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er nicht bei dem Turniere im Februar 1566, bei dem sich seine böhmische Vettern als ächte deutsche Ritter mit Ruhm bedeckten und obwohl die Tochter des Kaisers ihm zur Frau bestimmt war. „Der Courier des Kaisers," lässt sich Forquevaulx darüber aus, ist wenig erbaut von dem Betragen des Prinzen bei Tische und sonst, und man hat mir erzählt, dass er es seinem Herrn nicht verheimlichen wolle, entrüstet darüber, dass die Prinzessin Anna einen Prinzen heirathen soll, der sich körperlich und sittlich so wenig für sie eigne." Dieser Ausspruch eines unparteiischen Augenzeugen, der zu keinem andern Zweck in Madrid war, als zu beobachten, muss natürlich schwerer ins Gewicht fallen, als die romantischen Anschauungen, an die wir uns bei Don Carlos gewöhnt haben und die auch neulich Adolfo de Castro in seiner historia de los protestantes Españoles wieder aufgetischt hat.

Während dieser ganzen Zeit, dass Philipp vor ganz Europa Komödie spielte, als dächte er wirklich daran, sich persönlich in die Niederlande zu begeben, wurde der Geist des jungen Prinzen von der Idee ihn zu begleiten absorbirt. Er sandte einen Stallmeister nach Andalusien um für 10,000 Thaler Dienstpferde zu kaufen, er ermahnte die Mitglieder des Staatsrathes die Abreise des Königs zu beschleunigen, und nachdem er in Erfahrung gebracht, dass sich die Cortes mit dem Gedanken trügen, ihn sich während der Abwesenheit des Königs als Regenten zu erbitten, erklärte er ihnen in der grössten Aufregung, dass ihm ein solches Gebahren höchlichst missfalle und dass er darin eine persönliche Beleidigung erkennen würde, wenn man es dennoch wahr machen sollte. Uebrigens hatte es ihm der König damals wirklich versprochen, ihn mit nach den Niederlanden nehmen zu wollen, er erhöhte auch seine Apanage von 40,000 auf 60,000 Thaler, auch mussten der Staatsund Kriegsrath ihre Sitzungen in dem Kabinet des Prinzen halten. Aber schon den Monat darauf schreibt Forquevaulx wieder: „Es hat wieder Streit gegeben zwischen Sr. katholischen Majestät und dem Sohne, wegen Ausschweifungen, die er in ganz ungehöriger Weise fortfährt sich zu Schulden kommen zu lassen." Die Anzeichen von Geistesabwesenheit, die schon früher von Zeit zu Zeit an ihm wahrgenommen worden waren,

traten immer entschiedener und heftiger hervor. Und dazu war der Prinz körperlich eben so schwach, wie geistig. Der Arzt der Königin machte Forquevaulx darüber die Mittheilung, ,,dass trotz aller Arzeneien, die ihn seine drei Aerzte nehmen liessen um ihn fähig zu machen, ein Weib zu nehmen, dies Alles reine Zeitverschwendung sei, er würde nie Kinder haben." Dennoch glaubte man einen Augenblick an einen guten Erfolg der Kur, und der König bewilligte jedem der drei Aerzte einen Jahrgehalt von 1000 Thalern; auch schien es mit seinem Gemüthszustand besser werden zu wollen. „Er ist jetzt der liebe Sohn," meldet Forquevaulx, „sodass er von seinem Vater bekömmt, was er will. Er befiehlt in vielen Dingen ganz unumschränkt und beansprucht Gehorsam ohne jede Widerrede." Diese Worte, die keiner Missdeutung fähig sind, beweisen doch bis zur Evidenz, dass der König, trotz der vielen Veranlassung zur Unzufriedenheit mit dem Betragen seines Sohnes, dennoch rigoroser Strenge entschieden abgeneigt war. Leider aber liess die krankhafte Reizbarkeit seines Gehirns dem Prinzen nicht lange Ruhe. Als er sich in seinem Lieblings wunsche, der Reise nach den Niederlanden getäuscht sah, trat der alte Zustand wieder ein und eine neue fixe Idee, aus Spanien fliehen zu müssen, setzte sich in ihm fest. Seine bizarren Träumereien und die Ausbrüche seiner Leidenschaften machten den ganzen Hof immer bedenklicher; man sagte ganz laut, dass er sicherlich eines schönen Tages ein Unglück anrichten würde." Auch Forquevaulx ist auf das Schlimmste gefasst. Wenn Gott nicht hilft," schreibt er im September 1567, möchte sich leicht ein grosses Unglück ereignen können. Aber in demselben Maasse, wie der Sohn den Vater hasst, nimmt seine Zuneigung und Liebe zur Königin, seiner Stiefmutter, zu; zu ihr nimmt er seine Zuflucht, wenn ihm Etwas nicht nach Wunsch geht, und Ihre Majestät benimmt sich stets mit solcher Weisheit, dass Gemahl und Stiefsohn mit ihr gleich zufrieden sind." Eine solche Rolle war nicht leicht durchzuführen und erforderte alle jene Kunstgriffe der Frauendiplomatie, die Elisabeth in hohem Grade verstanden zu haben scheint, aber im Grunde konnte sie doch Nichts ändern, ein Conflict war unvermeidlich und die Ereignisse überstürzten sich förmlich, um ihn herbeizuführen. Am

