zer-reißen, zer-brechen, zer-hauen, zerfließen, zer-stören, Zer-störung, Zer-störer.

b) Zusammensetzung mit trennbaren Partikeln.

§. 138. Trennbare Partikeln sind außer den oben bezeichneten sechs, welche wirkliche Compositionen eingehen: ab, an, auf, aus, außen, dar, fort, für, gegen, heim, her, hin, in, mit, nach, neben, nieder, ob, vor, zu.

1. Ab bezeichnet im allgemeinen Entfernung: ab-wenden, abgehen, ab-stehen, ab-wesend, Ab-bild, ab-nehmen, ab-lösen, Ab-grund, ab-hold, ab-wendig.

2. An bedeutet ein hinstreben und gelangen zu einem Ziele: an-heben, an-fangen, an-brechen, An-hub, An-fang, Anbruch, an-kommen, an-stehen, an-laufen, An-dacht, An-bau, An-muth.

3. Auf bezeichnet ein energisches hervortreten, sei es im guten oder im bösen Sinne: auf-brechen, auf-heben, auf-hauen, auf-stehen, auf-künden, auf-rühren, Auf-bruch, Auf-stand, Auf-ruhr, auf-merksam, auf-richtig.

4. Aus gibt ein wegstreben von einem Gegenstande, ein sich losmachen, eine Trennung an: aus-fliegen, aus-nehmen, aus-geben, aus-führen, aus-laufen, Aus-fahrt, Aus-bruch, Aus-land.

5. Außen ist seiner Bedeutung nach dem innen entgegengesetzt: Außen-seite, Außen-werk, Außen-wand.

6. Dar drückt ein bethätigen nach außen, ein zurschaustellen, sichtbarwerden, bisweilen mit dem Nebenbegriff des hingebens, des Opfers aus: dar-bringen, dar-thun, dar-reichen, dar-legen, dar-bieten, dar-leihen, Dar-lehn.

7. Durch bezeichnet eine Thätigkeit, die von der einen Seite eines Gegenstandes bis zur entgegengesetzten ausgeübt wird und so oft eine Trennung bewerkstelliget: durch-gehen, durch-irren, durch-wandern, durch-wärmen, durch-brechen, durch-stossen; Durch-fahrt, Durch-reise, durch-sichtig, durchdacht.

Selten verstärkt es, wie aus, den Begriff: durch-lauchtig, Aus-bund.

8. Fort drückt ein wegstreben aus, mit der Bedeutung: Zu einem fernen Ziele im Hintergrunde: fort-reisen, fortabmühen, fort-fahren, Fort-gang, Fort-schritt, Fort-reise. 9. Für bezeichnet eine Stellvertretung; für-bitten, be-für-worten, Für-wort.

10. Gegen gibt eine Richtung zu einem Punkte hin an, im guten und bösen Sinne des Wortes: Gegen-stoß, Gegen-gift, gegen-seitig. Mit Verben geht es keine Composition ein. 11. Heim bedeutet Haus, Wohnung, im Gegensatz zur Fremde: Heim-kehr, Heim-weh, heim-isch. Heim-lich und heimtückisch gehören nicht hieher.

12. Her bezeichnet eine Annäherung an den Sprechenden: Her-fahrt, Her-gang; die her in Her-kunft, her-stammen geben den Ursprung an.

13. Hin bildet den Gegensatz zu her, ein in die Ferne rücken: hin-gehen, hin-führen, Hin-fahrt, Hin-gabe, hindrängen, hin-eilen, hin-halten, hin-fällig.

14. In und ein. In bedeutet mehr die Ruhe als Gegensatz von aus, ein die Bewegung; lezteres steht daher bei Verben: ein-tauchen, ein-führen, ein-sehen, ein-schlagen, Ein-fuhr, Ein-gabe, Ein-zahlung; In-siegel, In-halt, In-laut, In-schrift. In-wohner und Ein-wohner, in-ländisch und ein-heimisch sind dem Sinne nach verwandt.

15. Mit hat stets die Bedeutung der Gesellschaft: mit-gehen, mit-gefangen, mit-gehangen; Mit-geselle, Mit-genosse, Mithilfe, Mit-glied.

16. Nach enthält den Begriff des hintereinemseins, und somit der Folge: nach-eilen, nach-folgen, Nach-kommen, Nach-trab, nach-denken, nach-sinnen, nach-lässig.

17. Neben bedeutet soviel wie gleich, ähnlich: Neben-mensch, Neben-fluß, Neben-stunde.

18. Nieder bezeichnet das Streben von der Höhe in die Tiefe, ist der Gegensatz von auf. Das energische schwindet bei nieder: nieder-fallen, Nieder-gang, Nieder-land, niederdeutsch, nieder-hauen, nieder-setzen, nieder-schreiben.

19. Ob aus ober entstanden, bedeutet einen Vorrang, ein herschen, die grössere Kraft: Ob-sieg, Ob-acht, be-ob-achten, Ob-mann, Ob-hut.

20. Um bedeutet das im Auge behalten eines Gegenstandes, den man nicht haben will: um-laufen, um-gehen, um-reiten, um-reißen, um-sichtig; Um-lauf, Um-ritt.

21. Unter bildet den Gegensatz von ob: unter-tauchen, unter

ordnen, unter-scheiden, Unter-amt, Unter-welt, Unter-ordnung. 22. Vor bezeichnet das heraustreten 1) im Raum: vor-springen, vor-reiten, vor-gehen, vor-halten, Vor-mann, Vor-tritt, Vorstand; 2) in der Zeit: Vor-zeit, Vor-welt, Vor-eltern, vorjährig; 3) im Range: Vor-bild, Vor-zug, vor-ziehen.

Bisweilen steht es auch statt für: Vor-mund, Vor-kehrung, Vor-sorge (Für-sorge).

23. Wider. Da es eine doppelte Bedeutung, die des Gegentheils und des nocheinmal hat, so glaubte man in neuerer Zeit, dies durch verschiedene Schreibung bezeichnen zu müssen widerstehen, wiederkehren. Besser ist es, dieses ungerechtfertigte e nicht zu schreiben (s. §. 28, S. 13): Wider-stand, wider-sehen, wider-finden, wider-holen, widersprechen, wider-reden, Wider-sacher, wider-sinnig, widerwärtig.

24. Zu hat ähnliche Bedeutung mit an; nur strebt es kräftiger nach einem Ziele, als dieses: zu-gehen, zu-reichen, zu-reiten, zu-steuern, zu-führen, zu-halten, zu-kommen, Zu-kunft, Zufuhr, Zu-versicht, zu-dringlich.

§. 139.

Vom Gehör und der Aussprache bedingte Wortbildung.

Diese zeigt sich nicht nur in der Veränderung der Laute, sondern auch in dem verkürzen der Silben und Wörter.

§. 140.

1. Veränderungen der Laute.

a) Der Vocale.

1. Die Abschwächung der Vocale, des a in o oder e, des i in e, des u in o. Auf diese Weise entstand Argwohn aus Wahn, erhoben aus erhaben, schlecht aus

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