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durch Exner und Zimmermann 2, wie es scheint in Oesterreich einer grössern Verbreitung entgegengeht. Da es ausserhalb der Grenzen dieses Werkes liegt, diejenigen zu erwähnen, welche von Herbart aus-, aber über ihn hinausgegangen sind, wie Lotze und, zum Theil wenigstens, Th. Waitz, eben so auch die, auf welche Herbart entschiedenen Einfluss geäussert hat, wie Trendelenburg, Chalybäus, in seinen letzten Schriften Fichte u. A., so sind nur die anzuführen, welche den ursprünglichen Sinn des Systems festgehalten und diesem gemäss die einzelnen philosophischen Disciplinen bearbeitet haben. Da begegnen uns in der Logik und Methodologie ausser Drobisch und Hartenstein deren Werke oben genannt waren, die Namen Bobrik *, Allihn, Waitz, in der Metaphysik ausser Röer, Drobisch und Hartenstein, noch Kern, in der Psychologie Drobisch, Bobrik, Exner, Wittstein u. A. Für die praktische Philosophie zeigen sich Hartenstein, Strümpell, Stephan, Diestel, für die Pädagogik Brzoska, Strümpell, Stoy 10, Taute, Allihn 11 u. A. thätig. Was endlich die Religionsphilosophie betrifft, so bestätigt der Umstand dass Drobisch's und Thilo's 12 verständiger Rationalismus, Diestel's Vertheidigung der Schönherr'schen Lehre und Taute's fast wahnsinnigen Wundererklärungen sich auf Herbart's Metaphysik und Naturphilosophie berufen können, nur was oft gesagt worden ist: dies System gibt, weil es gar keine Theologie hat, eine jede frei.

1) F. Exner, Die Psychologie der Hegel'schen Schule. 2 Hefte. Leipzig 1842. 1844.

2) u. A. R. Zimmermann, Leibnitz und Herbart. Wien 1849.

3) A. Cupr, Seyn ober Nichtseyn der deutschen Philosophie in Böhmen. Prag 1847.

4) Ed. Bobrik, De ideis innatis sive puris Regiom. 1829. Dessen, Freie Vorträge über Aesthetik. Zürich 1839.

Dessen, Neues System der Logik. Ebend: 1838.

5) Antibarbarus logicus von Cajus. Halle. 2. Aufl. 1852.
6) J. H. W. Waits, Die Hauptlehren der Logik. Frankf. 1840.

7) H. Kern, Beitrag zur Rechtfertigung der Herbartschen Metaphysik (gegen Trendelenburg). Coburg 1849.

8) Wittstein, Neue Behandlung des mathematisch - psychologischen Problems von der Bewegung einfacher Vorstellungen. Hannover 1846.

9) H. G. Brzoska, Die Nothwendigkeit pädagogischer Seminare auf der Universität. Leipzig 1833.

10) Stoy, Pädagogische Bekenntnisse. 3 Hefte. 1844-47.

11) F. H. Th. Allikn, Die Grundübel der wissenschaftlichen und sittlichen Bildung in den gelehrten Anstalten des preuss, Staats. Halle 1849.

12) C. A. Thilo, Die Wissenschaftlichkeit der modernen speculativen Theologie. Leipzig 1852.

§. 40.

II. Schopenhauer.

Schopenhauer nimmt mit Kant Zeit und Raum als subjective Formen der Sinnlichkeit, Causalität, auf welche er alle wahren Kategorien reducirt, als subjective Form des Verstandes. Indem er dann alle drei als Species der einen Verknüpfung von Vorstellungen nachweist, die der Satz des zureichenden Grundes formulirt, kommt er zu einem ganz theoretischen Idealismus, dessen Summe er so ausspricht: Die Welt ist Vorstellung. Kant's Begriff vom Dinge an sich und die innere Wahrnehmung, bringen ihn dann weiter zu einer realistischen Ergänzung jenes Satzes, indem er die Welt als Einen Willen fasst, der sich in verschiedenen Natur-Stufen und Gattungen (Ideen) objectivirt, deren unwahre Erscheinungen die Individuen sind. Ideales und Reales wird in theoretischer Weise durch die Kunst vermittelt, welche die Ideen in individuo darstellt. Praktisch erscheint diese Vermittelung in der moralischen Heiligkeit, welche die Versöhnung der Freiheit und Nothwendigkeit ist, und deren Begriff nur vermöge des Kantischen Philosophem's vom intelligiblen Character erfasst werden kann. Sie besteht in der Verneinung des Willens, in Entsagung und Selbstverleugnung. Schopenhauer nennt sich mit Recht Idealist; er kennt nichts als das ἓν καὶ πᾶν, und steht dabei mit Bewusstseyn auf dem Boden des Kantianismus.