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19. Januar 1568 erfährt Forque vaulx, „dass der König am dreizehnten den Kirchen und Klöstern dieser Stadt befohlen habe, sie sollten dafür beten, dass es Gott gefallen möge, ihm in Bezug auf gewisse Erwägungen und Absichten, die er im Herzen hätte, zu rathen und das Beste einzugeben." Die Angat des Königs hatte ihren Gipfel erreicht. Don Carlos hatte seine Vorbereitungen getroffen, das Königreich zu verlassen, und er musste sich daher beeilen, wenn er nicht etwa der Welt das Schauspiel eines spanischen Thronerben geben wollte, der an den verschiedenen europäischen Höfen herumzöge und seine Verrücktheit zur Schau trage, ja möglicherweise den empörten Niederländern als willkommene Geissel in die Hände fallen konnte.

Am 22. Januar schrieb Forquevaulx an Katharina von Medici: „In dem Augenblick, als ich bereit war, letzten Montag, den 19. d. M., meine Depesche abzuschicken, indem ich nur noch auf die Briefe der Königin wartete, schrieb mir dieselbe eigenhändig, dass der König sie gebeten hätte, damit noch etwas zu warten und mich zu benachrichtigen, dass ich den Courier zurückhalten sollte, bis er es mich wissen liesse, denn es läge ihm sehr viel daran, dass die Verhaftung des Prinzen nicht sofort bekannt würde." In der Nacht vorher war nehmlich der lange vorausgesehene Schlag wirklich gefallen. König Philipp hatte sich der Person des Infanten und seiner Papiere versichert und seine Bewachung dem Herzoge von Feria anvertraut. Die auf Befehl des Königs zurückgehaltene Depesche ist vom 19. datirt und lautet: „Es wird Ew. Majestät belieben sich zu erinnern, dass ich Ihnen schon vor längerer Zeit geschrieben habe, dass, wenn es nicht um des Geredes der Leute willen unterbliebe, Se. katholische Majestät seinen Sohn wegen der Ausschweifungen, die er beständig begeht, und weil er nicht Herr seiner selbst ist, in ein Gefängniss würde setzen lassen. Ew. Majestät wird aus diesem Briefe ersehen, dass diese Zeit gekommen ist, denn der Prinz ist Gefangener in seinem Zimmer, mit Ketten an den Füssen hinter vergitterten Fenstern und starken Wachen an den Thüren, und man sprischt davon, er werde nach Medina oder einem andern festen Schloss in der Nähe von Valladolid transportirt werden, da der König ihm mit eignem Munde erklärt habe, er werde ihn nur als Unterthan und nicht als Sohn behandeln. Ich werde

mich bemühen, den wahren Grund seiner Verhaftung in Erfahrung zu bringen, obwohl das Gerücht allgemein geht, er habe seinen Vater ermorden oder sich an die Spitze eines der empörten Reiche stellen wollen. Es ist wahr, dass Se. Majestät schon lange vor seiner Abreise nach dem Escurial nicht mehr mit ihm gesprochen hat, dass ferner, wie ich Ew. Majestät schon mehrmals geschrieben habe, sehr wenig Uebereinstimmung zwischen ihnen existirte und dass der Prinz es nie verstand, seinen Hass gegen den Vater zu verbergen. Man weiss ganz gut, dass er um dieses Hasses willen zu Weihnachten nicht gebeichtet und deshalb auch keine Absolution erhalten hat, weil er seinem Vater nicht verzeihen wollte und ihm sein Beichtvater desshalb nicht hat Absolution ertheilen wollen, worauf er sich an andere Doctores der Theologie wendete, die sie ihm aber gleichfalls verweigert haben. Den Grund der Verhaftung kann man noch nicht wissen; es sind nicht sechs, die ihn kennen, selbst nicht die Königin, die sich jedoch die Sache sehr zu Herzen nimmt und viel darüber weint, aus Liebe zum Könige, inmassen sie auch der Prinz so aufrichtig liebt."

