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Der Kickelhahn, der höchste Punkt im Großherzogthum Sachsen, erhebt sich der Sturmhaide gegenüber am rechten Ufer der Ilm und ist 863,42 m (2658′) hoch. „Der Waldbestand des den Kickelhahn zunächst umgebenden Ilmenauer Oberrevieres besteht vorzugsweise aus Fichten, denen sich die Buche in untergeordnetem Mischungsverhältniß und die Tanne einzeln eingesprengt beigesellen. Die Wildgattungen, welche das Ilmenauer Oberrevier zur Zeit noch bewohnen, sind der Edelhirsch (cervus elaphus), das Reh (cervus capreolus), der Hase (lepus timidus), der Auerhahn (tetrao urogallus), von den Raubthieren der Fuchs (canis vulpes) und der Buchmarder (mustela martes). Sie sind nur noch ein schwaches Ueberbleibsel von dem früher unter dem Herzoge Ernst August und dem Großherzoge Karl August hier gehegten Wildstande." (Heiße.)

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Der Gipfel des Kickelhahn's (oft auch „Kückelhahn“, ,,Gickelhahn“ oder „Gückelhahn“, selbst,,Küchelheyer" geschrieben) ist in ungefähr 25 Minuten zu erreichen, indem man nordwestlich vom Gabelbach einen breiten Waldweg einschlägt, welcher zunächst nach einem von Ernst August († 1748) erbauten, mit Schiefer gedeckten Jagdhaus, dem „alten“ oder großen Gabelbach", dem einstigen Lieblingsaufenthalt des Großherzogs Karl August († 1828) führt. In diesem schmucklosen Waldhause, welches aus dem Erdgeschoß und einem Stockwerk besteht, einen hübschen Saal, mehrere Zimmer und eine Küche in sich schließt, hat auch die jeßige erlauchte Großherzogin Sophie wiederholt wochenlang (zuleht im Jahre 1873) Quartier genommen; seitdem ist dasselbe unbewohnt geblieben. Von hier aus gelangt man alsbald zu dem 24 m (73′) hohen massiven Aussichtsthurme. Letterer wurde 1854 auf Kosten der Gemahlin Karl Friedrich's, der Großherzogin-Großfürstin Maria Paulowna, Kaiserliche Hoheit († 1859), der Mutter unserer Kaiserin Augusta, errichtet und am 12. Mai 1855

eingeweiht, ist 107 Stufen hoch und bietet von seiner Plattform und seinen vier Altanen aus eine herrliche, geradezu berühmt gewordene Rund- und Fernsicht über die waldigen Gipfel des Gebirges bis in die weiteste Ferne.

Die Herstellungskosten des Thurmes

beliefen sich auf

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an Merten († 28.
März 1884), welcher
wegen seiner um-
fassenden Lokal-
kenntniß und jovi-
alen Sinnesweise
bei allen Reisenden
wohlgelitten und im
Sommer oben im-
mer anzutreffen war,
erklärte bis zum
Herbst 1883 mit

Hülfe seines sicheren
Wiener Fernrohrs

Der Thurm auf dem Kickelhahn.

die nahe und ferner gelegenen Punkte. Der weithin bekannte Mann erreichte ein Alter von nahezu 73 Jahren. Mit ihm ist ein Stück Geschichte des Thüringerlandes geschieden. Der Forstaufseher Brommer auf Gabelbach ist Merten's Nachfolger geworden.

Im Blau des Hintergrundes erhebt sich der Kyffhäuser, der Brocken, der Ettersberg, der Schneekopf, der Inselsberg, und in der blühenden Ebene, vom Tannendunkel umrahmt, schweift der Blick über die Pfade, welche, um mit Goethe zu

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reden, Gott gesegnet hat. Unwillkürlich drängt sich hier das tief empfundene Wort der Sophie Brentano:

,,Laß an Deine Mutterbrust mich sinken,

Heil'ge Erde, meine Schöpferin!

Deines Lebens Fülle laß mich trinken,

Jauchzen, daß ich Dein Erzeugter bin!"

auf unsere Lippen.