1. Arthur Schopenhauer ist am 22. Februar 1788 in Danzig geboren, wo sein Vater einer der angesehensten Kaufleute war. Seine Mutter war die, durch ihre Schriften berühmt gewordene, Johanna Schopenhauer. In sein Knabenalter, fällt ein längerer Aufenthalt in Frankreich und England. Die vertraute Bekanntschaft mit der Sprache und Literatur beider Länder, welche Schopenhauer vor vielen Gelehrten Deutschlands, namentlich vor allen Philosophen auszeichnet, möchte mit diesem Umstande in Zusammenhang stehn. Im J. 1809 bezog er die Universität Göttingen und hörte dort zuerst Vorlesungen über Naturwissenschaften und Geschichte. Die Vorträge G. F. Schulze's (des Verf.

vom Aenesidem) erweckten zuerst seinen Trieb zu philosophiren. Entscheidend wurde dabei Schulze's persönlicher Rath, den Privatfleiss fürs Erste ausschliesslich dem Plato und Kant zuzuwenden, ehe diese bewältigt seyen, keinen Andern, namentlich nicht Aristoteles und Spinoza, anzusehn, ein Rath, den genau befolgt zu haben Schopenhauer nie bereut hat. Im J. 1811 siedelte er nach Berlin über, in der Erwartung einen ächten Philosophen und grossen Geist an Fichte kennen zu lernen; eine Verehrung a priori, welche bald der Geringschätzung und dem Spotte Platz machte, obgleich der Cursus durchgemacht wurde. 1813 bereitete sich Schopenhauer zur Promotion in Berlin vor; der Krieg verhinderte die Ausführung dieses Plans und auf die, ursprünglich für die Berliner Promotion bestimmte, Abhandlung vom Satze des Grundes, ward er in Jena promovirt. Darauf brachte er den Winter in Weimar zu, wo er Göthe's nähern Umgang genoss, der so vertraut wurde, wie es ein Altersunterschied von neun und dreissig Jahren irgend zuliess. Kaum minder als dieser Umgang war von wesentlichem Einfluss auf ihn der Umstand, dass der Orientalist Friedrich Majer ihn in das Indische Alterthum einführte. Vom J. 1814-18 ward in Dresden privatisirt, die Bibliothek und die Kunstsammlungen zu vielseitigen Studien benutzt, und dabei in der schönen Umgebung den eignen Gedanken nachgehangen. In dieser Zeit erschien eine optische Abhandlung 2 gleichsam als eine Episode seines damaligen Strebens, da gerade in dieser Zeit sein System gewissermassen ohne sein Zuthun strahlenweise wie ein Krystall zu einem Centro convergirend so zusammenschoss, wie er es in seinem Hauptwerk niedergelegt hat. Sobald das Manuscript dem Verleger übergeben war, reiste Schopenhauer nach Rom und Neapel (Herbst 1818). Zurückgekehrt, begab er sich im J. 1820 nach Berlin, wo er sich nach erfolgter Nostrification habilitirte. Indess hat er nur während eines Semesters docirt. Schon im Frühling des J. 1822 ging er wieder nach Italien, wo er bis 1825 blieb. Er kehrte dann nach Berlin zurück; der LectionsCatalog enthielt zwar seinen Namen, er las aber nicht. J. 1830 erschien eine für das Ausland berechnete lateinische Ausgabe der Schrift über das Sehen *. Im J. 1831

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1) Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grande. Rudolst. 1813. 2. Aufl. 1847.

2) Ueber das Sehen und die Farben, eine Abhandlung von Arthur Schopenhauer. Leipzig 1816.

3) Die Welt als Wille und Vorstellung. Lpz. 1819. 2. Aufl. in 2 Bden. Ebend. 1844.

4) In: Scriptores ophthalmologici minores ed. Justus Radius. Tom III.