Am 22. Januar berichtigt Forquevaulx seine Angabe in einem Punkte, in welchem er sich geirrt hatte. „Der Prinz hat keine Ketten, wie man sagte, auch wird er gerade so wie vorher bedient, aber er wird streng bewacht durch den Herzog von Feria." Dann fügt er hinzu: „Der König sagt, dass er vierzig Gründe beibringen wolle, die ihn genöthigt so zu handeln, und er hat seine Papiere mit Beschlag belegen lassen, und man hat ungefähr 30,000 Thaler, einen Diamanten und andere Ringe bei ihm gefunden. Man sagt, dass er sich mit den Niederländern und namentlich mit Herrn von Montigny ins Einvernehmen gesetzt habe, und dass er seinen Vater habe ermorden wollen, und es werden so viele sich widersprechende Geschichten erzählt, dass ich nicht den zehnten Theil davon glauben kann.“

Am 5. Februar schreibt er noch: „Sire, da Seine katholische Majestät wünscht, dass Ihre Majestät in Bezug auf das, was seinem Sohn widerfahren, nur die Wahrheit vernehmen, hat er mir durch Ruy Gomes am 27. verwichenen Monats sagen lassen, dass er, der König, seit länger als drei Jahren bemerkt hätte, dass es mit dem Gehirn des Prinzen noch schlimmer

stehe, als mit seiner sonstigen Persönlichkeit, und dass er niemals einen rechten Verstand bekommen würde, sowie dass seine Handlungen von dieser Zeit an täglich neue Beweise für die Richtigkeit dieser Ansicht geliefert hätten, was Se. Majestät lange verheimlichten, indem Sie immer noch hofften, dass ihm die Jahre Vernunft und Besonnenheit bringen würden, was jedoch leider in's Gegentheil umgeschlagen ist, denn sein Zustand hat sich von Tag zu Tag verschlimmert: so dass Seine Majestät, nachdem Sie die Hoffnung gänzlich verloren, dass Ihr Sohn sich weise und der Nachfolge in seinen Reichen und Staaten würdig zeigen würde, die ihm zu lassen vielmehr gleichbedeutend sein würde mit Auflösung und augenscheinlichem Ruin derselben und seiner Unterthanen, nach reiflichster Ueberlegung und mit äusserstem Widerstreben sich endlich entschlossen haben, einen andern Weg einzuschlagen, der darin besteht, den genannten Prinzen in einem guten Gemache in diesem Schlosse zu Madrid, gerade unter dem Zimmer, in dem die Prinzessin von Portugal logirt, unterzubringen, wo er bedient werden soll wie vorher und was seine Person anbetrifft, behandelt als Prinz von gutem Hause."

Don Carlos hatte sich nehmlich nicht nur schon längere Zeit mit dem Gedanken getragen, aus Spanien zu fliehen, sondern als letzten Beweis seiner Geistes verwirrung, den Abend vor seiner Verhaftung den Versuch gemacht, seinen Onkel Don Juan d'Austria zu ermorden. Forquevaulx erzählt diesen Umstand mit allen Einzelheiten, und es kann dieser Act wahnsinniger Heftigkeit von Seiten des Prinzen um so weniger befremden, wenn man bedenkt, dass er auch schon zwei Jahre früher in einem Zornausbruch mit dem Dolch in der Hand auf den Herzog von Alba losgestürzt war."

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Die Ueberraschung Karl's des Neunten und seiner Mutter, als sie diese Nachricht erhielten, war gross. Beide schrieben am 13. Februar an Forquevaulx; zuerst der König mit folgenden Worten: „Herr von Forquevaulx, ich finde das Factum der Einsperrung des Prinzen von Spanien, das Sie mir geschrieben haben, so befremdlich wie irgend Etwas, das ich je gehört habe, indem ich gar nicht glauben kann, dass so Etwas, wie das, wovon Sie mir schreiben, dass es von ihm erzählt werde,

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