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januariæ et varia quædam poemata, in welcher Sammlung sich auch das 1587 veröffentlichte Gedicht „Nihil" findet. 1) Außerdem bemerken wir noch eine ganz flüchtige Anspielung auf das 1655 erschienene Gedicht Callipædia" des lateinischen Dichters Quillet (1602-1661) (Lives, III 40).

Hier mögen zum Schluß auch noch die von Johnson erwähnten späteren französischen Gelehrten angeführt werden, die sich ebenfalls um das Altertum verdient gemacht haben.

Nach Boswells Angabe (Bosw. 94) überseßte Johnson für die englische Übertragung des Brumoh durch Mrs. Lenox eine Abhandlung über das griechische Lustspiel. Diese Angabe betrifft das 1730 veröffentlichte Werk: ,,Le Théâtre des Grecs" des Jesuiten Pierre Brumoy (1688-1742). Es enthält eine Sammlung von teilweisen Übersetzungen und zahlreiche Analysen griechischer Dramcu mit Anmerkungen und drei Abhandlungen: „Sur le théâtre grec; Sur l'origine de la tragédie; Sur le parallèle du théâtre ancien et du théâtre moderne". Die Übersetzungsliteratur der Franzosen ist bei Johnson vertreten durch die Namen La Valterie und Madame Dacier (Lives, IV 25). Die Homerübersetzung des Jesuitenpaters Abbé de la Valterie erschien 1682; ihr folgte im Jahre 1699 diejenige der Madame Anne Dacier (1651-1720). Von den französischen Interpreten des Horaz ist Le Fèvre (1615-1672) rühmend genannt (IX 34).

3. Johnson und die französische Akademie.

Seiner Mißachtung der französischen Akademie hat Johnson wiederholt in äußerst drastischer Weise Ausdruck verliehen.

Er wurde bekanntlich zu seinem Wörterbuch durch Londoner Verlagsbuchhändler angeregt, die ein Wörterbuch nach dem Muster desjenigen der französischen Akademie herauszugeben gedachten und sich in diesem Vorhaben an Johnson als den geeignetsten Mann wandten (I 170). Hawkins hat ganz Recht, wenn er annimmt, daß Johnson zum großen Teil zur Übernahme dieses Werkes „durch die Erwägung des großen Abstandes in diesem Zweig der Literatur zwischen den Engländern und den benachbarten Völkern bewogen wurde" (ibid.); 2) sagt doch Johnson selbst im Vorwort zum englischen Wörterbuch: „Ich habe dieses Buch, die Arbeit von Jahren, der 1) Über Johnsons Vorliebe für die moderne lateinische Dichtkunst siehe unter Boileau S. 49.

2) Hawkins hat dabei die Wörterbücher der „Academia della Crusca" in Italien und der „,Académie française" im Auge.

Ehre meines Vaterlandes gewidmet, damit wir die Siegespalme der Philologie nicht länger ohne Kampf den Nationen des Festlandes zu überlassen brauchen" (IX 227).

