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in Töffel und Käthe erneuert den Stoff, verändert Personen und Fabel und macht eine neue Sage daraus. Hagedorns und Vossens Bearbeitungen find längst verschollen, Hölty's Erzählung war lange Zeit ein Lieblingsgedicht der Deutschen und ist immer noch lebendig; und dies nicht unverdient; abgesehen von der beneidenswerthen Leichtigkeit des Vortrags, so mischen sich darin Ironie und wirkliche Empfindung, Naivität und bewußte Schalkheit, Phantasterei und Verstand auf eine solche Weise, daß wirklich etwas Neues entstanden ist. In vielen unsern noch lebenden Volksmährchen spielen Gott der Herr, der Heiland, der Apostel Petrus eine Rolle, die oft nicht recht zu dem biblischen oder dogmatischen Charakter sich schicken will. Der Sagenforscher weiß, daß hier nur alte heidnische Götter mit christlichen Namen vertauscht wurden, und daß die lebendige Volkspoesie sich wenig darum kümmerte, ob die neuen Namen sich zum Charakter der Fabel fügten. In ähnlicher Weise verwandelt Hölty den Jupiter und Merkur in zwei Mönche, Philemon und Baucis in Protestanten, unbekümmert darum, ob eine solche Vermengung auch nur im Gedanken möglich sei.

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1 Wer Marksteine verrückt oder über des Nachbars Land pflügt, der muß, dem Volksglauben zufolge, nach seinem Tode als feuriger Mann (als Irrwisch) herumwandeln, bis er erlöst wird. Diese feurigen Mannen sollen dann feurige Marksteine vorstellen und brennen lichterloh, daß man durch die Lippen durchschauen kann. Auf Betende kommen sie näher heran; Fluchende treiben sie weiter. Hebel nennt sie fürige Manne, fürige Marcher. Vergl. Hebels alemannische Gedichte, erläutert von Ernst Gößinger, Aarau 1873. Geisterbesuch auf dem Feldberg.

Sie schwazten dies und schwagten das
Vom sel❜gen Pfarrer Habermann,
Der noch den Nußbaum pflanzen thät,
Von dem sie manche schöne Nuß
Herabgeworfen, als sie noch

Zur Pfarre giengen, 2 manche Nuß!
Sie segneten den guten Mann
In seiner kühlen Gruft dafür,
Und knackten jede schöne Nuß
Noch einmal in Gedanken auf.
Da rauscht' das dürre Laub empor,
Und sieh', ein alter Kriegesknecht
Wankt durch den Eichenwald daher,
Sagt: Guten Abend!"

"

"

wärmet sich

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Und seßt sich auf den Weidenstumpf.
Wer bist du, guter alter Mann?"
"Ich bin ein preußischer Soldat,
Der in der Schlacht bei Kunnersdorf a
Das Bein verlor, und leider Gotts!
Bor fremden Thüren betteln muß.
Da gieng es scharf, mein liebes Kind!
Da sauseten die Kugeln uns
Wie tausend Teufel um den Kopf!
Dort flog ein Arm und dort ein Bein!
Wir patschelten durch lauter Blut, *
Und Roß und Reiter lagen da,

Wie Kraut und Rüben." ,,Lieber Gott!"
Sprach Hans und sahe Töffeln an,
„Mein Seel, ich werde kein Soldat,
Und wandre lieber hinterm Pflug.
Da sing' ich mir die Arbeit leicht
Und spring' und tanze wie ein Hirsch,
Und lege, wenn der Abend kommt,
Mich hintern Ofen auf die Bank.

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2 In den Confirmanden - Unterricht. 3 Den 22. August 1759. Hier erlitt Friedrich der Große eine schwere Niederlage durch die verbündeten Russen unb Desterreicher. Der Dichter Kleist wurde, als er an der Spipe seines Bataillons eine Batterie stürmte, verwundet, und starb zwei Tage nach der Schlacht zu Frankfurt an der Oder. Hier hat Voß folgende

Berse eingefügt:

Im Pulverdampf! Steht, Kinder, steht!
Berlaffet euren König nicht!

Rief Vater Kleist; da sank er hin.
Ich und zwei Bursche trugen flugs
Jhn zu dem Feldscheer aus der Schlacht.
Laut donnerte die Batterie!

Mit einmal flog mein linkes Bein

Mir unterm Leibe weg!"

„Gott!"

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Doch kommt der Schelmsranzos zurück,
Der uns die besten Hühner stabl
Und unser Heu und Korn dazu:
Dann nehm' ich einen rothen Rock ®
Und auf den Buckel mein Gewehr.
Dann komm nur her, du Schelmfranzos!"
Das Feuer jank, und wölkte kaum

Noch Dampf empor; sie giengen fort. 7

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5 Die Hannöverschen Lande fielen während des siebenjährigen Krieges mehrere Male in die Gewalt der Franzosen, welche ungeheure Brandschagungen und Lieferungen ausschrieben und Generalpächter hinsandten, von denen die Provinzen methodisch ausgeplündert wurden, bis das Landvolk, zur Verzweiflung gebracht, sich endlich gegen seine Quäler erhob. Die Hannoversche Armee trug früher rothe Uniform.

hat Bog folgendermaßen geändert:

Dann komm nur her, du Schelmfranzos!"
"Hans," sagte Töffel, lang' einmal

Die Kiepe her, die hinter dir

Im Riedgras steht, und gieb dem Mann
Von unserm Käs' und Butterbrod!

Ich samml' indessen dürres Holz;

Denn sieh, das Feuer sinket schon!"