ging er der nach Berlin vordringenden Cholera aus dem Wege, kam nach Frankfurt am Main und blieb daselbst, weil das Klima und die Annehmlichkeit des Ortes ihn ansprachen, und das für einen Mann seiner Art unschätzbare Glück einer stets gesicherten Subsistenz ihm die Wahl des Ortes frei liess. Weder genöthigt für Geld arbeiten, noch ein Amt suchen zu müssen, blieb er im ungestörten Besitz seiner Kräfte und seiner Zeit, und seine Werke entstanden nicht, weil äussere Rücksichten sie hervorriefen. Die Nichtbeachtung seines Hauptwerks und der Ruhm, den der von ihm verachtete Hegel genoss, waren die Hauptgründe eines langjährigen Schweigens der Indignation. Er unterbrach es erst im J. 1836, durch eine kleine Schrift, welche nicht nur die, durch die neusten Forschungen gefundenen, empirischen Belege für die Richtigkeit seiner Metaphysik darlegt, sondern diese selbst, wenigstens ihren Hauptpunkt, den eigentlichen nervus probandi der Sache, gründlicher darlegt, als irgend eine seiner frühern Schriften. Der Umstand, dass im J. 1839 die königl. Norwegische Societät der Wissenschaften zu Drontheim eine von Schopenhauer eingelieferte Preisaufgabe über die Freiheit des Willens krönte und ihn zu ihrem Mitgliede ernannte, machte mehr auf Schopenhauer aufmerksam, als man es bis jetzt gewesen war. Jene Abhandlung, so wie eine andere über das Fundament der Moral, welche durch eine Preisaufgabe der königlichen Societät der Wissenschaften zu Kopenhagen hervorgerufen, aber nicht gekrönt war, und die Schopenhauer gleichzeitig mit der zuerst erwähnten drucken liess, sind offenbar die Sachen von ihm, welche am Meisten, ja fast allein gelesen wurden, während sein Hauptwerk ungerechter Weise ungelesen blieb, und hochstens mit irgend einem banalen Compliment erwähnt ward. Von diesem erschien im J. 1844 eine vermehrte Auflage, in der Art veranstaltet, wie man sie bei jedem wissenschaftlithen Werke wünschen musste in dem ersten Bande nämlich ist das ursprüngliche Werk ziemlich unverändert gegeben. Der zweite Band enthält in einem, die einzelnen Capitel begleitenden, Commentar die Verbesserungen und ausführlichen Begründungen zu dem im ersten Bande Gesagten. Endlich erschien im J. 1847 eine verbesserte Ausgabe seiner, längst vergriffenen, Doctordissertation. Hier ist nun das eben characterisirte Princip bei den Veränderungen nicht befolgt, sondern sie sind in den ursprünglichen Text hineingearbeitet, so dass es jetzt nur durch Vergleichung beider Ausgaben möglich ist zu entscheiden, in wie weit

1) Ceber den Willen in der Natur. Frankfurt a. M. 1836. 2) Die beiden Grundprobleme der Ethik. Ebend. 1841.

schon bei der ersten der Verfasser die Consequenzen ahndete, die aus jener Schrift gezogen werden mussten. Seit mehr als zwanzig Jahren lebt Schopenhauer in Frankfurt, zurückgezogen wie es theils seine düstere Lebensansicht, theils die ungerechte Nichtbeachtung seiner Werke erklärlich macht, darum aber nicht weniger aufmerksam als früher die Welt beobachtend, die ihm von jeher mehr als Bücher (deren er übrigens sehr viele gelesen hat und liest) Lehrerin in der Philosophie gewesen war. Ganz neuerlichst hat er wieder kleine philosophische Schriften erscheinen lassen 1.

2. Wenn Schopenhauer es oft ausspricht, dass er vor allen andern Philosophen Kant dankbar sey, dass seit dem Kantischen System nur sein eignes als ein wirklich philosophisches geltend gemacht worden, indem zwischen Kant und ihm Nichts geschehen sey, nur Pseudophilosophie geherrscht habe, endlich dass er ergänzend an das anknüpfe was Kant bewiesen habe 2, so spricht er sich über sein Verhältniss zu Kant der Sache nach gerade so aus, wie Herbart. Der grosse Unterschied aber, ja der diametrale Gegensatz zwischen Beiden besteht darin, dass Schopenhauer als das grösste Verdienst der Kantischen Philosophie preist, was nach Herbart die schwache Seite dieses Systems seyn sollte den subjectiven und idealistischen Character. Der Idealismus nämlich, oder die Ansicht, dass die Welt nur Erscheinung sey, erweist sich nicht nur in Plato's Behauptung von der Nichtigkeit der sinnlichen Dinge sondern auch darin als die ursprüngliche Lehre, dass die indische Religion welche, als älteste und als die der Majorität des Menschengeschlechtes, am Meisten Hochachtung verdient, in ihrer Behauptung, dass die Dinge Täuschung, dass ihre Existenz Verschuldung, sich zu ihm bekennt. Mit dem Herrschend-werden des durchweg realistischen Judenthums, ist in der christlichen Welt der Realismus auch in die Philosophie eingedrungen, als wenn Judenthum Vernunft wäre 3. Es war der neuern Philosophie aufbehalten, wieder zum Rechten zurückzukehren, und das erste Verdienst gehört hier dem Des Cartes, der darum mit Recht als der Anfänger der neuern Philosophie bezeichnet wird, weil er durch das Beginnen mit dem Selbstbewusstseyn, der Philosophie eine durchweg subjective Wendung gab. Ein sehr wesentlicher Fortschritt in dieser Richtung ward durch Locke gemacht, indem er durch seinen Begriff der secundären Qualitäten

1) Parerga und Paralipomena. 2 Bde. Berlin 1851.

2) Kritik der Kant. Philosophie p. 469. Welt als Wille 2. Tbl. p. 291. 3) Vierfache Wurzel §. 19.

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