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mit einem Aussatze überschuppt. Wenn die Vernichtung des Lebens so plötzlich eintritt, kann sich nicht erst eine solche Veränderung der Haut bilden, wie sie der Geist angiebt. Höchst wahrscheinlich hatte hier der Dichter die Folgen im Auge, welche das gerade zu seiner Zeit mit furchtbarer Heftigkeit wüthende syphilitische Gift im affizirten Organismus nach sich zog. Der dasselbe oft begleitende schuppige Hautausschlag, welcher den Körper wie mit einer Borke überdeckt, war von dem Dichter gewiß an verschiedenen Menschen beobachtet worden und hatte auf seine Einbildungskraft einen solchen Eindruck gemacht, daß sich die Beschreibung desselben von selbst aufdrängte, als er die Wirkung eines recht fürchterlichen Giftes ausmalen wollte.1) Die genaue Kenntniß Shakespeare's von den Folgen der syphilitischen Ansteckung geht aus verschiedenen Stellen in seinen Stücken hervor, die ich in meiner Abhandlung: „Die medizinische Kenntniß Shakespeare's" gesammelt habe. Auch giebt es kein Medikament, welches eine Hautkrankheit von solcher Gewalt, wie sie der Geist im Hamlet uns vor die Augen führt, hervorzurufen im Stande wäre. Am wenigsten aber wäre hierzu das Bilsenkraut fähig, wodurch in der Schlegel und Tieck'schen Uebersetzung das cursed hebenon im Hamlet wiedergegeben ist. Es ist kein Zweifel, daß Shakespeare mit hebenon den Eibenbaum (taxus baccata) gemeint hat, wenn auch die Wirkung desselben durchaus nicht so energisch ist, wie sie der Geist im Hamlet darstellt. Gewiß ist, daß Blätter und Zweige als Narkotika wirken, so daß Erbrechen, Schwindel, Erweiterung der Pupille, selbst Konvulsionen entstehn, und man wird nicht bestreiten können, daß der Genuß großer Quantitäten selbst den Tod eines Menschen herbeiführen könne. Bei alledem bleibt auffallend, daß Shakespeare dem Safte des Hebenon die Kraft zuschreibt, das Leben eines schlafenden Menschen vernichten zu können, wenn er in das Ohr desselben gegossen wird. Weder bei den Aerzten, noch im Volksglauben konnte er die Anregung zu diesem Gedanken geschöpft haben, und ich kann eine Erklärung dafür nur in einer Stelle des Plutarch finden. Im dritten Buche seines Symposiakon im ersten Problem behandelt er die Frage, ob man beim Zechen Blumenkränze gebrauchen solle und führt einen Arzt Tryphon redend auf, welcher darlegt, daß Dionysos nicht nur den Wein, das stärkste und angenehmste Arzeneimittel, erfunden habe, weshalb er für einen guten 1) a most instant tetter bark'd about with vile and loathsome crust all my smooth body.

Jahrbuch XX.

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Arzt gehalten worden sei; er habe auch die Bacchanten gelehrt, sich mit Epheu zu bekränzen, weil der Epheu die Kraft besitze, dem Weine Widerstand zu leisten und durch die ihm eigenthümliche Kälte die Trunkenheit zu löschen. Schon die Namen mancher Pflanzen, welche die Alten aufgelegt hätten, bewiesen ihre Kenntniß von deren Wirksamkeit. Den Nußbaum hätten sie Karya genannt, weil er einen schweren, betäubenden (xaqwτixóv) Hauch von sich gebe, welcher die unter ihm Gelagerten schädige u. s. w.

