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widerlegt die Vorwürfe, welche man der Philosophie macht und stellt sie nebst der Religion als Princip aller Cultur und Civilisation dar. Der dritte, p. 29-50, hebt die Einheit der Philosophie und Poesie hinsichtlich der Humanität und des Kosmopolitismus hervor und untersucht in wiefern beide nationalen und individuellen Character haben können. Der vierte Vortrag, p. 51-70, tritt näher an die Aufgabe heran: Das Wesen und Leben der Philosophie in ihrer Innerlichkeit und Erhabenheit, die höchste Menschenkraft in ihrer Göttlichkeit wird betrachtet, und darauf hingewiesen dass ausser Malebranche und Jacobi alle Philosophen von Cartesius bis Hegel der dualistischen Speculation verfallen seyen. Auf die wahre Philosophie weist der fünfte Vortrag p. 71-88, deren Vorläufer Jacobi zwar gewesen sey, die er aber aus Furcht vor der Reflexion nicht gefunden habe. Es komme darauf an, das höhere unmittelbare Wissen von dem niederen zu unterscheiden. Der sechste Vortrag, p. 89-113, ist besonders kritischer Art. Schelling's Natur-, Hegel's Geistesphilosophie seyen beide noch nicht Anthroposophie, und weil beide die Gemüthsidee noch nicht erreicht hätten, sey ihre, auch Schelling's veränderte, Lehre noch negativ. Es handle sich darum den in Gott verborgenen Menschen, d. h. das Ur- und Vollendungsbewusstseyn zu fixiren. Dieses wird nun im siebenten Vortrag, p. 114 – 135, als die wahre Persönlichkeit bestimmt, die über Seele und Leib, Geist und Körper erhaben ist. Die wahre, von allen Identitätslehren verschiedene, Einheitslehre lässt die Frage nach der personlichen Unsterblichkeit, wie sie durch Richter, Göschel, Weisse und Fichte aufgeworfen richtig würdigen und beantworten, während die Speculation und darum ihre Vollendung, die Hegel'sche Philosophie, die Wahrheit der Individualität leugnen muss. Nachdem in dem achten Vortrage, p. 136 - 155, der Begriff der Universität erörtert ist, kehrt der neunte, p. 156-176, wieder zu dem siebenten zurück, indem er nur der Individualität wahre Wirklichkeit zuschreibt, und gegen alle Vernichtungslehren polemisirt, die das Individuum in der Menschheit, diesem Abstractum, aufgehn lassen. Der zehnte Vortrag, p. 177-201, bestimmt die Anthropologie, die aber Wissenschaft des ganzen Menschen seyn muss, als Ur- und Grundwissenschaft aller philosophischen Wissenschaften. Durch anthropologische Begründung allein wird eine Untersuchung philosophisch. Ihren eigentlichen Gegenstand hat die Anthropologie an dem Göttlichen im Menschen d. h. der Ur- und Vollendungseinheit, von der der körperliche Mensch aus- und in die der geistige (wiedergeborne) eingeht. die Anthropologie schliessen sich dann die übrigen Wissenschaften an und zwar zunächst die Metaphysik oder höchste

Naturkunde (Eilfter Vortrag p. 202-227), die den Menschen in seinem Verhältniss zu Gott und Welt betrachtet und die, indem sie die sittlichsinnliche Natur in vierfacher Richtung entwickelt, die Philosophie des Wahren und Schönen, des Guten und Rechten, d. h. die Logik, Aesthetik, Ethik und das Recht begründet. (Die Mystiker werden auch hier häufig lobend erwähnt.) Diese vier Wissenschaften werden nun in den folgenden Vorlesungen characterisirt und zwar die Logik in der zwölften (p. 228-251), die Aesthetik in der dreizehnten (p. 252-272). Hier wird Herder oft citirt und seine Kalligone in Schutz genommen. Der vierzehnte Vortrag (p. 274-298) betrachtet die Ethik, das alte und neue Princip aller Cultur und Civilisation, weiter die scheinbar richtige, in Wahrheit aber unrichtige, Mitte des Aristoteles. Begeistert wird Spinoza, mit Verehrung Jacobi erwähnt. Eine Polemik gegen Heine's Ansicht vom Christenthum bahnt den Uebergang dazu, dass alle Ethik auf den Geist des Evangeliums gebaut und auf die Realisation dessen gerichtet seyn müsse, was die Anthroposophie als Bestimmung und eigentliches Wesen des Menschen erkennt. Es folgt im funfzehnten Vortrag (p. 299-330) die praktische Philosophie in Welt und Leben oder das Jus und die Politik. Beide sind eben so der Existenz zugewandt, wie die Ethik und Moral der Religion. Auch hier wird zum Ausgangspunkte die Individualität genommen, und daher Familie, Volk, Nation nur als Beziehungen der allein wirklichen Individuen gefasst, jede Ansicht als abstract bezeichnet, die den Einzelnen der Familie, diese dem Volk u. s. w. unterwirft. Wie überhaupt, so wird auch hier sehr oft Börne's Autorität zur Bestätigung des Vorgetragnen angerufen. Der sechszehnte Vortrag (p. 323-580) der als Postscript überschrieben ist, enthält Erwiderungen auf das, was Günther in Peregrin's Gastmahl gesagt hatte, und eine Betrachtung über Göschel's Schrift von den Beweisen für die Unsterblichkeit.

