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einem Menschen in den Sinn kommen kann; was auch der Grund ist, wesshalb ich lebhaft wünsche, weiter über die Sache aufgeklärt zu werden, und ich schicke Ihnen diese Depesche, um Sie zu bitten, mir umgehend Genaueres darüber zu melden." Katharina fügt hinzu: „Ich kann Ihnen in Bezug auf das Factum der Eins perrung des Prinzen von Spanien nichts anderes schreiben, als was der König, mein Sohn, Ihnen davon jetzt schreibt, indem ich Sie versichere, dass mir die Sache um so mehr nahe geht, als ich weiss, dass der König, mein Schwiegersohn, davon sehr angegriffen sein wird und dass die Sache an und für sich sehr befremdlich ist."

Karl IX. wandte sich auch an den spanischen Gesandten an seinem Hofe, Don Frances, erhielt aber von demselben die in dem Munde eines Gesandten einem Souverain gegenüber eigenthümlich klingende Antwort, „das sei eine Angelegenheit zwischen Vater und Sohn, über die nach aussen Nichts ruchbar werden dürfe, übrigens seien die obwaltenden Differenzen leicht zu beseitigen." Karl IX. beschwerte sich bei seiner Schwester der Königin und Philipp versprach, er wolle dem Gesandten zu wissen thun, dass er diese Aeusserungen höchlichst missbillige und über seine Arroganz sehr erzürnt sei." Damit geschah aber des Königs Neugier kein Genüge, und am 23. und 27. Februar sandten sie, der König und seine Mutter, neuerdings Depeschen an Forquevaulx, um ihn um weitere Aufschlüsse zu bitten.

Der Gesandte gerieth dadurch in grosse Verlegenheit. Er konnte nehmlich nicht viel in Erfahrung bringen, da Niemand zum Prinzen gelassen wurde. Jedoch erfuhr er nach und nach, dass der Hofstaat des Prinzen am 26. Januar aufgelöst worden sei, dass diejenigen, die ihn bedienten, weder Degen noch Dolch trügen, dass man die Personen oft wechsele, dass man dem Prinzen das Fleisch nur geschnitten servire, dass er nicht einmal ein Messer hätte, dass die Küchenjungen die Speisen nur bis an die Thüre brächten, wo sie von denen in Empfang genommen würden, die ihn bedienten, dass seine ganze Wohnung in dem genannten Zimmer bestände und das Fenster wohl vergittert sei.

Am 8. Februar meldet er: „Es wird gegen den Prinzen von Spanien vorgegangen werden, um ihn der Nachfolge für

unfähig zu erklären," und weiter der König schickt Luis Vaneques zum Kaiser, um ihm auseinandersetzen zu lassen, dass der Entschluss, den er gefasst, seinen Sohn in einen Thurm einzuschliessen, durchaus nothwendig nothwendig war." Am 18. Februar hat er neue Details zu melden: „Der Prinz von Spanien ist immer noch eingeschlossen und wird in seinem Zimmer streng bewacht; er isst wenig und mit Widerstreben und schläft weniger als gar nicht, was natürlich nicht dazu beitragen wird, seinen Gemüthszustand zu verbessern. Er wird augenscheinlich mager und seine Augen sind ganz eingefallen. Man gibt ihm bisweilen starke Fleischbrühe, Kapaun mit Ambra und andern stärkenden Pulvern zu essen, damit er nur nicht ganz schwach wird, aber er darf nicht ausgehen, ja nicht einmal den Kopf zum Fenster hinausstrecken." Philipp mochte wohl nicht bedacht haben, dass solche Strenge Don Carlos zum Aeussersten bringen müsse. Und in der That, der Infant fing an keine Nahrung mehr zu sich zu nehmen. Am 7. März meldet Forquevaulx, „der König habe sich zwei Stunden vor Tagesanbruch in das Zimmer des Infanten begeben und ihn auf das Dringendste ermahnt, Nahrung zu sich zu nehmen." Aber am 26. nimmt er den Bericht über diesen Besuch als irrthümlich wieder zurück. „Ich habe seitdem erfahren, dass er nicht über das Zimmer der Prinzessin von Eboli hinausgekommen ist.“ Wie dem nun auch gewesen sein mochte, man erlaubte jetzt dem Prinzen das Fenster zu öffnen und auf das Feld und die Vorübergehenden hinabzublicken. Die Aerzte und sein Beichtvater besuchten ihn oft. ,Er ist," sagt der doch mehr als vorsichtige Berichterstatter, „viel zugänglicher und ruhiger geworden, als er anfänglich war." Einige Zeit nachher lauten die Nachrichten wieder weniger beruhigend. „Er ist im Gesicht ganz gelb geworden, auch kann er sich nicht enthalten, beständig die grössten Thorheiten zu begehen und zu sagen und auf den König, seinen Vater, zu schimpfen." Sonst bezeichnet er ihn noch in dieser Depesche als très - malade de contentement et desconfié de liberté. Diese Worte sind aber nicht recht zu verstehen, der Sinn kann jedoch kaum ein anderer sein, als dass sein Gemüthszustand sich wieder verschlimmert habe.

