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17. Treuer Zärtlichkeit voll, 18 in den Umschattungen,
In den Lüften des Walds, und mit gesenktem Blick
Auf die silberne Welle,

That ich schweigend den frommen 19 Wunsch:

18. Wäret ihr auch bei uns, die ihr mich ferne 20 liebt,
In des Vaterlands Schoß einsam 21 von mir verstreut,
Die in seligen Stunden

Meine suchende Seele fand!

19. so bauten wir hier Hütten der Freundschaft uns! Ewig wohnten wir hier, ewig! Der Schattenwald Wandelt' uns sich in Tempe,

Jenes Thal in Elysium!

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aber die Freundschaft und der Besit wahrer Freunde. Der Parallelismus zeigt sich auch in den Ausdrücken süß, lieblich, reizvoll — süßer, schöner, reizender. 18 Er denkt aber durchaus dabei an seine in Deutschland zu= rückgelassenen Freunde, nicht an die, mit welchen er die Fahrt gemacht hatte. So viel Vergnügen ihm auch diese Fahrt verursacht hatte, so wurde es doch getrübt durch den Gedanken, daß seine Freunde nicht dabei wären. Die schöne ihn umgebende Schweizernatur, die frohe Geselligkeit, deren man ihn in Zürich würdigte alles dieses konnte ihm nicht den Verlust seiner Freunde vergüten. Wären diese mit hier, so würde er zufrieden sein. Man hat gefragt: Ob es nicht eine Unartigkeit gegen die Zürcher Freunde sei, die ältern Freunde herbeizuwünschen? ̈ ́ Allein man muß die Elegie überhaupt ansehen als gerichtet an diese ältern Freunde undurchaus nicht an die Zürcher. In Zürich überhaupt fand Klopstock keine eigentlichen Freunde; dies geht hervor aus einem Briefe vom 8. Oktober 1750 an Gleim, wo er schreibt: Sie haben mich mit den vielen, neuen, vortrefflichen Freunden, und mit Ihren Zweifeln, ob ich Sie noch wie vorher liebe, ein Bischen erschreckt. So gewiß ich Sie liebe und immer lieben werde, "so gewiß ist es nur eine sehr kleine Anzahl neuer Freunde, mit denen ich hier auf unsere Art lebe. Das ist Schultheß, den ich nun ganz kenne; „das ist Rahn (später Klopstocks Schwager).". Und Schultheß war nicht einmal bei der Fahrt, da er sich damals gerade in Winterthur aufhielt. 19 d. h. den vergeblichen Wunsch, pium desiderium. 20 Ju der Ferne. — 21 Vereinzelt.

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8. Friedrich der Fünfte.

(1751.)

Johann Hartwig Ernst von Bernstorf, dänischer Gesandter in Paris, hatte Klopstocks Messias kennen gelernt, und beschlossen, dem Könige Friedrich V. den Dichter zu empfehlen, damit er sorgenfrei der Ausarbeitung seines großen Gedichts sich widmen könne. Schon ehe Klopstock in die Schweiz reiste, waren deshalb an ihn Anträge geschehen, und in Zürich gelangte die Nachricht an ihn, daß Bernstorf, jest Minister, und der Obermarschall Graf Moltke, zwei in jeder Hinsicht treffliche Männer, ihm eine jährliche Pension

von 400 Thalern ausgewirkt hätten, ohne daß er dadurch zu irgend etwas verpflichtet sei, außer daß der König bisweilen seine Unterhaltung wünsche.

Diese Auszeichnung Klopstocks ist in vieler Hinsicht sehr merkwürdig. Der damals größte deutsche Fürst, Friedrich II. von Preußen, verschließt sein Ohr jedem deutschen Dichterlaut, der König von Dänemark hingegen ruft einen Dichter zu sich, nur damit dieser Muße findet. Klopstocken war der Ruf nicht nur deshalb theuer, da er dadurch großer Sorgen für die Zukunft entledigt ward, sondern auch deshalb, weil er Friedrich V. sehr achtete und liebte, Dieser Fürst, geb. den 31. März 1723, auf den Thron gestiegen den 6. August 1746, geft. 1766, war einer der trefflichsten Regenten seiner Zeit, der sich als Mensch, als Beschüßer und Kenner der Wissenschaften und als Beherrscher und Vater seines Volks gleichmäßig auszeichnete.

Diesen Fürsten preist nun Klopstock in unserer Ode; er tritt aber sehr leise auf, und rühmt nicht geradezu Friedrich, sondern stellt das Bild eines vollkommenen Regenten im allgemeinen auf und wendet dieses Bild dann auf Friedrich an. Augenscheinlich stellt er Friedrich den Fünften Friedrich dem Großen entgegen, den er nie leiden mochte. Dreierlei haßte er an diesem: seine Eroberungskriege, seine Spötterei gegen positives Christenthum und seine Gleichgültigkeit gegen deutsche Literatur. Daher hebt er in dem Bilde eines trefflichen Regenten dreierlei hervor: Liebe zum Frieden und zu den Segnungen desselben; das Streben, ein Christ zu sein, und Beförderung der Künste und Wissenschaften. Die Ode stand früher als Widmung an den König vor dem Messias, hat aber später manche Aenderungen erfahren.

