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wurde, so hätte dies angemerkt werden sollen. Endlich kann in dem Verse S. 62: „Dein Tscherning, Flemming, neben Rubeens Geist“ das vorletzte Wort nicht richtig sein, mag es nun in den alten Drucken stehen oder nicht. Da an Rubeus und Rubin (S. Gervinus) nicht zu denken ist und Rudnik, ein Zeitgenosse Pyras (Koberstein III, 67), nicht gut zwischen die Dichter einer früheren Zeit pafst, so hat man, scheint mir, die Wahl zwischen dem älteren Rabener (1655-1699), Verfasser allegorischer Lehrgedichte, vielleicht zweisilbig geschrieben, wie Klopstock seinen Enkel, den Satiriker, schreibt: also „Rabners Geist, und Aug. Buchner (1591 -1661), Professor der Dicht- und Redekunst in Wittenberg, dem Freunde von Opitz. Er stand in jener Zeit in einem ganz unbedingten Ansehen. Sein Wegweiser zur deutschen Dichtung kam erst nach seinem Tode heraus. (Koberstein, s. auch das Zitat aus Gottsched bei Waniek S. 61, worin die Namen Opitz und Buchner neben einander stehen.) Ich möchte annehmen, dafs ,,Buchners" zu lesen ist. Angenommen, dass Lange, (der in der Vorrede zum 2. Teil der „Briefe" einmal seine etwas unleserliche Hand" erwähnt,) Rabners" schrieb, so erklärt sich ein Verlesen durch den Setzer in „Rubeens“ zwar etwas leichter, aber es ist zu bezweifeln, ob Rabeners ,nützliche Lehrgedichte", die er in Freiberg für seine Schüler schrieb, den Halleschen Freunden überhaupt bekannt waren, und ob Rabener diesen bedeutend genug scheinen konnte, um mit ausdrücklicher Erwähnung seines Geistes" neben Flemming und Opitz gestellt zu werden; während bei Buchner sachlich und metrisch alles passt. Die Bodmerschen Übersetzungen aus Thomson sind nicht aus dem „Frühling" (S. VI): Lavinia ist aus dem „Herbst", die zwei andern sind aus dem „Sommer"; übrigens hat Bodmer aus einer badenden Schönen drei gemacht und auch den Schlufs dieser Episode geändert. Das schöne Kind fiel in einen Aschehaufen" S. 161 soll wohl bedeuten, dafs sie in solchen (a blacken'd corse) verwandelt, zu Boden fiel (was struck to the ground, vom Blitze nämlich).

Kassel.

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Martin Krummacher.

Das deutsche Volksbuch von den Heymonskindern. Herausgegeben von FRIEDRICH PFAFF. Freiburg im Breisgau 1887. Herdersche Verlagshandlung. LXXII, 208 S. 8o.

Wir erhalten hier einen genauen Abdruck der ältesten deutschen Ausgabe des .weitverbreiteten Volksbuches vom Jahre 1604. Das Unternehmen, die deutschen Volksbücher in ihrer ältesten Gestalt wieder zugänglich zu machen, ist freudig zu begrüfsen. Pfaff kommt einem wissenschaftlichen Bedürfnis entgegen, dessen Wichtigkeit jeder