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Philipp lag sehr viel daran, die Gerüchte über diese

unglückliche Geschichte zum Schweigen zu bringen, er liess daher den Predigern verbieten, den Prinzen in ihren Kanzelreden zu nennen oder seines Schicksals irgendwie zu erwähnen, damit er vergessen werde und Niemand mehr von ihm rede, als sei er nie am Leben gewesen.

Am 6. April eine neue Depesche: „Der Zustand des Prinzen verschlimmert sich immer mehr, der arme junge Mann wird von Tag zu Tag unsinniger." Am 8. Mai ging es scheinbar wieder besser: „Man erzählt mir, dass er sich die ganze Woche hindurch geheiligt habe, so dass seine Freunde sagen, Gott müsse seine Hand auf ihn gelegt haben, denn nachdem er die Fasten über bis zum Ostertage gebeichtet hatte und den Leib Unseres Herrn zu empfangen gedachte, hat er die Pflicht eines guten Christen durch Enthaltsamkeit beobachtet, indem er sich viermal mit grosser Zerknirschung und Reue aussöhnte." Man hatte nehmlich Anstand genommen, ihm trotz seiner dringenden Bitten das heilige Abendmahl zu reichen, sein Gemüthszustand liess daran zweifeln, ob er es empfangen könne. Man hatte sich desshalb an die theologischen Facultäten um ein Gutachten gewendet, und da die Raserei nur sporadisch bei ihm auftrat,

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nur

waren sie der Ansicht gewesen, dass er in einem lichten Momente unbedenklich communiciren könnte, was er denn auch einige Zeit nach Ostern that. Aber diese Besserung war von kurzer Dauer, schon am 21. Juli sieht Forquevaulx das Schlimmste voraus. ,,Sire, der Prinz von Spanien hat sich seine Geduld bewahrt, so lange er konnte, aber einsehend, dass seine Gefangenschaft kein Ende nehmen wollte, beharrt er jetzt hartnäckig darauf, Nichts essen zu wollen, und seit acht Tagen hat er Nichts weiter gegessen als ein Paar Pflaumen und man trägt das Fleisch gerade so wieder ab, wie es auf den Tisch kommt." Endlich am 26. meldet er den Tod des Infanten. Er starb gestern Nacht um ein Uhr als guter katholischer Christ. Ich habe sein Gesicht gesehen, als man seine Leiche bei den Nonnen von San Domingo al Real beisetzte; war durch die Krankheit durchaus nicht verändert, nur ein wenig gelb, aber ich höre, er soll nur noch Haut und Knochen gewesen sein."

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Philipp zog sich vom Tage des Begräbnisses bis zum

13. August in das Kloster San Geromo zurück. Am 13. hatte Forquevaulx eine Audienz und bezeugte ihm sein Beileid; der Vater antwortete: ,, er könne es nicht leugnen, dass es für ihn als Vater sehr schmerzlich gewesen sei, seinen Sohn zu verlieren; jedoch habe er sich seit Langem daran gewöhnt, Alles, Gutes und Böses, gefasst hinzunehmen, was Gott gefallen möge, über ihn kommen zu lassen." Natürlich sind dies blosse Redensarten und weit entfernt davon, seine wirklichen Gedanken zu verrathen.