7 Den Schluß

Wiewohl das Landschaftliche und Idyllische ein durchgehender Zug in Hölty's Dichtungen ist, so hat ihn die eigentliche Idylle doch wenig beschäftigt. Gerade diese Gattung aber war bei den Mitgliedern des Göttinger Bundes eine stehende, und fast alle haben sich darin versucht. Unter den drei Idyllen, welche sich in der Sammlung von Hölty's Gedichten befinden, ist das Feuer im Walde die gelungenste; sie erscheint aber mehr als Entwurf und Umriß, denn als ausgeführtes und abgeschlossenes Werk. Wie die Göttinger überhaupt sich Geßnern gegenüber stellten, so soll wohl auch Hölty's Feuer im Walde ein Gegenstück sein zu Geßners bekannter Idylle: das hölzerne Bein, und eine Vergleichung beider Stücke wird bald herausstellen, welche Vorzüge eins vor dem andern hat.

3. Der Tod.
(1772.)

1. Stärke mich durch deine Todeswunden,
Gottmensch, wann die seligste der Stunden,
Welche Kronen auf der Wage hat,
Meinem Sterbebette naht!

2. Dann beschatte mich, o Ruh, mit linden, Stillen Flügeln! Geister meiner Sünden, Nahet euch dem Sterbelager nicht,

Wo mein schwimmend Auge bricht!

3. Du mein Engel, komm von Gottes Throne, Bringe mir die helle Siegerkrone,

Wehe Himmelsluft und Engelsruh

Mir mit deiner Palme zu!

4. Leite mich auf tausend Sonnenwegen Jenem Engelparadies entgegen,

Wo die Gute, welche mich gebar,

Schon so lange glücklich war;'

5. Wo die jungen Geister meiner Brüder
Unter Blumen spielen, süße Lieder
In die Lauten singen, jung und schön
Zwischen Engeln um mich stehn!

6. Wohnt' ich doch, von diesem Erdgewimmel
Schon entfernt, in eurem Freudenhimmel,
Theure Seelen! Kniet' ich, kniet' ich schon
An des Gottversöhners Thron!

1 Hölty's Mutter war 1757 gestorben.

4. An Miller.

(14. Februar 1773.)

Miller, denk' ich des Tags, welcher uns scheiden wird,
Faßt der Donnergedanke mich:

Dann bewölkt sich mein Blick, starret zur Erd' hinab,
Schaut nur Bilder der Traurigkeit.

Mit umdüsterter Stirn wandelt die Stunde her,
Die mich fernet von meinem Freund,

Flügelt plötzlich den Schritt, zücket den Dolch nach mir,
Und er träufelt von Seelenblut. '

Eh' das sinkende Laub sterbend dem Baume entweht,
Kommt der traurige Scheidetag.

Stürmt die Freunde hinweg, stürzet den Seelendolch

In mein blutendes Herz hinab.

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Die Klopstocksche Schule zeigt sich in der Vorliebe zur Personifikation: der Stunde wird hier menschliche Gestalt und menschliche Waffe gegeben.

Wann das schattende Laub wieder den Baum umrauscht, 2
Frr' ich traurig von Strauch zu Strauch.
Blumen schließen sich zu, nahet dein Hölty sich,

Und die rieselnde Quelle weint;

Ach, die Seelen der Abende,

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Und vom Nachtigallbusch tönet mir Seufzerlaut.3

Die uns Freunden entflohn, werden oft vor mir stehn,
Schön und lächelnd wie Seraphim,

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Und die Bilder der Ruh', welche die Frühlingsnacht

Auf uns Glückliche niedergoß!

Deines Herzengesprächs werd' ich und Freundesblicks
Dann begehren; und ach, umsonst!

Deines Tugendgesangs, welcher mich himmelan
Oft geflügelt; und ach, umsonst!

In den Lauben des Mai's, funkelt der Abendstern
Durch die Blüten, der oft belauscht

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Unfrer Herzen Erguß, werd' ich dich spähn, den Arm
Nach dir strecken; und ach, umsonst!

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Nicht der flammende Wunsch, nicht der bethränte Blick
Bringt dich wieder in meinen Arm;

Und mein Klagegesang ruft der Vergangenheit,
Bis mich hüllet die Rasengruft.

Und die hüllet mich bald! Lispelt das Rebengrün,
Wo du horchest der Nachtigall,

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Zittert eine Gestalt, Kummer im Angesicht,

Leises Fluges, vor dir vorbei,

Winkt und lächelt dir zu: Miller, es ist dein Freund!
Durch die Blumen des Gartenbeets

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Weht der Schatten dahin, senket den Blick auf dich,
Und du schauerst vom Rajen auf,

Und ein Ahndungsgefühl klopfet durch deine Brust.
Traurig brichst du die Blume dir,

Die das Schimmergewand deines Phantoms umfloß,
Wo die liebende Zähre rinnt,

Die des fliehenden Geists trüberem Aug' entfiel,
Als sein Engel ihm Flucht gebot.

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Gegenbild zu 3. 9. Noch vor dem Herbste sollte Miller fort von Göttingen, und der Frühling sah sie nicht mehr zusammen vereint. 3 Man kann hier den Unterschied zwischen der Vermenschlichung und Personifikation sich veranschaulichen. Oben fand lettere statt, hier diese: die Natur nimmt Theil an seiner Trauer. Was in ihm vorgeht, stellt er dar in äußerlichen Erscheinungen

Die hier mitgetheilte Fassung stammt aus dem Göttinger Musenalmanach 1775; die Voß'schen Ausgaben zeigen zahlreiche und starke Abänderungen. Halm theilt (zu Nr. 39) eine im noch erhaltenen

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