Nähere Beschreibung der Aussicht.

Vor uns liegt ein liebliches landschaftliches Bild, inmitten desselben das anmuthige Bergstädtchen Ilmenau, dessen freundliche Häusermenge sich halbmondförmig, von Süden nach Norden aufsteigend, um den östlichen Fuß der Sturmhaide lagert. Im weiteren Kranze umgeben es die friedlichen Dörfer des Amtsbezirks, vor allen Unter- und Oberpörlig, der Grenzhammer. Weiter hinüber liegt des Ehrenberg's anmuthige Berggestalt mit seinen botanischen und mineralogischen Merkwürdigkeiten. Dann folgt das breite Wiesenthal von Langewiesen und Amtgehren und der dunkle Teppich des Eichicht- und Asbachwaldes, dahinter die Gegend von Königsee, der dunkle ausgedehnte Forst von Paulinzelle, der schönsten Klosterruine Thüringens, die Waldungen bei Schwarzburg, die Cursdorfer Kuppe am Schwarzathale, und weiter dem Kamme des Gebirges zu die Vorwarte des Thüringerwaldes, der Langeberg bei Gehren und der Burzel bei Gillersdorf, und dann der schöngeformte Brandskopf beim Dorfe Möhrenbach. Des Singerberg's kahler Scheitel zeigt die Richtung des Ilmthales mit seinen freundlichen Ortschaften, darunter Stadtilm mit der hohen Thurmbrücke. Ferner erblicken wir die Fortsähe der Ilmberge und die Kalme bei Dienstädt. Mehr links treten die Waldungen bei Kranichfels, sein stattliches oberes Schloß und die Ruinen des niederen Schlosses, sowie der Berkaische Steiger dem spähenden Auge entgegen. Weiter rechts die Saalgebirge mit ihren kahlen Böschungen. dann der alte Greifenstein bei Blankenburg, die Wiege eines deutschen Kaisers, und in grauer Ferne, aber doch erkennbar, die Leuchtenburg bei Kahla, ein gut erhaltenes Schloß, bis 1869 Strafanstalt, jezt Restauration. Dann mehr nach Norden wird die Ebene am Steiger bei Erfurt mit ihren gesegneten Dorfschaften, das Waldschlößchen am Steiger und der langgestreckte Rücken des Ettersberg's bei Weimar, sowie der Fuchsthurm bei Jena deutlich sichtbar. Weiter herüber,

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doch in nebliger Ferne, zeigen sich die Burg Beichlingen, die Finne, die Schmücke bei Frankenhausen, die beiden alten Sachsen: burgen, die Wächter des Unstrutdurchbruches, und der sagenumwobene Kyffhäuser. Tief unten am Horizonte, in grauer Ferne, tauchen die Waldberge des Harzes auf, vor allen der greise Vater Brocken, und vorn zeigt sich der lange Höhenzug der Hainleite mit dem Possen bei Sondershausen. Links aber, nach Nordwesten, breitet sich die Ebene des Gothaischen Landes vor dem forschenden Auge aus: die drei Gleichen mit ihren gut erhaltenen Burgtrümmern, von denen die Wachsenburg noch gegenwärtig bewohnt wird, der große und kleine Seeberg, die freundlichste Stadt Thüringens, Gotha, mit ihrem zweithürmigen Friedenstein, der vom heil. Bonifacius gegründete Ort Ohrdruf und der sargförmige Hörselberg mit seinem von der Sage gekrönten Gipfel stellen sich theils deutlich, theis nur in zarten, nebligen Umrissen vor das Auge des Beschauers. Rechts davon die Thürme der ehemaligen Festung Erfurt. In größerer Nähe zieht sich das Gerathal von Gera herunter nach Plaue; hier zweigt sich die neue Eisenbahn ab, die von Erfurt durch den Brandleite-Tunnel über Suhl nach Ritschenhausen gebaut und welche die kürzeste Verbindung zwischen Berlin und Straßburg i. E. herstellen wird. Eine lange Gruppe kahler Berge steigen wie Meereswellen aus den grünen Gründen: der Berg der sog. Kammerlöcher bei Angelroda, der kräuterreiche Veronikaberg bei Martinroda und die alte Reinsburg mit ihren Felsen und spärlichen Mauerresten, umgeben von kahlhäuptigen Nachbarn; das alte Städtchen Plaue,,,gar lustig von Bergen umgeben“, mit der Ruine Ehrenburg und der daneben liegenden Kapelle, davor Neusis, sowie die herrliche Thalausmündung bei dem freundlichen Arnstadt, sind die vorzüglichsten Punkte dieser Richtung. Doch nach Westen und Süden hin wird das schauende Auge bei weitem nicht so in die Ferne getragen, wie es nach Nord und Oft der Fall war. Die große Anzahl der schwarzbewaldeten Berge liegt theils unter uns, theils aber auch höher, die größere Fernsicht verdeckend. Im fernen Westen taucht der in Thüringen so weit gesehene Inselsberg mit den beiden Gasthäusern auf seiner Spize majestätisch empor, dann der Schneekopf, steil abfallend nach Norden, mit seinem schlanken Thurme; daneben, durch den Schmückegraben getrennt, der Beerberg mit mächtigen, dunkeln Waldböschungen, und herab nach Norden der Hochwartskopf und der Heidelberg bei dem Badeorte Elgersburg. Des Finsterberg's

