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weil unser Stand sehr verschieden ist. Aber ohne sie kann ich durchaus nicht glücklich sein. Ich beschwöre Sie demnach bei dem Schatten Miltons und Ihres seligen Knaben, bei Ihrem großen Geiste beschwör' ich Sie, machen Sie mich glücklich, wenn's Ihnen möglich ist. Was nun immer Ihrer Vermuthung nach geschehen kann, seien es Hoffnungen oder keine, das schreiben Sie mir doch, ich bitte Sie, sobald als möglich; befreien Sie mein von mächtiger Liebe ergriffenes Herz von seinem Kummer oder drücken Sie es ganz nieder. Dies Aeußerste wird mir noch erträglicher sein, als das stürmisch wogende Meer unsteter Gedanken; denn Sie müssen wissen, daß die Liebe mich, der ich sonst gleichmüthig und von festem Charakter war, bei ihrem plöglichen Anfalle so erschüttert, daß ich kaum zu athmen vermag. Wahrlich noch niemand hat so geliebt wie ich, oder seiner ist noch nirgends Meldung geschehen." Bodmer schrieb zwar daraufhin eigenhändig an Fanny, doch hatte Klopstock den Muth nicht einmal, den Brief abzugeben. Unsere Ode An Fanny" enthält nun des liebenden Dichters Resignation; was ihm jest versagt ist, wird ihm bei der Auferstehung gegönnt sein.

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Die Ode ist überaus eindrucksvoll und hat zu ihrer Zeit die Gemüther gewaltig gepackt. Der Rhythmus und der innere Wohllaut ist unübertrefflich schön und einem guten Vorleser kann auch heute noch eine Wirkung von diesem Gedichte nicht entgehen, so sehr die Ueberschwänglichkeit dieses Liebesausdruckes unserer Zeit fremd geworden ist. Durch seine Fannyoden ist Klopstock zum Neubegründer der erotischen Dichtkunst geworden. An Liebesliedern zwar hatte die Lyrik seit Opit keinen Mangel; aber die Liebe war mehr ein bei Alten und Neuen beliebtes lyrisches Thema, als eine wahre persön liche Leidenschaft. Erst Klopstock hat mit der ganzen Kraft seiner Innerlichkeit auch der Liebe Raum in seiner Seele und in seiner Dichtung gegönnt.

5. Heinrich der Vogler.
(Langensalza 1749.)

1. Der Feind ist da! die Schlacht beginnt!
Wohlauf zum Sieg herbei!

Es führet uns der beste Mann
Im ganzen Vaterland.

2. Heut fühlet er die Krankheit nicht,

Dort tragen sie ihn her!

Heil, Heinrich! Heil dir Held und Mann
Im eisernen Gefild!

3. Sein Antlig glüht vor Ehrbegier,
Und herrscht den Sieg herbei;
Schon ist um ihn der Edlen Helm
Mit Feindesblut besprigt.

4. Streu furchtbar Strahlen um dich her,
Schwert in des Kaisers Hand,
Daß alles tödtliche Geschoß

Den Weg vorübergeh.

5. Willkommen Tod für's Vaterland!
Wenn unser sinkend Haupt

Schön Blut bedeckt, dann sterben wir
Mit Ruhm für's Vaterland.

6. Wenn vor uns wird ein offnes Feld
Und wir nur Todte sehn

Weit um uns her, dann siegen wir
Mit Ruhm für's Vaterland.

7. Dann treten wir mit hohem Schritt
Auf Leichnamen daher;

Dann jauchzen wir im Siegsgeschrei;
Das geht durch Mark und Bein.

8. Uns preist mit frohem Ungestüm
Der Bräut'gam und die Braut;
Er sieht die hohen Fahnen wehn,
Und drückt ihr sanft die Hand,

9. Und spricht zu ihr: Da kommen sie,
Die Kriegesgötter, her!

Sie stritten in der heißen Schlacht
Auch für uns beide mit.

10. Uns preist der Freudenthränen voll
Die Mutter und ihr Kind:
Sie drückt den Knaben an ihr Herz,
Und sieht dem Kaiser nach.

11. Uns folgt ein Ruhm, der ewig bleibt,
Wenn wir gestorben sind,

Gestorben für das Vaterland

Den ehrenvollen Tod.

