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Fensters, sondern auf die nach Süden zeigende Bretterwand des Häuschens, zur linken Seite des. gleichfalls nach dieser Himmelsrichtung gelegenen Fensters gesetzt. Das Lied selbst ist in deutschen Schriftzügen niedergeschrieben.

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Wer je einmal das herrliche kleine Gedicht las, der fann es wohl nimmer wieder vergessen. Was giebt es aber auch Höheres, Unfaßbareres für den menschlichen Geist als den Ewigkeitsgedanken, der jenes Lied geheimnißvoll durchweht? Wie eine Stimme aus Himmelshöhen schmeicheln die Worte sich in's Herz, demselben Ruhe und Frieden bringend.

Wer fühlte nicht, daß durch den tiefen Klang des oft wiederholten,,U", wo von der Ruhe die Rede ist, die Stille des Schlummers ausgedrückt werden soll, während das helle „A“ in Warte",,,balde" den Jubelton der hoffnungssicheren Verheißung in sich trägt?

,,Wand'rers Nachtlied."

Stellen wir uns unter dem Wanderer den Menschen vor, der nach höherem Rathschluß seine Pilgerlaufbahn hier auf Erden vollenden soll. Glänzende Hoffnungen, bittere Enttäuschungen helle Freude und brennendes Weh in stetem Wechsel erhalten ihn in ununterbrochenem Kampfe, der seine Kraft nach und nach verzehrt und ihn ermüdet, so daß er sich sehnt, auszuruhen von Freud' und Leid.

Da naht die Nacht, der kein Erwachen hienieden folgt, und Gedanken froher und zuversichtlicher Ahnung durchziehen und bewegen die hoffende Seele. Das Nachtlied ist das Hohelied der ewigen Glückseligkeit, welches das Nahen des großen Morgens nach kurzem Schlummer preist.

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Ruhe! Ruhe folgt allem Kämpfen und Ringen; Ruhe befriedigt alles Wünschen, Hoffen und Sehnen und stillt alle schmerzlichen Empfindungen. Wo aber winkt wahre Ruhe? Ueber allen Gipfeln, d. h. im Jenseits, wo die Unendlichkeit beginnt, die kein Auge und kein Gedanke zu durchspähen und zu ergründen vermag. Die Erde kann uns diese vollkommene Ruhe nicht bieten ihr ward nicht die ewige Beständigkeit zu Theil.

„In allen Wipfeln Spürest Du

Kaum einen Hauch.

Die Vögel schweigen_im_Walde.“

Scheinbar umgiebt uns auch hier auf Erden manchmal eine Ruhe, die kaum von einer Bewegung unterbrochen wird. Und doch wer hätte je ein irdisches Glück kennen gelernt, dem der leiseste, wenn auch fast nur geahnte Mißklang fehlte? Auch das anscheinend glücklichste Herz muß schließlich gestehen,

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daß es Augenblicke kennen lernte, in denen es zweifelte an aller Freude dieser Welt, und wenn eine Wolke auch nur darüber hinfuhr wie „ein Hauch“, so genügte der, den empfindsamen, klaren Spiegel des Glücks zu trüben. „Die Vögel schweigen im Walde", und deshalb ist es wohl still in den Wipfeln, aber unter denselben ist noch reges Leben, zum Zeichen, daß die Ruhe auf Erden nur eine bedingte, theilweise ist.

„Warte nur, balde

Ruhest Du auch!“

Leid oder Freud'

Was uns hier auch treffen mag die ewige Ruhe winkt uns allen einmal. Das,,Warte nur" klingt wie eine fröhliche Verheißung, die uns vor Verzweiflung und dumpfer Ergebung bewahren soll durch alle Prüfungen des Lebens, die ein höherer Wille über uns verhängt hat. Warten wir, so harren wir des Eintritts guter Dinge und das verleiht den Stunden Flügel. Wie kurz oder lang auch das Leben eines jeden hier sei, im Hinblick auf die Ewigkeit ist es doch nur eine kurze Spanne Zeit, die gar schnell zu Ende geht. Jedem wird die ewige Ruhe der Seligen zu Theil, der nur recht zu warten weiß.