Aber Johnson verdankt der Arbeit der französischen Akademie nicht nur die Anregung zu seinem Werk, sondern ihr Wörterbuch gewährte ihm auch wesentliche Anhaltspunkte für die Anlage des seinigen und somit eine bedeutende Erleichterung seiner Arbeit, was z. B. zum Ausdruck kommt, wenn er in dem Entwurf (,,Plan of an English Dictionary") hervorhebt, daß er sich bezüglich der Aufnahme wissenschaftlicher Ausdrücke nach den französischen Akademikern richten wolle, die diese ebenfalls zugelassen hätten (IX 169).1) Man sollte denken, daß Johnson im Hinblick auf den Vorrang der Franzosen, die schon ein halbes Jahrhundert vor den Engländern das Wörterbuch der Akademie besaßen, auf dem er nun fußt, den Vorteil, der ihm daraus erwuchs, dankbar anerkannt hätte. Weit gefehlt! Es ist nun allerdings zu bedenken, daß die beiden wegwerfendsten Urteile Johnsons über die französischen Akademiker mündliche Äußerungen sind. Bei diesen kam es ihm gewöhnlich in erster Linie auf eine schnelle, verblüffende und wißige Entgegnung an, in denen er durchaus nicht immer das sagte, was er in Wirklichkeit dachte. Auch ist nicht zu übersehen, daß er in den beiden folgenden Urteilen nicht allein die Akademiker im besondern, sondern auch den Charakter der Franzosen, die er als Volk so geringschäßte, im allge= meinen zu treffen sucht. Als ihn einer seiner Freunde darauf aufmerksam machte, daß er eine Arbeit es war von dem geplanten Wörterbuch die Rede in drei Jahren vollenden wollte, zu der die französische Akademie, die aus vierzig Mitgliedern bestände, vierzig Jahre gebraucht hatte, erwiderte Johnson: „So ist es, das ist das Verhältnis. Vierzig mal vierzig ist sechzehnhundert; wie drei zu sechzehnhundert, so ist das Verhältnis eines Engländers zu einem Franzosen" (Bosw. 47). Bei dem ersten Erscheinen des Wörterbuches gratulierte ihm ein Bekannter und erwähnte den geringen Erfolg der Franzosen in dem entsprechenden Unternehmen. Johnson ent= gegnete: Was kann man auch von Kerlen erwarten, die Frösche essen!" (Misc. I 183).

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Größeres Gewicht ist seinen schriftlichen Meinungsäußerungen über die französische Akademie und über die Institution einer Akademie überhaupt, wobei ihm die französische vorschwebt, beizumessen.

Mit Entschiedenheit bestreitet er den Nugen einer Akademie für eine Sprache auf Grund folgender Erwägungen: Eine Akademie könne die Veränderung der Sprache nicht verhüten; die französische Sprache habe sich unter

1) Siehe unter Boileau S. 39 (IX 188).

der Aufsicht der Akademie auffällig verändert (LX 223).1) Daher hält er ihre Arbeit, die Abfassung von Grammatiken und Wörterbüchern für wenig zweckmäßig und verdienstvoll. Wenn in England je eine Akademie errichtet werden sollte, von der er, „der die Abhängigkeit nicht vermehrt sehen möchte“, hofft, daß der Geist der englischen Freiheit sie verhindere oder zerstöre, so solle fie nicht Grammatiken und Wörterbücher ausarbeiten, sondern ihr Augenmerk auf den Stil der Übersetzungen aus dem Französischen richten, die mit ihren französischen Redewendungen die englische Sprache verdürben, und es schließlich so weit brächten, daß die Engländer einen Dialekt Frankreichs pappelten (babble) (IX 226).

In einer Akademie sei es unmöglich, ein geschlossenes, einheitliches Vorgehen der Mitglieder zu erreichen. Es gehe viel Zeit und Kraft bei der Streiterei über die zu wählenden Mittel, die zum Ziele führen sollen, verloren (Adv. 15, IX 14 ff.). Persönliche Interessen, Neid, Zwietracht ständen der Ausführung hinderlich im Wege; auch bliebe eine Akademie nie sich selbst gleich (Lives, III 380). Schließlich sei es noch eine Frage, wenn es endlich zu Beschlüssen gekommen sei, ob sie auch Anerkennung fänden (ibid.) Das fürchtet er besonders für England. In einem absolut regierten Staate, wo allen bestehenden Einrichtungen eine allgemeine Ehrerbietung gezollt werde, seien die Verhältnisse andere. „Die Erlasse einer englischen Akademie würden wahrscheinlich von vielen Leuten nur deshalb gelesen werden, damit sie um so sicherer wären, ihnen zu widersprechen" (Lives, II 209).