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Wegen ihrer Bekanntschaft mit den Kräften der Pflanzen hätten die Alten beim Trinken Kränze angelegt, denn die Aushauchungen der Blumen befestigten den Kopf wie eine Burg zur Vertreibung der Trunkenheit... die Kränze von Veilchen und Rosen hätten etwas Zusammenziehendes und unterdrückten durch ihren Geruch die Kopfschmerzen. Die Kyprosblüthe, der Krokos, die Bakkaris führe Diejenigen, welche getrunken hätten, zu einem angenehmen Schlafe hinüber. Es sei aber nicht zu verwundern, wenn die Ausdünstungen der Kränze eine solche Kraft hätten, denn ,,man erzähle, daß sogar der Schatten des Taxus (ouiλaxos) Menschen, welche unter ihm schliefen, tödte zur Zeit, wo er am meisten in Kraft stehe und Blüthen treibe."1) Auch der Geist im Hamlet erzählt, im Schlafe umgebracht worden zu sein, und zwar durch Hebenon, was mir zu beweisen scheint, daß Shakespeare die Anregung zu der auffallenden Art und Weise, wie er den alten Hamlet beseitigen läßt, aus dieser Stelle des Plutarch erhielt. Wenn der Dichter gelesen hatte, daß schon im Schatten des Eibenbaumes schlafende Menschen durch dessen Ausdünstungen getödtet werden könnten, so lag ihm gewiß der Gedanke nahe, daß der Saft desselben Baumes, wenn nicht mit größerer, so doch mit gleicher Energie wirken müsse, wie dessen bloße Ausdünstung. Auch mußte ihm nach der Stelle des Plutarch für wesentlich erscheinen, daß der Saft einem Schlafenden in das Ohr gegossen wurde; denn der griechische Schriftsteller sagt nichts davon, daß auch Menschen, welche wachend im Schatten des Eibenbaumes zubringen, Gefahr liefen.

Auf diese Weise erhalten wir eine Erklärung für die sonderbare Vergiftungsart im Hamlet. Wir können bei Shakespeare gewiß sein, daß er nicht als Todesursache eine Einwirkung gewählt haben wird, von deren Absurdität er überzeugt war, da er sich

1) ἱστοροῦσι γὰρ, ὅτι καὶ σκιὰ σμίλακος ἀποκτίννυσιν ἀνθρώπους ἐγκαταδαρ θόντας . . .

doch überall sonst bestrebt, der Naturwahrheit so nahe wie möglich zu kommen. Die Stimme des Plutarch war ihm aber Autorität genug und seinem Beispiele folgend, schrieb er dem Eibenbaume eine Wirkung zu, die keine der uns bekannten Pflanzen besitzt. Ihm war jedoch die bloße Angabe, daß der Saft den Schlafenden tödte, nicht genug; er schmückte die Wirkung desselben noch besonders aus und nahm zu seinem Vorbilde hierbei, wie ich schon ausgeführt habe, die Folgen der syphilitischen Blutvergiftung.

Plutarch ist übrigens nicht der Einzige, welcher dem Eibenbaume eine so wunderbare Kraft zuschreibt. Plinius (Hist. nat. Lib. 16, 20) spricht weitläufiger über den Taxusbaum und sagt, da seine Beeren besonders in Spanien ein tödtliches Gift führten, und daß in Gallien aus Taxus gefertigte Weingefäße Tod bringend erfunden worden seien. Sextius sage, daß der Taxus von den Griechen smilax genannt werde und daß er in Arkadien ein so heftiges Gift besitze, daß Diejenigen, welche unter ihm schlafen, oder Speise einnehmen, sterben müßten. Manche seien deshalb geneigt, die Benennung der Gifte als taxica hiervon abzuleiten, welche man jetzt toxica nenne, weil die Pfeile damit vergiftet würden. Auch Cäsar erzählt (de bello Gallico) einen Selbstmord durch Taxus, der viel in Gallien wachse. Indessen will ich nicht verschweigen, daß nach Plinius (Lib. 25, 17) das aus den Samen des Bilsenkrautes bereitete Oel den Verstand angreift, wenn es in die Ohren gegossen wird.1) Die Angaben des Plinius wurden. von den medizinischen Autoren bis in die neuere Zeit nachgeschrieben und galten als Evangelium, so daß Shakespeare auch von dieser Quelle aus auf den Gedanken gekommen sein kann, den Mörder das Gift in das Ohr seines Opfers gießen zu lassen. Daß dieses Oel hierbei tödtlich wirke, giebt Plinius jedoch nicht an, und wir wissen, daß es so gut wie unschädlich bei solcher Anwendung ist.

Die Giftigkeit des Eibenbaumes, jedoch unter dem Namen yew, berührt Shakespeare noch einmal in Richard II. m, 2:

Selbst deine Pater lernen ihre Bogen

Von Eiben, doppelt tödtlich, auf dich spannen.

Der Ausdruck of double-fatal yew bezieht sich darauf, daß nicht nur die vom Bogen geschossenen Pfeile verderblich wirken; der Bogen selbst ist gefährlich, da er von Eibenholz ist.

1) Et oleum fit ex semine, ut diximus, quod ipsum auribus infusum tentat

mentem.