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ernste Gestalt (zwischen Ilmenau und Suhl) erhebt sich aus dem hochromantischen Thale der Freibäche als ein Hochwächter der Jlm,,,an deren Ufern die Poesie wohnt“, und sein schön abgerundeter, herrlich bewaldeter Nachbar, der Sachsenstein mit den Quellen der Gera. Auch einige Häuser des Dorfes Gehlberg, eines der höchsten bewohnten Orte des Thüringerwaldes (663 m), treten aus des Waldes Dickicht freundlich hervor. Nach Süden gewahren wir zahlreiche Thaleinschnitte, mehrfach sich biegend und windend; nur tief unten öffnet sich eine kleine Bergespforte in das Land der Franken, und die mit Laubholz bewaldeten Basaltkuppen der Eleichberge bei Römhild werden deutlich sichtbar. Etwas weiter links, tief am Horizonte, fast in mattem Blau verschwimmend, erschauen wir Coburg's stattliche Feste, an historischen Erinnerungen so reich, den Kahlenberg mit seinem Schlosse, und ganz links über dem südöstlichen Waldund Bergmeere erhebt sich der felsenreiche, dicht bewaldete hohe Culm bei Lobenstein, der Schlußberg des Frankenwaldes und somit des ganzen Thüringer Waldgebirges. In nächster Nähe, fast unter unseren Füßen, liegt der kegelförmige, mit Fichten bestandene Lindenberg, der freundliche Hüter der Bergstadt Ilmenau, der Gabelbachskopf, die hohe Schlaufe, dem Felsenkeller bei Ilmenau gegenüber, die Sturmhaide, der Höllenkopf, der Erbskopf und die Schlangenwindung des Manebacher Thales.

(Arthelm, „Der Kickelhahn bei Ilmenau“, 1855, S. 33/37.)

Unweit des Thurmes und des daneben befindlichen Wärterhäuschens, nach Nordwesten, stand unter Waldesschatten in tiefer Einsamkeit ein von Karl August erbautes, ursprünglich für Jagdzwecke bestimmtes, kleines hölzernes, thurmähnliches Pirschhaus, das „Goethehäuschen“ genannt. Dasselbe, einer Hütte gleich und wohnlich eingerichtet, bestand aus einem Raume, dessen Decke auf Balken ruhte; eine Stiege führte nach oben in ein mit drei Fenstern versehenes Gemach. In dieser Waldeinsamkeit hat der große Dichter oft tagelang geweilt und während dieser Zeit in dem Häuschen übernachtet. Hier verlebte er so manche stille Stunde und freute sich des schönen Blicks in's Thal.

Mit geheimnißvoller Kraft zog es ihn nach dieser Höhe, um gleichsam am Herzen der unberührten Waldesnatur zu

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