zu würdigen weifs, der einmal in die Lage kam, sich mit derlei litterarischen Erzeugnissen zu beschäftigen. Die meisten sogenannten Volksbücher laufen ja heute noch um, aber sind oft nur mit Mühe im Buchhandel zu erlangen; die Bibliotheken besitzen die moderne Jahrmarktslitteratur auch selten genug. So ist man auf Simrock und Schwab angewiesen, wenn man die Geschichten überhaupt nur kennen lernen will. Diese Sammlungen sind gewifs verdienstlich und vielen von uns haben sie die Jugendjahre verschönt. Aber es ist tadelnswert, dafs sie nichts weiter als die Erzählung geben; so gelangt man schliesslich nur zu einer dem modernen Sprachgebrauch angepassten neuen Fassung der alten Bücher und damit ist dem Forscher nicht gedient. Wenn hie und da zufällig eine der alten Ausgaben sich in eine öffentliche Bibliothek verirrt, so liegt sie dort meistens als ein Unikum. Von den modernen Volksbüchern aus kann keine von den vielen Fragen, die an die Bücher anknüpfen, sicher gelöst werden. Referent ist der Ansicht, dafs die Volksbücher darum leicht zugänglich gemacht werden müssen, und das ist leicht zu bewerkstelligen durch den Abdruck der ältesten Ausgabe eventuell wo diese nimmer zugänglich ist, wenigstens der ältesten unter den erhaltenen, wie ich es beim Volksbuch vom gehörnten Siegfried in meiner Ausgabe des hürnen Seyfriedliedes (Halle 1889) tat. Gleich dieser Fall mag die Wichtigkeit der neueren Ausgabe beleuchten: Niemand vermochte sich eine klare Vorstellung vom Verhältnis des Siegfriedliedes zum Volksbuch zu machen, die abenteuerlichsten Meinungen konnten aufgestellt werden, eben nur, weil die Wenigsten im stande waren, ein Exemplar aus dem vorigen Jahrhundert einzusehen. Der Wiederabdruck ist also höchst nützlich und wünschenswert aus philologischen Interessen, damit die Volksbücher nach authentischem Text von jedem eingesehen werden können, damit die älteste Gestalt methodisch benützt wird, nicht eine beliebige jüngere, und schliesslich werden auch weitere Kreise, die an Volksbüchern Freude haben, ebenso leicht auf diese Weise befriedigt werden, wie mit Modernisierungen. Der nachlässige, fürs niedere Volk berechnete Stil ist im 16., 17. und 18. Jahrhundert sehr wesentlich verschieden und ermöglicht die Gruppierung in jüngere und ältere Volksbücher. Natürlich ist in den Ausgaben des 19. Jahrhunderts alles verwischt und man liest z. B. den Wigoleis in derselben Form, wie den gehörnten Siegfried; im Original merkt der Ungeübteste sofort den gewaltigen Abstand der um etwa 200 Jahre auseinander liegenden Werke.

Pfaff stellt dem Texte eine umfangreiche Einleitung voran, welche die Reinoltsage durch alle Litteraturen hindurch verfolgt. Die Sage gehört dem Cyklus an, welcher die Kämpfe Karls des Grofsen mit den stolzen Vasallen behandelt; sie scheint ältere geschichtliche Elemente aus der Regierungszeit Karl Martells in sich zu fassen. Im 12. Jahrhundert erhielt sie in der französischen Dichtung diejenige Gestalt, nachdem noch die Geschichte eines heiligen Reinolt, dessen Name an Köln und Dortmund geknüpft war, hinzutrat, in welcher sie

ihre litterarische Wanderung zu den germanischen und romanischen Völkern begann. Von Wichtigkeit ist eine niederländische Bearbeitung des 13. Jahrhunderts,,Renout van Montalbaen', die im 16. Jahrhundert in einem niederländischen Prosaroman aufgelöst wurde,,de vier Heemskinderen'. Beide niederländische Werke wurden ins Deutsche übertragen, der Renout um 1476 metrisch und etwas früher auch prosaisch, vornehmlich für kölnische Klosterzwecke, da ja dort Reinolt heilig war; aus den Heemskinderen flofs das deutsche Volksbuch von den vier Heymonskindern, 1604 in Köln im engen Anschlufs ans Original verfasst vom Buchdrucker Paul von der Aelst, der daneben die erwähnte kölnische Prosa anzog, wie bereits aus dem Titel hervorgeht. Pfaffs Einleitung ist eine treffliche Abhandlung zur vergleichenden Litteraturgeschichte des Mittelalters sowohl durch die klare und übersichtliche Darstellung der bereits bekannten, als durch gelegentliche neue Gedanken ausgezeichnet. Alle Fragen, die aus Sage und Dichtung speziell an das Volksbuch anknüpfen, werden erörtert. Eine kurze Geschichte der Entstehung eines Druckes muss natürlich vorausgeschickt werden, aber auch Winke, welche weitere Ausblicke auf Dichtung und Sage eröffnen, werden immer am Platze sein. In der Sagenforschung ist Pfaffs Standpunkt durchaus zu billigen, er hält sich an das gegebene Material und sucht sich die Entstehungsgeschichte hieraus und aus einfachen psychologischen Funktionen des Dichters oder Erzählers zurecht zu legen. Mit Recht tritt er allen künstlichen Erklärungen, zumal den unheilvollen sogenannten mythologischen (s. LXX) entgegen, die in der Sagenforschung, selbst dort, wo sie geistvoll und dichterisch schön, oft grofsartig waren, doch fast durchweg verkehrt sind und den alten Dichtern modernes, geradewegs mythologisch-wissenschaftliches Denken und Deuteln zumuten würden. Bezüglich der Mágussaga (s. XXVI), die mittelbar auf ein altfranzösisches Gedicht zurückgeht, ist vielleicht ein ähnliches Verhältnis, wie bei der isländischen (nicht norwegischen) Tristramsaga [vgl. Kölbing S.XV f.] anzunehmen, dass eine getreue norwegische Übersetzung des 13. jhs. später in Island gänzlich umgestaltet wurde, so dafs vom Ursprünglichen nur hin und wieder ein Stück stehen blieb. Dafs so in der nordischen Überlieferung die Verderbnisse einrissen, ist eher glaublich, als dass, wie Pfaff meint,,eine lückenhafte, mündliche Erzählung im Norden ihren Einzug hielt'.

