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3. Ihr Edleren, ach, es bewächst
Eure Maale schon ernstes Moos!

O, wie war glücklich ich, als ich noch mit euch
Sahe sich röthen den Tag, schimmern die Nacht!

2 zu ernster Betrachtung auffordernd.

Ein zarter Laut der innigsten Empfindung, in einem lieblichen Bilde ausgedrückt. Das Andenken an seine verstorbenen Freunde und die Sehnsucht nach ihnen überfällt ihn beim Genuß einer schönen Sommernacht, und das Gedicht drückt ganz die Gefühle in derjenigen Folge aus, in der sie erwachten. Hauptgedanken sind die lezten Worte: „O wie war glücklich ich!“ 2c.

"

Das Versmaß ist hier äußerst lieblich und schmiegt sich der sanften Empfindung auf das innigste an.

14. Die Sommernacht.

(Kopenhagen 1766.)

1. Wenn der Schimmer von dem Monde nun herab
In die Wälder sich ergießt, und Gerüche
Mit den Düften von der Linde

In den Kühlungen1 wehn;

2. So umschatten mich Gedanken an das Grab Der Geliebten, und ich seh' in dem Walde Nur es dämmern, und es weht mir

Von der Blüthe nicht her.

3. Ich genoß einst, o ihr Todten, es mit euch,
Wie umwehten uns der Duft und die Kühlung,
Wie verschönt warst von dem Monde

1

Du, o schöne Natur!

Wohl nicht kühle Alleen, wie Vetterlein_meint, sondern kühle Lüfte; denn Kühlung steht ja oft in subjektivem Sinn als das Kühlende. Natürlich die Mehrzahl: an das Grab seiner Freunde und Freundinnen.

2

Diese Elegie spricht dieselbe Empfindung aus wie die frühen Gräber; nur daß hier das Gemüth sich gegen den Reiz der Natur ganz verschließt, während in der vorigen Elegie der Genuß derselben nur durch das Andenken an die Verstorbenen getrübt wurde.

Das in unserer Sprache schwierige Versmaß, worin der Didymäus (~~~) Hauptfuß ist, stellt sich sehr gut dar, und die immer fürzer werdenden Verse drücken die verfließende, in sich selbst zurückkehrende Wehmuth äußerst schön aus.

15. Wir und sie.
(Kopenhagen 1766.)

1. Was that dir, Thor, dein Vaterland?
Dein spott' ich, glüht dein Herz dir nicht
Bei seines Namens Schall!

2. Sie sind sehr reich, und sind sehr stolz!
Wir sind nicht reich, und sind nicht stolz,
Das hebt uns über Sie!

3. Wir sind gerecht!' das sind Sie nicht!
Hoch stehn Sie! träumen's höher noch!
Wir ehren fremd Verdienst!

4. Sie haben hohen Genius!
Wir haben Genius, wie Sie!
Das macht uns ihnen gleich!

5. Sie dringen in die Wissenschaft
Bis in ihr tiefstes Mark hincin!
Wir thun's, und thaten's lang!

6. Wen haben Sie, der fühnes Flugs,
Wie Händel, Zaubereien tönt? 2
Das hebt uns über Sie.

7. Wer ist bei ihnen, dessen Hand
Die trunkne Seel' im Bilde täuscht?
Selbst Kneller gaben Wir!

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3

1 Im Urtheil über andere Nationen; wir erkennen gern das Gute anderer an. 2 Georg Friedrich Händel, unser berühmtester Kirchencomponist, besonders durch seinen Messias, war 1684 zu Halle geboren, wurde später Kapellmeister des Kurfürsten Georg von Hannover und gieng, als derselbe König von England wurde, mit ihm 1710 nach London, wo er bis an seinen Tod, 1751, blieb. Der Dichter nennt hier Händeln nicht nur, weil er einer der größten Tonsezer ist, sondern vorzüglich deshalb, weil er als Deutscher in England lebte. Er will damit sagen: Wenn sie cinen großen Tonkünstler haben wollen, so müssen sie ihn aus Deutschland verschreiben. — 3 Gottfried Kneller, geb. zu Lübeck 1648, war ein

8. Wenn traf ihr Barde ganz das Herz?
In Bildern weint er! Griechenland,
Sprich du Entscheidung aus!

9. Sie schlagen in der finstern Schlacht,
Wo Schiff an Schiff sich donnernd legt!
Wir schlügen da, wie Sie!

10. Sie rücken auch in jener Schlacht,
Die Wir allein verstehn, heran:
Vor Uns entflöhen Sie!

11. O sähn Wir Sie in jener Schlacht,
Die Wir allein verstehn, einst dicht

Am Stahl, wenn er nun sinkt,

12. Hermanne unsre Fürsten sind," Cherusker unsere Heere sind,

Cherusker, kalt und kühn!

13. Was that dir, Thor, dein Vaterland?
Dein spott' ich, glüht dein Herz dir nicht
Bei seines Namens Schall!

berühmter Portraitmaler. Er ging 1674 nach England und machte dort großes Glück. Er starb 1723. Selbst Kneller, sagt Klopstock, um anzudeuten, daß die Engländer nicht einmal ordentliche Portraitmaler hätten, der größeren Maler, wie der Italiener und Niederländer, ganz zu geschweigen. 4 Shakespearen kannte Klopstock ohne Zweifel damals noch nicht. Von den englischen Dichtern seiner Zeit, besonders von den lyrischen, gilt dies allerdings. Sic reden immer in den stärksten Bildern, auch wo die sanftesten, natürlichsten Empfindungen ausgedrückt werden sollen. 5 Dieser Sah, so wie der folgende, ist kein Hauptsat, sondern gehört noch zu dem vorangegangenen wenn. „Wenn unsre Fürsten Hermanne sind.“

Diese Ode erschien zuerst in dem Almanach der deutschen Musen von 1770, unter dem unpoetischen Titel: „Parallele zwischen Engelland und Deutschland." Die Anglomanie muß zu jener Zeit doch besonders stark gewesen sein, da selbst Klopstock, der doch die Engländer, wenigstens ihre Schriftsteller, sehr liebte, darüber so in Flammen ausbricht. Es ist übrigens weder des Dichters Absicht, die Engländer herunterzusetzen, noch überhaupt alle möglichen Vergleichungspunkte zwischen beiden Nationen aufzusuchen. Er bittet nur seine Landsleute, doch auch gerecht gegen das Gute ihres Vaterlandes zu sein. Dasselbe Thema behandelt er in der Ode: Fragen.

