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ruhen und neues Leben aus ihrem Pulsschlag zu schöpfen. Aber auch Karl August, Knebel u. A. haben während der Jagdzeit die Nacht in dem Häuschen zuweilen zugebracht.

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Am südwestlichen Abhange des Kickelhahn's ragt der große Hermannstein, ein stattlicher, aber schwer zugänglicher Porphyrfels, empor. In einer Grotte am Fuß desselben befindet sich eine eiserne Gedenktafel, welche der Großherzoglich Sächsische Bergmeister a. D. Herr Mahr vor einigen Jahren hat anbringen lassen. Dieselbe enthält die nachstehenden, hier verfaßten Distichen Goethe's an Charlotte v. Stein:

,,Was ich leugnend gestehe und offenbarend verberge,

Ist mir das einzige Wohl, bleibt mir ein reichlicher Schaz.
Ich vertrau' es dem Felsen, damit der Einsame rathe,
Was in der Einsamkeit mich, was in der Welt mich beglückt."

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Goethe sandte diese Verse der Frau v. Stein aus Eisenach am 23. Juni 1784 mit der Bemerkung, daß er vorgehabt, sie ,,in irgend einen Felsen einhauen zu lassen“, und sinne, wo er sie anbringen solle.

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Bereits am 22. Juli 1776 schrieb der Dichter von dieser Grotte aus, seinem geliebten Aufenthalt, wo er wohnen und bleiben möchte", an seine Freundin: Es bleibt ewig wahr, sich zu beschränken, Einen Gegenstand, wenige Gegenstände recht bedürfen, sie auch recht lieben, an ihnen hängen, sie auf alle Seiten wenden, mit ihnen vereinigt werden; das macht den Dichter, den Künstler - den Menschen!" Diese am längsten und leidenschaftlichsten geliebte Frau hat den Meister manches Mal nach Ilmenau begleitet; unvergeßlich blieben ihm die mit ihr in der Grotte verbrachten Stunden. Leider hat eine frevle Hand dem lebenden Felsen jener Höhle das Gestein abgestemmt, in welches Goethe zur Erinnerung an Frau v. Stein eigenhändig ein S gemeißelt hatte.

Auf dem östlichen Theile des Hermannstein's sind noch jezt die letzten spärlichen Ueberreste einer kleinen Burg zu sehen, die vor Jahrhunderten hier gestanden hat; sie soll als Raubnest unter Rudolf von Habsburg zerstört worden sein. Früher führte von Kammerberg aus die Landstraße hier vorüber bis zur sog. hohen Tanne, wo jene in die dortige Straße einmündete. Der Fuß des Hermannstein's, an dessen steilen Abhängen übrigens die Maiblumen wunderbar üppig gedeihen, ist auf der Ostund Nordseite von einem mit Kalk- und Ziegelstücken untermischten Trümmerfelde umgeben, das vermuthlich von der früheren Burg herrührt.

In der Nähe von Ilmenau liegt ferner noch der Schwalbenftein, eine Felsparthie, von der sich ein hübscher Blick in's Manebacher Thal darbietet. Man gelangt zum Schwalbenstein, indem man vom Felsenkeller aufwärts zur Wenzelshöhe und am Bergabhange links entlang bis zum Sophienthal geht, von

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da aber stetig emporsteigend an der Berthaquelle vorüber zumeist im Waldesschatten seinen Weg fortsett.

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Die Vollendung des Drama's erfolgte bereits am 28. März desselben Jahres. Das damalige Häuschen wies später eine Inschrift nachstehenden Inhalts auf:

,,Schwalbenstein bei Ilmenau. Sereno die, quieta mente schrieb ich nach einer Wahl von drei Jahren den vierten Akt meiner Iphigenie an einem Tage."

