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So schrieb unser aller Verhängnis auf eherne Tafeln
Der im Himmel, und schwieg."

8

Was der Hocherhabene schrieb, verehr' ich im Staube,
Weine gen Himmel nicht auf.

9

Geh, mein Theurer! Es lezen vielleicht sich unsere Freunde
Auch ohne Thränen mit dir;

15

20

Wenn nicht Thränen die Seele vergießt, unweinbar dem Fremdling Sanftes edles Gefühls. 10

Eile zu Hagedorn hin, und hast du genug ihn umarmet,

Ist die erste Begier,

Euch zu sehen, gestillt, sind alle Thränen der Freude

Weggelächelt entflohn,

Gisete, sag' ihm alsdann, nach drei genossenen Tagen,
Daß ich ihn liebe, wie du!

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Er schrieb sie auf eherne Tafeln, d. h. unveränderlich fest; "er schwieg", er offenbarte uns seinen Rathschluß nicht. 9 Erfreuen sich deiner beim Abschiede. 10 Sonderbarer Ausdruck: „Thränen, die der nicht weinen kann, dem sanftes, edles Gefühl fremd ist." In den Bremischen Beiträgen heißt die Stelle deutlicher:

Wenn die Seele nicht Zähren, den Freundschaftlosen unweinbar,
Bang und bebend ergießt.

3. An Ebert.

(Leipzig 1748.)

Versmaß der vorigen Elegie.

Ebert, mich scheucht ein trüber Gedanke vom blinkenden Weine

Tief in die Melancholei!

Ach, du redest umsonst, vordem gewaltiges Kelchglas,

Heitre Gedanken mir zu!

Weggehn muß ich und weinen! vielleicht daß die lindernde Thräne 5
Meinen Gram mir verweint.

Lindernde Thränen, euch gab die Natur dem menschlichen Elend
Weis' als Gesellinnen zu.

Wäret ihr nicht, und könnte der Mensch sein Leiden nicht weinen;

Ach! wie ertrüg' er es da!

10

Weggehn muß ich und weinen! Mein schwermuthsvoller Gedanke

Bebt noch gewaltig in mir.

Ebert! sind sie nun alle dahin; deckt unsere Freunde

Alle die heilige Gruft;

Und find wir, zween Einsame, dann von allen noch übrig! -
Ebert! verstummst du nicht hier?

15

Sieht dein Auge nicht trüb' um sich her, nicht starr ohne Seele?

So erstarb auch mein Blick!

So erbebt' ich, als mich von allen Gedanken der bängste

Donnernd das erstemal traf!

Wie du einen Wanderer, der, zueilend der Gattin

Und dem gebildeten Sohn

20

Und der blühenden Tochter, nach ihrer Umarmung schon hinweint, ' Du den, Donner, ereilst,

Tödtend ihn fassest, und ihm das Gebein zu fallendem Staube 25

Machst, triumphierend alsdann

Wieder die hohe Wolke durchwandelst: so traf der Gedanke

Meinen erschütterten Geist,

Daß mein Auge sich dunkel verlor, und das bebende Knie mir

Kraftlos zittert' und sank.

Ach, in schweigender Nacht gieng mir die Todtenerscheinung,
Unfre Freunde, vorbei!

30

Ach, in schweigender Nacht erblickt' ich die offenen Gräber,

Und der Unsterblichen Schaar!

Wenn mir nicht mehr das Auge des zärtlichen Gisele lächelt;

35

Wenn von der Radikin3 fern,

Unser redlicher Cramer verwest; wenn Gärtner, wenn Rabner

Nicht sokratisch mehr spricht;

Wenn in des edelmüthigen Gellert harmonischem Leben

Jede Saite verstummt;

40

Wenn, nun über der Gruft, der freie gesellige Rothe

Freudegenossen sich wählt;

Wenn der erfindende Schlegel aus einer längern Verbannung

Keinem Freunde mehr schreibt;

4

Wenn in meines geliebtesten Schmidts Umarmung mein Auge 45

Nicht mehr Zärtlichkeit weint;