16. Mein Wissen.
(1782).

1

1. Wenig ist nur des Wahren, das mir zu ergründen
Glückte; doch ist mir es theuer, wie ein Kleinod,
Durch vieljährigen Schweiß errungen,

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Oder erkämpfet mit Blut!?

2. Ist mir ein Trunk im Kühlen, geschöpft aus der Quelle;
Einer, der alt von der Kelter, im Krystall blinkt ; '
Frühlingssäufeln am Baum, der anblüht;"
Wehen des fallenden Stroms; 5

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3. Liebliche Ruh, stäubt endlich der Fuß in des Weges Krümme nicht mehr: wie durchglühte von dem lichten Himmel sinkend der Strahl! wie fern lag

Lange die thürmende Stadt!"

4. Labt, wie ein Buch, worin es im Geist der verkannten
Griechen sich regt von sich selber, die Gestalten

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Nicht nachahmend, die auch ursprünglich,
Lächelnd auf Aehnlichung sehn; 10

4

1 Es ist also nicht die Rede von Kenntnissen, die aus Büchern geschöpft werden, noch von bloßen Erfahrungen über Thatsachen, sondern von der Erkenntniß, welche lebendiger Begriff geworden ist. - 2 Wie ein Schaz, um den man jahrelang Dienste gethan oder um den man Krieg geführt hat. 3 Der Sabbau ist wunderlich); der Sinn klar: „wie ein Trunk frischen Wassers oder alten Weines“; „von der Kelter" steht entgegen dem aus der Quelle". Deutlicher wäre: „Einer von der Kelter (herstammend), der alt im Krystall_blinkt.“ Zu blühen anfängt. 5 Wasserfall? 6 Mein Wissen labt mich wie die liebliche Ruhe den Wanderer, den Staub und Hiße plagten. 7 Er sah sie schon lange; wegen der Krümme des Weges war sie noch weit von ihm entfernt. Wie ein Buch, das im Geiste der Griechen geschrieben ist, d. h. klar, ruhig, anschaulich und natürlich. 9 Gegen den Franzosen Batteur ge richtet, welcher behauptete, die schöne Kunst bestehe darin, daß man die Gestalten der Wirklichkeit (der_Natur) nachahme; indem die Anhänger dieser Lehre die griechische Kunst und Poesie auch auf Nachahmung der Wirklichkeit zurückführen wollten, nennt Klopstock die Griechen verkannte, d. h. mißverstandne. 10 Die Gestaltungen des Dichters sind auch ursprüngliche, ihm angehörige, nicht der Wirklichkeit nachgeabmte; aber seine Dichtergröße besteht darin, daß seine Erfindung mit dem Leben Aehnlichkeit hat und uns wie Wirklichkeit anmuthet.

-

5. Heitert mich auf, wie lebender Tanz," den der Jüngling
Schleunig begann, und sein Mädchen, da die Flöte
Wo im Schatten erscholl, der Spieler
Gern zu den Liebenden kam:

6. Freundesgespräch, das ist es mir auch, wenn in Freud und Leide das Herz nun dahinströmt! 12

geöffnet

Wird es dann, wie vor Gott, dann rinnen
Beiderlei Thränen 13 herab!

11 Klopstock braucht das Wort lebend oft im Sinne von natürlich (unmittelbarer Ausdruck des Lebens) uno im Gegensatz zu künstlich. Die nüchterne Sprache würde sich hier ausdrücken: Wie der Anblick eines natürlichen Tanzes." 12 Dem Freundesherzen entgegen. 13 Der Freude und des Leides.

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17. Der Frohsinn.
(1784)

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1. Voller Gefühl des Jünglings, weil ich Tage
Auf dem Roß und dem Stahl, ich seh' des Lenzes
Grüne Bäume froh dann und froh des Winters
Dürre beblütet.2

3

2. Und der geflohnen Sonnen, die ich sahe,
Sind so wenig doch nicht, und auf dem Scheitel
Blüthet es mir winterlich schon, auch ist es
Hier und da öde. 1 ́

3. Wenn ich dies frische Leben regsam athme:
Hör' ich dich denn auch wohl, mit Geistes Ohre,
Dich dein Tröpfchen leises Geräusches träufeln,

1

Weinende Weide. 5

Diese Strophe ist die Sapphische, welche aber Klopstock so abändert, daß der Daktyl, der sonst die dritte Stelle einnimmt, jedesmal auf eine andere Stelle fällt. - 2 Bis in das höchste Alter hinauf entsagte der Dichter dem Spazierritte und dem Eislaufe nicht. Dort ergößte ihn das Grün der Bäume, hier der Reif auf den Bäumen. 3 Die Ode fällt in das sechzigste Lebensjahr des Dichters. 4 Ich fühle mich bisweilen als Greis, da mir die Verbindungen meiner Jugend fehlen. 5 Ich denke wohl auch an die Nähe des Todes.

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