4. Johnsons Urteil über die dramatische Dichtung und über die Romanund Briefliteratur der Franzosen.

Bezüglich des Dramas stand Johnson ganz auf dem französischen klassizistischen Standpunkt. Wenn er auch die drei Einheiten für nicht unbedingt erforderlich hielt, so entsprach die von Frankreich herübergekommene dramatische Kunst, die nach strenger Regelmäßigkeit strebte, doch mehr seinem Geschmack als das Theater Shakespeares. 2)

1) Hierfür führt er Le Courayers Urteil über Amelots Stil an, der schon etwas veraltet set (siehe unter Johnsons Übersetzungen aus dem Französischen S. 21). Von dieser Veränderung der französischen Sprache troß der Arbeiten der Akademie spricht er auch in den „,,Lives", II 209 und III 380. Überhaupt ist es zu beachten, wie oft Johnson auf diese Unzweckmäßigkeit der französischen Akademie zu sprechen kommt. 2) Vgl. hierüber Johnsons Vorwort zu Shakespeare (IX 267), siche unter Voltaire. Bezüglich Johnsons Anschauung von den dramatischen Regeln ist auch R. 156 zu vergleichen, wobei nicht zu vergessen ist, daß er hier viel freier denkt als zur Zeit der ,,Lives". Johnson tritt darin der Anschauung der Alten entgegen, daß sich nie mehr als drei Personen auf einmal auf der Bühne

Nur aus wenigen Bemerkungen läßt sich entnehmen, wie sich Johnson zu der französischen Bühne im besonderen verhielt. Daß er das französische Drama in seiner ganzen Anlage billigte, und daß er unter der englischen Bühne die nach dem französischen Muster reformierte verstand, geht daraus hervor, daß er beide identifiziert. Er tadelt Milton, daß er in „Samson Agonistes" die antike Tragödie der französischen und englischen Bühne vorgezogen habe (Lives, II 172).

Im Prolog zur „Irene" wendet sich Johnson gegen „die modernen Künste", durch bloß auf die Sinne wirkenden Mittel, wie Trompetenlärm und Donner, den Beifall der Zuschauer zu gewinnen; er habe dies in seinem Drama unterlassen :

To force applause no modern arts are try'd
Shou'd partial cat-calls all his hopes confound,
He bids no trumpet quell the fatal sound.
Shou'd welcome sleep relieve the weary wit,

He rolls no thunders o'er the drowsy pit.

No snares to captivate the judgment spreads;

Nor bribes your eyes to prejudice your heads (XI 219).

Diese Zeilen erinnern an zwei Aufsäge im „Spectator" (Nr. 42, 44), worin Addison in ähnlicher Weise mißbilligt, daß das englische Drama durch rein äußerliche Hilfsmittel zu wirken suche, indem es die Augen und Ohren der Zuschauer beeinflusse. Auch er verurteilt die Verwendung von Donner, Trommeln und Trompeten und verweist dabei auf die ruhige fran= zösische Bühne, die Johnson allerdings nicht zum Vergleich heranzieht, die ihm aber zweifellos ebenfalls vorgeschwebt haben wird.

Den im französischen Drama herrschenden Reim beanstandete Johnson jedoch; er fand ihn für die Verwendung im Drama ungeeignet. Dryden habe auf Anregung Karls II. nach dem Muster der Franzosen reimende Tragödien geschrieben, „bis das Gefühl für das Passende in ihm überwog, und er sich schämte, noch mehr solcher Stücke zu verfaffen" (Lives, II 313).

Von den französischen Romanen sagt er im Vergleich mit denen Richardsons, sie seien wohl ganz nette Nippsächelchen (pretty baubles), aber ein Zaunkönig sei doch kein Adler (Bosw. 176).

befinden sollen; ebenso willkürlich findet er die Bestimmung, daß ein Drama nie mehr als fünf Akte habe. Auch die Regel von der Einheit der Zeit findet er unbegründet. Wenn auch die Wahrscheinlichkeit erfordere, daß die Zeitdauer der Handlung derjenigen der Aufführung eines Stückes möglichst gleichkomme, so sei doch auch zu bedenken, daß das Wahrscheinlichkeitsgefühl der Zuschauer durch Zeitunterschiede zwischen den einzelnen Akten nicht verletzt werde. Ebenso hält er die Mischung von Tragischem und Komischem im Drama für gerechtfertigt, weil sie dem wirklichen Leben entspreche (VII 96 ff.).