Professor Dünger bestreitet allerdings die Richtigkeit dieser Notiz; er hält Jahren" für einen Schreibfehler statt ,,Tagen", behauptet, der Dichter habe nach dreitägiger Wahl eines dazu geeigneten Plazes den vierten Auf

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zug der Iphigenie" in ununterbrochener Folge auf dem Schwalbenstein geschrieben, und verwirft die seiner Meinung nach nur auf jene Notiz sich gründende Vermuthung, daß Goethe die Grundzüge der Iphigenie vielleicht schon 1776 entworfen habe.

Das Häuschen selbst ist vom Sturm des öfteren wegge= weht, immer aber wiederhergestellt worden. Das jetzige, mit eisernen Ankern am Felsen befestigte Häuschen wurde aus den Mitteln des Verschönerungsvereins zu Ilmenau neu aufgebaut und auf Veranlassung des langjährigen Vorsitzenden desselben, des Großherzoglich Sächsischen Oberamtsrichters Herrn Schwanit, mit obiger Inschrift von neuem versehen. —

Im Jahre 1783 traf Goethe am 30. August zu Pferde in Ilmenau ein. Wiederum zog er sich in das Bretterhäuschen auf dem Kickelhahn zurück, um dort ganz dem Fluge seines Geistes nachgehen zu können. Vom 2./3. September übernachtete er in dem Bretterhäuschen. Jetzt war er dort wieder allein und seine Seele, wie es so trefflich über seine Stimmung heißt, fühlte sich Eins mit der Seele, welche die Natur durchströmt. Eine,Wonne der Wehmuth' kam über ihn, und der Gedanke, an dieser friedlichen Stätte einst zum ewigen Frieden einzugehen, mochte ihm wie ein milder Segen erscheinen." Es war schon spät am Abend, eine feierliche Stille herrschte rings in der Natur. Der Mond goß sein silbernes Licht hernieder; da trat der Dichter an das Fenster, und wehmüthig ergriffen von der Aussicht auf die endlosen, bewaldeten Berghäupter des Gebirges, damals konnte der Blick noch gen Süden und Südwesten über die Gipfel der jezt herangewachsenen Fichten hinausschweifen schrieb er beim Nachtlicht an eine rohe Holzwand der Oberstube des Häuschens mit Bleistift die überaus zarten, weihevollen Verse nieder:

P

,,leber allen Gipfeln
Ist Ruh'.

In allen Wipfeln
Spüreßt Du

Kaum einen Hauch.

Die Vögel* schweigen im Walde;

Warte nur, balde

Ruhest Du auch !“

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Ein rührendes Lied, welches das Herz mit unvergänglichem Zauber erfüllt und das die deutsche Dichtkunst seitdem als eine ihrer köstlichsten Perlen bewahrt! Die sanfte Wehmuth eines Gemüths", sagt G. H. Lewes („Goethe's Leben und Schriften", überseht von Frese), das sich in die Stille der Natur auflöst, spricht zart und rührend aus diesen Zeilen; . sie haben uns das Wunder erleben lassen, daß ein Lied des Heiden Goethe zu einem Abendliede christlicher Kreise geworden ist." In den Gedichtsammlungen wird es „Wand'rers Nachtlied" oder „Auf dem Thüringerwald“, ** auch wohl kurzweg „Nacht- oder Abendlied“ benannt. Uebrigens hat der Altmeister die Verse nicht wie es in manchen Reisehandbüchern heißt auf die Holzbekleidung eines

* Nicht „Vögelein", wie es in den von Goethe später veranstalteten Ausgaben seiner Gedichte heißt (erster Druck 1815).

** zum Unterschied eines anderweiten, von Goethe an Frau v. Stein gerichteten, gleichfalls „Wand'rers Nachtlied“ bezeichneten Gedichtes, das am 12. Februar 1776 am Hang des Ettersberg's verfaßt worden ist und also lautet:

,,Der Du von dem Himmel bist,

Alles Leid und Schmerzen stillest.
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest,
Ach, ich bin des Treibens müde!

Was soll all' der Schmerz und Lust?
Süßer Friede!

Komm, ach komm in meine Brust!"

、,81,

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