Wenn sich unser Vater zur Ruh, sich Hagedorn hinlegt; 5

Ebert, was sind wir alsdann,

2

1 Schöner Ausdruck, der das freudige Sehnen herrlich bezeichnet. Gebildet ist ächtes Particip: herangebildet, und blühend so viel als aufgeblüht. Hier wird der Zusammenhang uns deshalb undeutlich, weil das Fügewort wie nicht wiederholt: „wie du den, Donner, ereilst." Uebri gens scheint mir das Du, an den Donner gerichtet, hier nicht schicklich, da der Dichter ein wirkliches Du vor sich hat und an dieses, an Ebert, seine Rede richtet. Statt des Donners würde man eher den Bliz erwarten. 3 f. die Anmerkung 27 zu der ersten Ode. Es ist hier die zweite Schwester gemeint, die wirklich Cramers Gattin ward. 41 Schlegel war damals Hauslehrer in Strehla, dies nennt Klopstock dessen Verbannung. Er stand mit seinen Leipziger Freunden in fleißigem Briefwechsel. Später dichtete Klopstock für Bodmer noch folgende Verse hinzu, die er später wieder strich:

5

Wir Geweihten des Schmerzes, die hier ein trüberes Schicksal

Länger, als alle sie ließ?

Stirbt dann auch einer von uns, (mich reißt mein banger Gedanke Immer nächtlicher fort!)

50

Stirbt dann auch einer von uns, und bleibt nur Einer noch übrig; Bin der Eine dann ich;

hat mich dann auch die schon geliebt, die künftig mich liebet, Ruht auch sie in der Gruft;

Bin dann ich der Einsame, bin allein auf der Erde:

Wirst du, ewiger Geist,

Seele zur Freundschaft erschaffen, du dann die leeren Tage

Sehn, und fühlend noch sein?

6

Oder wirst du betäubt zu Nächten sie wähnen und schlummern,

Und gedankenlos ruhn?

Aber du könntest ja auch erwachen, dein Elend zu fühlen,

Leidender, ewiger Geist!

55

60

Rufe, wenn du erwachst, das Bild von dem Grabe der Freunde, 65

Das nur rufe zurück!

O, ihr Gräber der Todten! ihr Gräber meiner Entschlafnen!

Warum liegt ihr zerstreut?

Warum liegt ihr nicht in blühenden Thalen beisammen?

Oder in Hainen vereint?

8

Leitet den sterbenden Greis! Ich will mit wankendem Fuße
Gehn, auf jegliches Grab

Eine Zypresse pflanzen, die noch nicht schattenden Bäume

Für die Enkel erziehn,9

70

Oft in der Nacht auf biegsamem Wipfel 10 die himmlische Bildung 75 Meiner Unsterblichen sehn,

Zitternd gen Himmel erheben mein Haupt, und weinen, und sterben!
Senket den Todten dann ein

Bei dem Grabe, bei dem er starb! nimm dann, o Verwesung!
Meine Thränen, und mich!

80

Wenn der, den ich nie sah, der dennoch ein redlicher Freund war,
Und von der Vorsicht geführt,

Mit großmüthigem Herzen mein Schicksal ändert und umschuf,
Wenn mein Bodmer auch stirbt,

6

Und noch weinend zum Haupte des Sohns sein senkendes Haupt legt. Bodmer meldet darüber an Zellweger in Trogen: In dieser Ode sind etliche Zeiten an mich, die ich nicht für die Souveränität im Lande Appenzell geben wollte." Empfindung und Bewußtsein beibehalten. 7 Sie für einen bösen nächtlichen Traum halten. 8 Von hier bis zur 3. 79 spricht der Dichter aus, was er in den lichten Unterbrechungen seines Seelenschlafes sprechen würde. 9 Nämlich zu schattenden Bäumen erziehn. io Nicht er will auf biegsamem Wipfel lauschen, sondern die Geister der Verstorbenen sollen um die biegsamen Wipfel der Zypressen schweben, die er ihnen gepflanzt hat.

"

Finstrer Gedanke! laß ab! laß ab in die Seele zu donnern!
Wie die Ewigkeit ernst,

Furchtbar, wie das Gericht, laß ab! die verstummende Seele
Faßt dich, Gedanke, nicht mehr!