Klopstock hat an seinem Heimatort Quedlinburg von Jugend auf Erinnerungen an König Heinrich den Vogler vor sich gehabt;

des Königs Grabstätte und die Stelle, wo dessen berühmter Vogelherd gestanden haben soll, wurde dort gezeigt. Als der Jüngling den Gedanken faßte, seiner Nation durch ein Epos eine Stelle unter den gebildeten Nationen zu erobern, dachte er zuerst an Heinrich. Als er später den Helden seines Stammes mit dem Helden des Christenthums vertauschte, blieb ihm doch die Verehrung für Heinrich. Ursprünglich war das Lied überschrieben: Kriegslied zur Nachahmung des alten Liedes von der Chery-chase-Jagd, von dem Addison im Spectator einige Strophen angeführt hatte. Herder hat es später aus Perch seinem ganzen Umfang nach in die Volkslieder aufgenommen. Die Nachahmung dieses englischen Liedes besteht aus nichts anderm, als aus dem Versmaß, die Strophe aus 4 ungereimten jambischen Zeilen, abwechselnd von 4 und 3 Füßen, alle mit männlichem Ausgange und aus dem alterthümlichen, einfach epischen Styl, der doch in dem Klopstock'schen Liede ziemlich steif aussieht.

Nun hat aber Cramer in seinem sonderbaren Buche: „Klopstod.
Er und über ihn" einige ältere Lesarten mitgetheilt, nämlich:
Str. 1: Die Schlacht geht an! der Feind ist da!
Wohlauf zum Sieg ins Feld!

Str. 2: Es braust das königliche Roß
Und trägt ihn hoch daher.
Heil, Friedrich, Heil us. w.

Str. 3: Schon ist an seiner Königsbrust
Der Stern mit Blut besprit.

Str. 4: Stern an des Königs Brust!

Cramer fügt bei: Als ich diese ältern Lesearten mit der jeßigen Ode verglich, schien es mir fast bis zur Gewißheit wahrscheinlich, daß Klopstock Gleimen ins Amt gefallen und auch einmal den König von Preußen geehrt, hernach aber aus guten Ursachen sie auf Heinrich den Vogler umgestellt habe. Mußte nicht Alles: „König Friedrich", von dessen frischen Heldenthaten damals ganz Europa voll war, Stern an des Königs Brust" mich darauf leiten. Da ich ihn aber selbst darum befragte, leugnete er schlechterdings. "Ich habe," sagte er, an den König von Preußen dabei nicht gedacht, Friedrich war bloß hier ein willkürlich gewählter Name 2c."

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Es kann mit dem alten Glein und David Strauß keinem Zweifel unterliegen, daß Klopstock sich Cramern gegenüber eine Unwahrheit zu Schulden kommen ließ; wie hätte auch er, den ganz Deutschland als erbitterten Feind Friedrichs kannte, jezt zu der Schwäche sich bekennen sollen, daß er einmal auch mit den Besten der Nation, auch mit seinem Vater, für Friedrich geschwärmt habe? Doch, gereicht ihm diese Ableugnung nicht zur Ehre, so mag ihm die Thatsache selbst desto mehr Ehre bringen. Sie deutet zugleich darauf hin, daß das Lied nicht erst, wie er später angab, 1749 gedichtet wurde, sondern angeregt durch die Erzählung einer von

Friedrich gewonnenen Schlacht, entweder aus dem ersten oder aus dem zweiten schlesischen Kriege. Möglich, daß wir hier das älteste erhaltene Gedicht Klopstocks vor uns haben; die Form spräche dafür. Gleim hat in demselben Versmaß, doch gereimt, bald darauf seine Lieder des preußischen Grenadiers gesungen.

6. An Bodmer.
(Winterthur 1750).

Schon seit 1748 unterhielt Klopstock mit Bodmern in Zürich einen lebhaften Briefwechsel. Bodmer, schon früher mit Gärtnern bekannt, hatte die ersten Gesänge des Messias in den Bremischen Beiträgen gelesen und eine außerordentliche Liebe und Achtung gegen den jungen Dichter gefaßt, und Klopstock achtete in Bodmern schon längst den Kritiker und Dichter. Bodmer lud ihn endlich ein, zu ihm nach Zürich zu kommen, um dort die Muße zur Vollendung des Messias zu finden. Da sich Klopstock in seinen Verhältnissen zu Langensalza nicht wohl fühlte und eine erwünschte Anstellung in Braunschweig oder Göttingen nicht erfolgen wollte, so nahm er endlich Bodmers Einladung an. Im Frühlinge 1750 verließ er Langensalza und begab sich zu seinen Eltern nach Quedlinburg, und den 12. Juli reiste er mit den beiden Schweizern Schultheß und Sulzer ab nach Zürich, wo er den 22. Juli eintraf.