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1. Welchen König der Gott über die Könige
Mit einweihendem Blick, als er geboren ward,
Sah vom hohen Olymp, dieser wird Menschenfreund
Sein, und Vater des Vaterlands! 1

2. Viel zu theuer durchs Blut blühender Jünglinge,
Und der Mutter und Braut nächtliche Thrän' erkauft,
Lockt mit Silbergetön ihn die Unsterblichkeit

In das eiserne Feld umsonst! 2

1 Sinn: Der König, welcher wirklich von Gott zum Könige bestimmt (geweiht) ist, der wird 2c. 2 Der Nachruhm lockt ihn vergebens in den Krieg; denn er wäre zu theuer erkauft durchs Blut blühender Jünglinge und die Thränen der Mütter und Bräute, die ihre Söhne und Geliebten verlieren. Offenbar gegen Friedrich 11. gerichtet, der bekanntlich sehr hart verfuhr in seinen Werbungen zum Kriegsdienste. Friedrich V. hatte aller

3. Niemals weint er am Bild' eines Eroberers,

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Seines gleichen zu sein! Schon da sein menschlich Herz
Kaum zu fühlen begann, war der Eroberer

Für den Edleren viel zu klein!

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4. Aber Thränen nach Ruhm, welcher erhabner ist,
Keines Höflings bedarf, Thränen, geliebt zu sein
Vom glückseligen Volk, weckten den Jüngling oft
In der Stunde der Mitternacht:

5. Wenn der Säugling im Arm hoffender Mütter schlief,
Einst ein glücklicher Mann! wenn sich des Greises Blick
Sanft in Schlummer verlor, jego verjünget ward,
Noch den Vater des Volks zu sehn.

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6. Lange sinnt er ihm nach, welch' ein Gedank' es ist:
Gott nachahmen, und selbst Schöpfer des Glückes sein
Bieler Tausend! Er hat eilend die Höh' erreicht,
Und entschließt sich, wie Gott zu sein.

7. Wie das ernste Gericht furchtbar die Wage nimmt
Und die Könige wägt, wenn sie gestorben sind:
Also wägt er sich selbst jede der Thaten vor,
Die sein Leben bezeichnen soll;

8. Ist ein Christ, und belohnt redliche Thaten erst;
Und dann schauet sein Blick lächelnd auf die herab,
Die der Muse sich weihn, welche, mit stiller Kraft
Handelnd, edler die Seele macht; 7

9. Winkt dem stummen Verdienst, das in der Ferne steht.
Durch sein Muster gereizt, lernt es Unsterblichkeit.
Denn er wandelt allein, ohne der Muse Lied,
Sichres Wegs zur Unsterblichkeit!"

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dings viele Verlockungen zn Bündnissen und zu Eroberungen, wich aber allen aus. Das eiserne Feld: das Feld voll Waffen. 3 Cajar meinte bei der Bildsäule Alexanders. Suetons Leben des Cäsar, Kap. 7. Der Mittelsat fehlt: indem er sich sehnt. 4 Thränen, die der Wunsch erpreßt, einst einen Ruhm zu erlangen, den kein Höfling erst verkündigen muß; die Sehnsucht, geliebt zu sein. 5 Eigentlich würde dies heißen: Thränen der Freude darüber, daß er geliebt ist. Dies will der Dichter aber nicht sagen; denn diese Thränen vergießt er ja als Jüngling, da er noch nicht König ist. Der junge Fürst wacht, und das Glück seines Volkes beschäftigt ihn, während in seinem Reiche der Säugling und der Greis ruhig schlafen, von jenem die Mütter hoffen, daß er einst unter einem solchen Könige ein glücklicher Mann sein werde, diesen beim Einschlummern die Hoffnung verjüngt, noch den einstigen Vater des Volks zu sehen. Alles dies im Gegensaß zu Str 2, wo Mütter und Bräute wachen und weinen.Die Fülle seiner Gnade wendet der König zuerst auf die, welche redliche Thaten ausübten, dann auf die, welche der Kunst sich weihten. Zuerst be lohnt er die Tugend, dann das Genie. 8 Eine feine Bemerkung. Der Dichter, den der wahrhaft große Fürst in seine Nähe zieht, wird dadurch

10. Die von Sion herab Gott den Messias singt,
Fromme Sängerin, eil' ist zu den Höhen hin,
Wo den Königen Lob, besseres Lob ertönt,
Die Nachahmer der Gottheit sind!