Schliesslich sei noch hervorgehoben, dafs dem gediegenen, belehrenden und anziehenden Inhalt des Buches eine ebenso hübsche und geschmackvolle Ausstattung zur Seite steht, so dafs alles zu-/ sammenwirkt, dem schönen Unternehmen freundlich geneigte Leser zu gewinnen.

München.

Wolfgang Golther.

WILHELM HERTZ: Aristoteles in den Alexanderdichtungen des Mittelalters. München, bei G. Franz 1890, 103 S. 4°. (aus den Abh. d. k. bayer. Ak. d. Wiss. I Cl. XIX. Bd. I. Abth.) Aristoteles war der Erzieher und Lehrer Alexanders, der gröfste Denker stand in Beziehung zur Jugend des gröfsten Helden. Diese geschichtliche Tatsache ging auch in die dichterischen Darstellungen über, welche von dem um 200 n. Chr. in Alexandria aufgezeichneten griechischen Roman des Pseudo-Kallisthenes ihren Ursprung nehmend, in reichster Variation das ganze Mittelalter hindurch bei den meisten Völkern des Abend- und Morgenlandes in Umlauf waren. Die Alexanderdichter haben meistens kein Bedürfnis empfunden, das geschichtliche Verhältnis des Stagiriten zu seinem Zögling durch freie Erfindung zu erweitern. Zur Schöpfung einer eigentlichen Aristotelessage ist es daher auch nicht gekommen. Nur wenige Quellen gingen über die gegebenen allgemeinen Umrisse hinaus; obenan stehen die morgenländischen Dichter. Aristoteles, in der Vollkraft der Jahre ist dargestellt als das Ideal eines Grossveziers, welcher den König auch später auf seinen Fahrten begleitet und ihm oft mit seinem Rat beisteht. Schön erzählt ist der Anteil, den er an Alexanders Fahrt nach dem Lebensquell nimmt; doch nur ein persischer Prosaroman berichtet diesen Zug von Aristoteles, die übrigen Darstellungen nennen hier den mohammedanischen Propheten Chidhr, dem diese Sage auch ursprünglich allein angehörte, wenigstens sofern sie in Verbindung mit Alexander auftritt (S. 32-36). Die abendländischen Dichtungen kennen Aristoteles blofs als den Lehrer Alexanders. Nur der altfranzösische Roman in Alexandrinern macht eine Ausnahme, indem er im 12. Jahrhuudert den Ruhm des Philosophen neu aufleben lässt. Auch hier ist er Begleiter des Königs auf dessen Zügen; wo es anging, schilderte der Roman tätiges Eingreifen des Aristoteles in die Handlung; nach seinem Rate wählt sich Alexander, gleichwie früher Karl der Grosse, und später nach demselben Vorbild Artus, zwölf Pairs; in ergreifende Klagen bricht der alte Meister an des Königs Todbett aus. Weiterhin wusste der Roman die Gestalt des Philosophen dadurch in Zusammenhang mit der Handlung zu halten, dafs er Anekdoten und Sagen, welche ursprünglich von ganz verschiedenen Personen galten, einfach auf ihn übertrug. So vertrat Aristoteles einmal den Zeichendeuter Antiphon, dann den Anaximenes, welcher durch Klugheit das drohende Verderben von seiner Vaterstadt abzuwenden weifs, endlich, bei der schönen Sage vom Wunderstein des Paradieses den alten Weisen, der Alexander über die Bedeutung desselben aufklärt. Es ist also im Grunde dasselbe Verfahren, welches auch die orientalische Sagendichtung befolgt, wenn sie den Aristoteles an Stelle des Chidhr setzt. Hier wie dort kommt es zu keiner lebendigen Sagenbildung, die sich an Aristoteles anknüpfen würde. Der Held des Gedankens ist eben kein Held des Epos.