Nahezu ein halbes Jahrhundert war seitdem verflossen. Da trieb es den großen Sänger, noch einmal alle ihm lieb gewordenen Stätten aufzusuchen, bevor auch er den Schritt zum düsteren Katafalk lenken mußte. In Begleitung seiner Enkel Walther und Wolfgang v. Goethe traf er am 26. August 1831, zwei Tage vor seinem auf den 28. dess. Monats fallenden Geburtstage, um der Weimarischen Feier desselben auszuweichen, zu einem sechstägigen Ausfluge in Ilmenau ein. Die Bewohner des Städtchens erwiesen ihm außerordentliche Huldigungen, indem sie ihm ein Ständchen brachten, Gedichte überreichten und ein Festessen veranstalteten. Besonders rührte ihn ein Bergmannspiel, mit dem er zur Erinnerung an die

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Wiederbelebung des Ilmenauer Bergbaues gefeiert wurde. Es freute ihn, den Enkeln die Lichter zu zeigen, die bei Tag und Nacht im ganzen Jahr unter der Erde leuchten und wirken, und die Finsterniß versteckter, kaum erreichbarer irdischer Schäße begünstigen." Auch sorgte er dafür, daß die Knaben Kohlenbrenner an Ort und Stelle sahen. Leute, die das ganze Jahr weder Brot, noch Butter, noch Bier zu sehen kriegen und nur von Erdäpfeln und Ziegenmilch leben. Andere, wie Holzhauer, Glasbläser, sind in ähnlichem Falle, aber heiterer als Unsereiner, dessen Kahn sich so vollgepackt hat, daß er jeden Augenblick fürchten muß, mit der ganzen Ladung unterzugehen."

In Gemeinschaft mit dem Oberforstmeister v. Fritsch aus Weimar und dem damaligen Rentamtmann, späteren Bergrath Mahr aus Ilmenau besuchte Goethe alle seine Lieblingsplätzchen in der Umgegend. Am 27. August 1831, am Tage vor seinem 82. und letzten Geburtstage, begab er sich, so wird erzählt, aus dem Gasthof zum goldenen Löwen,* nur von Herrn Mahr begleitet, durch eine Hinterthür zum Wagen, der ihn auf die Höhe des Kickelhahn's fuhr. Dort stieg er aus und schaute entzückt in das anmuthige Thal hinab, das durch so manche frohe Erinnerung geweiht war. Ach", rief er aus, „wenn das doch unser guter Großherzog (Karl August) noch einmal hätte mitgenießen können!" (Lewes.) Dann schritt er feierlich, die Hände auf den Rücken gelegt, nach dem Häuschen, in welchem vor 48 Jahren das Abendlied geboren worden Wie damals stand der kleine Bau im Schatten der duftigsten Tannen, und das Rauschen und Brausen in den

war.

* Das_am_Nordende der Lindenstraße zu Ilmenau nahe der Post gelegene „Hôtel zum Löwen“ (Besizer: Richard Klett) enthält im ersten Stock rechts das „Goethezimmer“ (Nr. 1), in dem der Dichter bei seinem dortigen Aufenthalt im Jahre 1831 gewohnt hat. Die Fensterbrüstung dieses Zimmers liegt 487,26 m (1500') über dem Meere.

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Wipfeln kam wie ein Gruß aus der Ferne. Goethe trat ein, und als er des Liedes neben dem Fenster ansichtig wurde, rollten reichliche Thränen ihm über die Wangen: ihn übermannte jest wiederum jene Stimmung, unter deren Einfluß er damals seine tiefe Sehnsucht in den unerschöpflich tröstlichen Worten des Nachtgedichtes ausgehaucht hatte. Tief bewegt und die Thränen trocknend, wiederholte er laut die lezten Worte vor sich hin: „Ja, warte nur! Balde ruhest Du auch!" Er hatte wahrgesagt.

In einem Briefe an seinen Freund Karl Friedrich Zelter (1758-1832, Direktor der Singakademie zu Berlin) vom 4. September 1831 erklärte Goethe, wie er sich der öffentlichen Feier seines Geburtstages entzogen und sechs Tage, und zwar die heitersten des ganzen Sommers, in Ilmenau zugebracht habe: „Auf einem einsamen Bretterhäuschen des höchsten Gipfels der Tannenwälder rekognoscirte ich die Inschrift vom 7. (?) September 1783, des Liedes, das Du auf den Fittigen der Musik so lieblich beruhigend in alle Welt getragen hast: Ueber allen Gipfeln ist Ruh' 2c."

Wenigen dürfte es bekannt sein, daß unseren Dichterfürsten auch die Schönheiten des etwa 5 km westnordwestlich von Ilmenau belegenen Gothaischen Dorfes Elgersburg besonders fesselten.

Schon im Jahre 1776 (8. August) hat der junge Goethe, als er sich einige Wochen mit dem Herzoge in verschiedenen Gegenden des Thüringerwaldes aufhielt, auf dem Todtenstein folgende Verse an Frau v. Stein gedichtet:

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