Auch unter den Substanzen, welche die Hexen im Macbeth (IV, 1) in die poison'd entrails ihres Kessels werfen, sind Eibenzweige, bei Mondfinsterniß abgeschnitten1), und nur Schierlingswurzel) begleitet dieselben. Beide sind hier also die einzigen Vertreter des Schädlichsten aus dem Pflanzenreiche, welches sich Shakespeare gewiß mit einigem Nachdenken zusammensuchte, während die Liste des Schrecklichen aus dem Thierreiche, welches die. Hexen zu ihrem Zaubergebräu benutzen, weit reichhaltiger ist. Hätte der Dichter andere Pflanzen für giftiger gehalten, würde er sie gewiß hier angebracht haben. Was er im Sinne hatte, wo der Mörder des Schauspiels im Hamlet (III, 2) dem alten schlafenden Könige Gift in das Ohr gießt, wird nicht näher bezeichnet. nennt es eine Mischung von mitternächt'gen Kräutern:

Thou mixture rank, of midnight weeds collected.

Er

Auch die Eibenzweige der Hexen im Macbeth sind bei Nacht und Finsterniß gesammelt, und auf diesen Umstand bezieht sich das midnight weeds ebenfalls, weil der Thau der Nacht besondere. Kräfte geben sollte. Daß auch Eibenbaum unter der Mischung des Mörders im Schauspiel sich befinden soll, ist mir wahrscheinlich. Vom Bilsenkraut (hyoscyamus: henbane), sowie daß die Giftigkeit desselben dem Dichter besonders bekannt und auffallend gewesen sein solle, habe ich keine streng beweisende Stelle in seinen Dramen finden können.

IV. Shakespeare's Grab.

(Athaeneum No. 2956.)

Mr. Macray entdeckte kürzlich in der „Bodleian Library" einen alten Brief von einigem Interesse in Bezug auf Shakespeare. Mr. Halliwell-Phillipps hat denselben abgedruckt und einige Bemerkungen hinzugefügt, denen wir das Folgende entnehmen. Das Manuskript ist ohne Datum, aber „daß es gegen Anfang Dezember 1694 geschrieben wurde", bemerkt Mr. Macray, „geht aus einem der folgenden Briefe hervor, der von Lichfield, 2. Januar 1694/5, datirt ist."

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Frühe traditionelle Notizen über Shakespeare sind sehr selten. Die Nachforschungen in den zahlreichen englischen Archiven haben bis jetzt nur vier Manuskripte dieser Art aus dem 17. Jahrhundert zu Tage gefördert, und die obige Entdeckung fügt ein fünftes hinzu. Es ist das einzige, in welchem eine leise Andeutung von den Gefühlen des großen Dichters zu finden ist.

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Bemerkenswerth ist, daß man Sorge trug, des Dichters Grab heilig zu halten; denn obwohl die von Hall (im unten stehenden Briefe) gegebenen Maße übertrieben sein können Zahlen sind in solch alten Notizen am meisten Irrthümern unterworfen kann doch in keiner Weise Hall's Angabe bezweifelt werden, daß das Grab von außergewöhnlicher Tiefe gewesen sei. Man muß sich daran erinnern, daß zu der Zeit, als der Brief geschrieben wurde, die Nachkommen der Shakespeares noch in Stratford-onAvon lebten, unter ihnen George Hart, dessen Vater persönlich mit dem Dichter und seiner Familie bekannt gewesen war.

Hall's Brief ist auch in anderer Beziehung interessant. Vor seiner Entdeckung war die älteste Notiz darüber, daß Shakespeare's Wünsche bezüglich seines Grabes durch eine Erinnerung an das Beinhaus hervorgerufen worden seien, eine Bemerkung vom Juli 1777, gelegentlich eines Besuches in Stratford-on-Avon: „An der Seite des Altarraums ist ein Beinhaus, das mit menschlichen Gebeinen, Schädeln etc. beinahe angefüllt ist; der Führer sagte, Shakespeare sei von diesem Beinhause so erschüttert worden, daß er seine Grabschrift verfaßte, um zu verhindern, daß auch seine Gebeine hineinkämen."

Der folgende Auszug, den wir mit Genehmigung Mr. Halliwell's veröffentlichen, enthält die wichtigsten Abschnitte des Briefes:

„Dear Neddy, -I very greedily embrace this occasion of acquainting you with something which I found at Stratfordupon-Avon. That place I came unto on Thursday night, and the next day went to visit the ashes of the great Shakespear which lye interr'd in that church. The verses which, in his lifetime, he ordered to be cut upon his tomb-stone, for his monument have (sic) others, are these which follow:

Reader, for Jesus's sake forbear

To dig the dust enclosed here;

Blessed be he that spares these stones,
And cursed be he, that moves my bones.

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