Unangenehm empfindet Johnson die Rückständigkeit der Engländer gegenüber den Franzosen in der Brief literatur. Nicht daß er dies unumwunden eingesteht; aber seine Ausführungen lassen sein Bedauern erkennen.

Interessant ist es zu verfolgen, wie er im R. 152 seine Landsleute zur Pflege dieser Literaturgattung anregt. Da Johnson dabei, wie aus dem Aufsatz hervorgeht, die reiche Briefliteratur der Franzosen im Auge hat, so muß, was er von „den andern Nationen" sagt, vor allem auf diese be= zogen werden. Es sei auffallend, daß die englischen Schriftsteller, die doch „vielleicht in Kraft und Geist, und seit kurzem auch in Genauigkeit und Feinheit der Form" 1) sich mit den Autoren jedes Landes messen könnten, nur sehr wenig 2) danach getrachtet hätten, sich durch die Veröffentlichung von Briefen auszuzeichnen. Die Antwort, die man auf die Frage eines Ausländers, woher dieser Mangel rühre, zu geben habe, sei, daß der Engländer Kleinigkeiten verachte und die Mitmenschen nicht mit Mitteilungen seiner persönlichen Leiden und Freuden belästigen wolle. 3) Ein flüchtiges Durchblättern der „unzähligen“ Briefe der Schöngeister Frankreichs zeige, daß andere Völker sich von den gleichen Versuchen nicht durch das Gefühl der Unfähigkeit abschrecken zu lassen brauchten, denn es sei nicht sonderlich schwierig, kleine Unglücksfälle als besonders schwere darzustellen, alltägliche Ereignisse auszuschmücken, kriecherische Schmeicheleien zu wiederholen, knechtische Hyperbeln zu häufen und „all das zu erzeugen, was Voiture (1598—1648) 1) und Scarron (1610—1660) an verächtlichem Zeug hinterlassen hätten“ (VII 70). Man fragt sich unwillkürlich, warum Johnson, um die französische Briefliteratur zu kennzeichnen, als Vertreter gerade diese beiden auswählt,

1) Eine Anspielung auf den Klassizismus, der in Pope in formeller Hinsicht den Höhepunkt erreichte, so daß sich seitdem England in Genauigkeit und Feinheit der Form" mit Frankreich messen konnte.

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*) Gelegentlich der Besprechung der Briefe Popes gibt Johnson einen knappen Überblick über die, wie er sagt, sehr geringe englische Briefliteratur (Lives, IV 62).

3) Wie sehr Johnson nichtsdestoweniger die Pflege der englischen Briefliteratur wünschte, geht aus seinem Vorhaben, eine Brieffammlung herauszugeben, unzweideutig hervor. In dem Katalog geplanter Werke finden sich drei diesbezügliche Vermerfe: A collection of Letters, translated from the modern writers, with some account of the several authors. Danach scheint er sich mit den franzöfifchen Briefschriftstellern näher beschäftigt zu haben, denn auf diese wird sich vor allem die ge= plante Übersetzung von Briefen beziehen. A book of Letters, upon all kinds of subjects; schließlich: A Collection of Letters from English authors, with a preface giving some account of the writers; with reasons for selection, and criticism upon styles; remarks on each letter, if needful (Bosw. 551).

4) Voitures Name begegnet uns noch einmal in den Lives (II 316). Doch ist diese Erwähnung für uns von keiner Bedeutung, da Johnson an dieser Stelle kein eigenes Urteil über Voiture fällt.

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