Die Freude, zu Bodmern gekommen zu sein, drückte er nun in unserer Ode, oder vielmehr Elegie, aus. Das Ganze enthält eine Betrachtung, wie oft die sehnlichsten Wünsche der Sterblichen von Gott nicht erhört werden; wie hingegen Wünsche, deren Erfüllung man. nie zu hoffen gewagt habe, zur schönen Wirklichkeit würden. Letzteres wendet er nun auf sein Zusammentreffen mit Bodmern an. Beide Männer fanden übrigens bald, daß sie sich in einander geirrt hatten. Bodmer hatte einen ernsten, schwärmerischen Dichter erwartet, der immer mit heiligen Gedanken beschäftigt sei, und fand einen heitern lebenslustigen Jüngling; er hatte einen Liebenden erwartet, den die Erinnerung an seine zurückgelassene Geliebte ganz beherrschte, und mußte sehen, daß dieser schwärmerische Liebhaber die Gesellschaft der jungen weiblichen Welt in Zürich sehr gern suchte und sehr gern mit ihr scherzte; er hatte dem jungen Manne ein Asyl angeboten, um Muße zur Vollendung des Messias zu finden, und mußte nun sehen, daß der Dichter in lustigen Gesellschaften sich herumtrieb und in Verbindungen eintrat, welche kaufmännische Spekulationen zum Zweck hatten. Klopstock hingegen hatte einen natürlichen, liebreichen Freund erwartet und fand einen etwas steifen und einseitigen Gelehrten, der von ihm verlangte, daß er ihm seine ganze Freiheit aufopfere und ganz nach seinem Willen leben sollte. Kurz es traten bald sehr ärgerGößinger, Deutsche Dichter, 5. Aufl. I.

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liche Misverständnisse ein; beide Männer wurden gegen einander verstimmt, und nach einiger Zeit verließ Klopstock Bodmers Haus und zog zu seinem neuen Freunde Rahn.

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Der die Schickungen lenkt, heißet den frömmsten Wunsch, 1
Mancher Seligkeit goldnes Bild,

Oft verwehen, und ruft da Labyrinth 2 hervor,
Wo ein Sterblicher gehen will.

3

In die Fernen hinaus sieht, der Unendlichkeit
Uns unsichtbaren Schauplay, Gott!

4

Ach, sie finden sich nicht, die für einander doch,
Und zur Liebe geschaffen sind.

Jego trennet die Nacht fernerer Himmel sie,

Jeho lange Jahrhunderte.

Niemals sah dich mein Blick, Sokrates Addison, "
Niemals lehrte dein Mund mich selbst.

6

Niemals lächelte mir Singer, der Lebenden

Und der Todten Vereinerin.

Auch dich werd' ich nicht sehn, der du in jener Zeit,
Wenn ich lange gestorben bin,

Für das Herz mir gemacht, und mir der ähnlichste,
Nach mir einmal verlangen wirst; 7

པ་

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1 Hier den reinsten und innigsten Wunsch. 2 Einzahl im Sinne von irrer Wildnis. 3 Anspielung auf seine Liebe zu Fanny. 4 Ap= position ven Fernen: „in die Ferne hinaus, in den uns unsichtbaren Schauplay unendlicher Möglichkeiten sieht Gott." Der Wegfall der Präposition macht die schnelle Auffassung etwas schwierig. In dieser Beziehung war der frühere Ausdruck vorzuziehen:

In die Ferne sieht Gott, auf der Unendlichkeit

Uns unsichtbaren Schauplaß hin.

Weil Gott weiter sieht, als wir Menschen, läßt er unsere innersten Wünsche zunichte werden. Joseph Addison (geb. 1672, gest. 1709), ein eng lischer Dichter. Er arbeitete mit Steele an drei Wochenschriften: dem Schwäger (the Tatler), dem Zuschauer (Spectator) und dem Aufseher (Guardian), und seine Beiträge zu diesen trefflichen Wochenschriften, die damals im ganzen gebildeten Europa bekannt waren und in die meisten andern Sprachen übersetzt wurden, sind das beste, was von ihm vorhanden ist. Auch Klopstock meint hier den lehrenden Prosaiker, darum nennt er ihn Sokrates Addison. Diese undeutsche Wortverbindung ward Klopstocken später sehr geläufig (Sminthens Anakreon, Arria Corday u. a.). Die Stelle hieß anfangs:

Niemals sah dich mein Blick, göttlicher Addison. Das Beiwort göttlich, von Menschen gebraucht, hat aber Klopstock später überall getilgt. 6 Elisabeth Rowe, geb. Singer, eine englische Dichterin (geb. 1674, gest. 1737); sie schrieb Briefe Verstorbener an Lebende; darum nennt sie Klopstock: „der Lebenden und der Todten Vereinerin“. Klopstock selbst liebte die Engländer sehr, und eben so Bodmer. 7 Bon Addison und der Singer trennen ihn die Nacht fernerer Himmel; von dem, der einst ihm gleich sein wird, trennen ihn Jahrhunderte.

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