Das sind zum Teil mit des Verfassers eigenen Worten in wenigen Strichen angedeutet die Ergebnisse der gründlichen Studie, welche

Hertz seinem Gegenstand widmete. Aufs Sorgfältigste hat er die aufsergewöhnlich weitverzweigte Alexandersage durchforscht und in bündiger Weise mit trefflich ausgewählten Litteraturangaben, die auch aufserdem gute Dienste zu leisten vermögen, das hierher gehörige Material vorgeführt. Die Abhandlung enthält weit mehr, als der Titel besagt. Denn Hertz hat die verschiedenen Episoden, die zu Aristoteles nur in äufserlicher Beziehung stehen, eingehender Untersuchung gewürdigt. Besonders wertvoll ist Abschnitt 7, „Aristoteles und der Wunderstein" (S. 51-89), wo die auf orientalisch-jüdischer Sage beruhende Dichtung von Alexanders Fahrt nach dem Paradies ihrer Entstehung und Entwickelung nach so ziemlich in allen vorhandenen Fassungen behandelt wird. Die Bemerkungen auf Seite 89 über die künstlerische Unbefangenheit der mittelalterlichen Dichter ihren Quellen gegenüber hat allgemeine Bedeutung; sie charakterisiert vortrefflich das Verfahren der Dichter überhaupt, ihre Freude am phantastischen Gestaltungstrieb und ihre freie Stoff behandlung trotz allen Berufungen auf die Quellen und Vorlagen. Ich glaube, wir lassen uns bei der Kritik der mittelalterlichen Dichtung oft zu sehr durch die hin und wieder eingeschalteten Versicherungen quellentreuer Darstellung verschüchtern und mifskennen darum das freie Spiel der Phantasie, das doch allein die schier unzähligen Variationen eines und desselben Stoffes befriedigend erklären kann. Einmal müssen doch die Metamorphosen geschaffen worden sein, wenn wir auch noch so sehr durch angenommene verlorene Vorlagen und Vorstufen die Erklärung zurückzuschieben versuchen. Häufig genug dürfte aber die vorhandene Dichtung verantwortlich zu machen sein, nicht die von ihr zitierte Vorlage.

Durch die Arbeit hat Hertz wieder von Neuem bewiesen, dafs wir ihn geradeso als scharfsinnigen und tiefen Forscher und Gelehrten hochzuschätzen haben, wie wir ihn als grofsen Meister innig gemüt voller und wahrhaft idealer Dichtung verehren und lieben.

München.

Wolfgang Golther.

RUDOLF VON GOTTSCHALL: Das Theater und Drama der Chinesen. Breslau 1887. Verlag von Eduard Trewendt.

209 S. 8°.

Der in weitesten Kreisen bekannte Verfasser bietet uns im vorliegenden Werke eine Studie über das chinesische Theater und Drama, die mit Recht das Interesse nicht nur der weiteren Kreise, sondern auch der Sinologen beanspruchen kann. Der Verfasser selbst ist zwar kein Sinologe und konnte somit dem bereits Bekannten quantitativ nichts Neues hinzufügen, geschweige denn aus dem Vollen schöpfen.

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