Diese Elegie ist in jeder Hinsicht eine der trefflichsten Dichtungen, die wir besigen, mögen wir nun das tiefe innige Gefühl bewundern, das sich darin ausspricht, oder die große Kunst, mit welcher der Dichter alles durchgeführt hat. Besonders zeigt sich diese Kunst in den immer neuen Bezeichnungen für den wiederkehrenden Gedanken: „Wenn auch der todt ist."

Klopstocks Ahnungen giengen in sofern in Erfüllung, als er fast alle die genannten Freunde überlebte, zwei ausgenommen, Schmidt und Rothe, mit denen er aber später in gar keinem Verkehr gelebt zu haben scheint. Doch machte ihm das Schicksal jene Tage, wo er seine Freunde verloren, nicht so gar schwer; denn er fand in der Folge noch andre Freunde. Das Andenken an jene Jugendfreunde blieb ihm aber stets heilig, und er spricht es in mehrern spätern Elegieen aus. Ebert starb 1795 und war wirklich derjenige, der vor Klopstock, aber später als die übrigen Freunde starb.

4. An Fanny.
(Langensalza 1748.)

Alfäische Strophe.

1. Wenn einst ich todt bin, wenn mein Gebein zu Staub
Ist eingesunken, wenn du, mein Auge, nun
Lang' über meines Lebens Schicksal,

Brechend im Tode, nun ausgeweint hast,

2. Und stillanbetend da, wo die Zukunft ist,
Nicht mehr hinaufblickst, wenn mein ersungner Ruhm,
Die Frucht von meiner Jünglingsthräne
Und von der Liebe zu dir, Messias!

3. Nun auch verweht ist, oder von wenigen
In jene Welt hinüber gerettet ward:
Wenn du alsdann auch, meine Fanny,
Lange schon todt bist, und deines Auges

4. Stillheitres Lächeln, und sein beseelter Blick
Auch ist verloschen; wenn du, vom Volke nicht
Bemerket, deines ganzen Lebens

Edlere Thaten nunmehr gethan hast,

5. Der Nachruhms werther, als ein unsterblich Lied,
Ach! wenn du dann auch einen beglückteren'
Als mich geliebt hast, laß den Stolz mir,
Einen Beglückteren, doch nicht edlern!

6. Dann wird ein Tag sein, den werd' ich auferstehn!
Dann wird ein Tag sein, den wirst du auferstehn!
Dann trennt kein Schicksal mehr die Seelen,
Die du einander, Natur, bestimmtest.

7. Dann wägt, die Wagschal' in der gehobnen Hand,
Gott Glück und Tugend gegen einander gleich;
Was in der Dinge Lauf jezt mißklingt,
Tönet in ewigen Harmonien!

8. Wenn dann du dastehst jugendlich auferweckt,
Dann eil' ich zu dir! säume nicht, bis mich erst
Ein Seraph bei der Rechten faffe,

Und mich, Unsterbliche, zu dir führe.

9. Dann soll dein Bruder, zärtlich von mir umarmt,
zu dir auch eilen! dann will ich thränenvoll,
Boll froher Thränen jenes Lebens

Neben dir stehn, dich mit Namen nennen,

10. Und dich umarmen! Dann, o Unsterblichkeit, Gehörst du ganz uns! Kommt, die das Lied nicht singt, Kommt, unaussprechlich süße Freuden!

So unaussprechlich, als jest mein Schmerz ist.

11. Rinn' unterdeß, o Leben! Sie kommt gewiß, Die Stunde, die uns nach der Cypresse ruft! Ihr andern, seid der schwermuthsvollen

Liebe geweiht! und umwölkt uns dunkel!

Es ist bekannt, wie Klopstock in leidenschaftlicher Liebe glühte zu Sophie Schmidt in Langensalza, der Schwester seines Freundes und Vetters Schmidt. Jhretwegen hatte er ohne Zweifel die Hauslehrerstelle in Langensalza angenommen. Doch blieb die Neigung unerwiedert, und der Dichter litt unaussprechlich unter diesem Leide. "Ich liebe," schrieb er an Bodmer, „das zärtlichste und heiligste Mädchen aufs zärtlichste und heiligste. Sie hat sich noch nie gegen mich erklärt und wird sich auch schwerlich gegen mich erklären können,

1 Durch äußern Wohlstand.

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