Wir können von Don Carlos nicht scheiden, ohne ein Wort über das weitere Geschick der Königin Elisabeth zu sagen, und dies um so weniger, als das traurige Ereigniss, das Spanien so früh seiner Königin beraubte, auch noch während Forquevaulx's Gesandtschaft, nur wenige Monate nach des Infanten Tode, eintraf. Nachdem er früher schon gemeldet, dass die Königin in andern Umständen sei, schreibt er Mitte September: „Sie hat sich die letzten Tage sehr unwohl gefühlt, in Folge von Kolik und Schmerzen im linken Arm, die sich auch in das Bein hinuntergezogen haben, Alles in Folge einer Erkältung, weil sie sich einige Tage zu leicht gekleidet hatte, auch hat sie unaufhörliches Brechen mit solchem Leibschneiden gehabt, dass man in grosser Besorgniss war, Sie möchte zu früh niederkommen." Anfangs October traten immer schlimmere Symptome ein, und am dritten vernahm man, dass die Königin im Sterben liege, nachdem sie zu früh geboren. „Der König, ihr Gemahl, ist noch diesen Morgen vor Tagesanbruch bei ihr gewesen. Die genannte Dame, indem sie als sehr weise und sehr christliche Fürstin sprach und von ihm auf ewig in diesem Leben in einer Sprache Abschied nahm, wie sie eine Königin nie verständiger redete, legte ihm noch einmal ihre zwei Töchter, die Freundschaft Ihrer Majestäten, den Frieden der beiden Königreiche und die Damen ihres Hofstaates mit Worten an's Herz, werth der Bewunderung, so dass einem so guten Gatten, wie der genannte Herr und König einer ist, das Herz hätte brechen mögen, aber er erwiederte ihr mit Standhaftigkeit, er könne nicht glauben, dass ihr Ende nahe sei, und versprach ihr, allen ihren Wünschen nachzukommen. Dann zog er sich traurig und in grosser Angst in seine Gemächer zurück."

Forquevaulx, der sofort herbeigeeilt war, wurde von ihr mit sanften Worten voll Schwermuth empfangen. „Die Königin erkannte mich und sagte zu mir: Herr von Forquevaulx, Sie sehen mich auf dem Wege diese elende Welt in Bälde zu verlassen, um in ein schöneres Königreich einzugehen, wo ich hoffe bei meinem Gotte in einem Ruhm zu sein, der kein Ende haben wird. Ich bitte Sie, der Königin, meiner Mutter, und dem Könige, meinem Bruder, zu sagen, dass ich sie bitte, meinen Tod im Geduld zu tragen. Ich werde für sie und die andern Geschwister zu Gott beten, dass er sie recht lange am Leben erhalten und in seinen heiligen Schutz nehmen wolle."

Forquveaulx war davon tief gerührt und suchte die Sterbende auf andere Gedanken zu bringen, indem er ihr sagte, dass sie die Gefahr überschätze, dass sie ohne Zweifel am Leben bleiben würde, mit einem Worte Alles, was man am Todbette sagen kann, ohne es selber zu glauben, aber Elisabeth erwartete den Tod, dessen Annäherung sie nur allzuwohl fühlte, ohne Zagen. „Nein, nein, Herr Gesandter," unterbrach sie ihn mit einer Stimme, in der sich der Tod schon bemerklich machte, ich möchte gar zu gern Das sehen, was ich recht bald sehen zu können hoffe und glaube."

In weniger als einer halben Stunde war sie verschieden und so sanft, dass Forquevaulx sagt, man habe den Augenblick in dem sie den Geist aufgab, nur daran erkennen können, dass ihr bis dahin heller und glänzender Blick starr wurde; er war auf mich gerichtet, als hätte sie mir noch Etwas mitzutheilen gehabt."

Forquevaulx erwähnt zum Schlusse seines Berichts eine Polizeiverordnung, die für die damaligen Sitten so charakteristisch ist, dass wir sie nur ungern unterdrücken möchten, obwohl sie eigentlich nicht zur Sache gehört. „Es wurde in Madrid öffentlich ausgerufen, dass Jedermann, bei Hofe wie in der Stadt, nach Stand und Mitteln Trauerkleider anzulegen habe und dass es für die Reichen bei einer Busse von 10,000 Maravedis und für die Armen bei Gefängniss verboten wäre, sich in bunten Kleidern zu zeigen."

Der König zog sich wieder in das Kloster San Geromo zurück; wie aufrichtig aber seine Trauer war, kann man am

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