11. Fang den lyrischen Flug stolz mit dem Namen an,
Der oft, lauter getönt, dir um die Saite schwebt,
Singst du einst von dem Glück, welches die gute That
Auf dem freieren Throne lohnt!

12. Daniens Friederich ist's, welcher mit Blumen dir
Jene Höhen bestreut, die du noch steigen mußt!
Er, der König und Christ, wählt dich zur Führerin,
Bald auf Golgatha Gott zu sehn. 10

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muthiger und erringt die Unsterblichkeit; der Fürst selbst braucht den Dichter nicht, um seinen Namen unsterblich zu machen. Auf dem unbeschränkten Throne, wo mithin alles Edle, was der Fürst thut, sein freier Entschluß ist. 10 Damit du dein Gedicht vom Tode des Erlösers vollenden kannst.

9. Hermann und Thusuelda.

(1752.)

Aus dem Gedichte Heinrich der Vogler (5) hatten wir erkannt, daß Klopstock früher ein Lied zu Ehren Friedrichs gedichtet hatte. Im Jahr 1752 nahm er den vaterländischen Stoff von neuem auf, aber natürlich mit anderm Material Daß er überhaupt das Bedürfniß empfand, das Vaterland zu besingen, zu einer Zeit, wo man eine vaterländische Lyrik im engern Sinne kaum besaß, gereicht ihm zum Verdienste. Aber wohin sollte er sich wenden, wenn derjenige Mann, an den sich alle damals lebenden Patrioten in Deutschland anschlossen, nicht gefeiert werden durfte? Klopstock mußte nothgedrungen in vergangene Zeiten zurück und hielt sich nun an Heinrich den Vogler und an Arminius. Gewirkt haben diese Dichtungen immerhin. Uebrigens wurde diese vaterländische Richtung, welcher aus demselben Jahre noch die beiden folgenden Oden angehören, später von der christlichen verdrängt und kam erst mit dem Jahr 1764 wieder zum Vorschein. Ferner beginnen mit dieser Ode die Versuche, Strophen im Sinne der Alten zu erfinden. Der Bau ist hier folgender:

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Der Name Hermann anstatt Armin ist nicht erst durch Klopstock aufgekommen, sondern war schon vor ihm angenommen worden.

Er ist durchaus falsch. Der Name Hermann lautet im Altdeutschen Hariman; Armin ist von dunkler Herkunft.

Man denke sich die kleine dramatische Scene, die uns Klopstock hier vorführt (der erste Keim zu seiner Hermannschlacht), unmittelbar nach dem Siege Armins im Teutoburger Walde. Den Sitten der Deutschen nach befanden sich Weiber und Kinder wirklich während der Schlacht in der Nähe des Heeres.

1. Ha, dort kömmt er mit Schweiß, mit Römerblute,
Mit dem Staube der Schlacht bedeckt! so schön war
Hermann niemals! So hats ihm

Nie von dem Auge geflammt:

2. Komm! ich bebe vor Lust! reich mir den Adler1
Und das triefende Schwert! komm, athm', und ruh' hier
Aus in meiner Umarmung,

Von der zu schrecklichen Schlacht! 2

3. Ruh hier, daß ich den Schweiß der Stirn abtrockne,
Und der Wange das Blut! Wie glüht die Wange!
Hermann! Hermann! so hat dich
Niemals Thusnelda geliebt!

4. Selbst nicht, da du zuerst im Eichenschatten
Mit dem bräunlichen Arm mich wilder faßtest!
Fliehend blieb ich, und sah dir

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Schon die Unsterblichkeit an,

5. Die nun dein ist! Erzählt's in allen Hainen, Daß Augustus nun bang mit seinen Göttern Nektar trinket! daß Hermann,

Hermann unsterblicher ist!

6. Warum lockst du mein Haar? Liegt nicht der stumme

Todte Vater vor uns ?

Seine Heere geführt: er

hätt' Augustus

Läge noch blutiger da!" - 5

1 Den eroberten. Zwei Legionenadler waren in die Hände der Deut schen gefallen. 2 Diese Stelle hieß zuerst:

Komm', athm' und ruhe

Von der donnernden Schlacht in

Meinen Umarmungen aus.

In der Hamburger Ausgabe war dies verändert in:

Komm' athm' und ruhe

Hier in meiner Umarmung

Aus von der donnernden Schlacht.

Die jeßige Lesart erscheint erst in der Leipziger Ausgabe. Wahrscheinlich hatte man dem Dichter gesagt, das Donnern erinnere zu sehr an Kanonen. Offenbar ist die Aenderung zu tadeln. 3 d. b. ich wollte fliehen und blieb doch. 4 Die römischen Imperatoren wurden bekanntlich schon bei ihren Lebzeiten unter die Götter verseßt und für Unsterbliche erklärt. 5 Die

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