12. Gerade die vielen Berührungspunkte, die oft bis zur wörtlichen Uebereinstimmung gehn, und welche Troxler mit Unrecht in Abrede stellt, gerade sie berechtigen, ihn und Wagner als die eigentlichen Antipoden unter denen anzusehn, die als Anhänger des Identitätssystems ihre philosophische Laufbahn begonnen haben. Die Differenz beginnt bei ihrer Erkenntnisstheorie, wo der Eine das grösste Gewicht legt auf das unmittelbare instinctartige Wissen, während der Andere mit unverhohlener Freude proclamirt, dass Göthe der Letzte gewesen sey, der mit Genie gedichtet habe, hinfort werde es mit verständiger Berechnung geschehn. Sie

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setzt sich fort durch ihre ethischen und politischen Ansichten, wo Wagner die Totalorganismen vertheidigt, während Troxler sich als Schüler Rousseau's erweist, indem ihm nur der Einzelne Wirklichkeit hat, und jedes grössere Ganze darum nur eine Summe, kurz etwas Relatives ohne absoluten Werth ist. Eben darum ruft er auch Buchanan und Milton zu Hülfe gegen die, monarchistischen Tendenzen, und behandelt die Politik im Gegensatz gegen die Religion verächtlich, während Wagner mit dem ältern Identitätssystem die Neigung theilt, Alles, selbst die Religion, von dem Staat beherrschen zu lassen. Es zeigt sich eine eben solche Differenz in der höchsten Sphäre. Wagner ist Pantheist. Die All-Einslehre der Indier ist ihm das wahre Gottschauen. Eins seiner Lieblingsworte ist das Schicksal. Das Individuum hat keinen substanziellen Werth. ,, Ich habe nie ein Gelüsten gehabt, schreibt er an Kölle, mein individuelles Daseyn a parte ante über den Augenblick, wo ich empfangen wurde, hinauszuerstrecken, und daher mag ich es eben so wenig über meinen Tod a parte post hinausdehnen." Die christlichen Dogmen sind Mythen, die vermöge seines Naturpantheismus gedeutet werden müssen. Ganz anders Troxler. Die unsterbliche Persönlichkeit ist ihm das Höchste, darum die Frage nach der Unsterblichkeit die eigentliche Frage des Tages. Das Dogma von der Menschwerdung ist ihm das wahre Mysterium, oder vielmehr es enthüllt alle. Er erscheint hinsichtlich der Person Christi als der Mystiker, während Wagner im Sinne der Aufklärung Christum einen Abgesandten der Essäer seyn lässt. Mit dieser verschiedenen Stellung hängt dann endlich zusammen die diametral entgegengesetzte Weise, in der Wagner und Troxler sich über Schelling äussern. Während Jener nur die ersten Schriften Schelling's gelten lässt, in welchen die richtige Lehre, aber ohne die gehörige Form, gegeben sey, dagegen die spätern Schriften als scholastisch mit Hohn überschüttet, während dessen sind es gerade die Letztern, welche Troxler sehr rühmend erwähnt, weil sie so viel Böhme'sche Elemente in sich aufgenommen haben, und weil darin der Versuch gemacht ist, die Freiheit des Menschen wissenschaftlich zu begreifen. Ja selbst hierin ist kaum ein Zufall zu sehn, dass Wagner das System lobt und den Urheber hasst, Troxler dagegen stets den Autor verehrend erwähnt, dagegen aber von seiner Lehre mehr abweicht. Dort hat man das objectiv, hier das subjectiv gewandte Identitätssystem. Der Wendepunkt aber ist bei beiden derselbe. Die Modificationen welche Wagner und Troxler mit dem Identitätssystem vornehmen können immanente genannt werden, indem sie den Grund dazu in dem Systeme selbst fanden, das ohne dieselben nicht vollständig

zu seyn schien. Anders wird sichs dagegen dort verhalten, wo von Anfang an das Identitätssystem gleichsam nur subsidiarische Geltung hatte, wo ihm nämlich nur innerhalb einer bestimmten Sphäre Recht gegeben wurde, während eine andere übrig blieb, die durch das System gar nicht tangirt wird. Hier wird das Bestreben entstehn das Identitätssystem durch Hinzufügen ganz anderer Elemente zu ergänzen. Während die eben characterisirten Modificationen an die Aenderungen erinnern, die Reinhold (§. 17) und seine Gegner (§. 21) mit dem Kriticismus vornahmen, werden diese dagegen eine Aehnlichkeit mit dem Thun der Halbkantianer (§. 16) zeigen. Zu einer solchen Ergänzung aber lud Manches ein, was dem Identitätssystem eigenthümlich war. Mochte Schelling auch dagegen sich verwahrt haben, er musste sichs endlich doch gefallen lassen, dass sein System Naturphilosophie genannt ward. Ward es aber als nur diese gefasst, so war es nahe gelegt, hinsichtlich des Natürlichen sich die Sätze des Identitätssystems gefallen zu lassen, dagegen hinsichtlich dessen was über die Natur hinausging, anderswo Belehrung zu suchen. Wurde dann auch der Begriff des Natürlichen so ausgedehnt, dass darunter die Geschichte als Complex der geistigen Erscheinungen mit verstanden wurde, wie dies viele Schellingianer thaten, so blieb doch noch immer ein Gebiet übrig, dem eine andere Betrachtungsweise vindicirt werden konnte, das Gebiet des Uebermenschlichen, Göttlichen. Zu diesem Resultate konnte auch noch der Umstand bringen, dass was im Identitätssystem vom Absoluten gesagt war, wenn das Absolute Gott seyn sollte, dem religiösen Gefühle kaum zusagen konnte. Das Absolute, wie es in dem Gegensatz von Natur und Geist sich offenbart, war offenbar nicht, was das fromme Gemüth Gott nennt, es fehlte ihm besonders die ethische Bestimmung der Heiligkeit, es war zu sehr der Spinozistischen Substanz verwandt, als dass man den früh ausgesprochnen Vorwurf, das Identitätssystem sey Pantheismus, ganz ungerecht finden könnte. Nimmt man noch dazu, dass Schelling selbst in den ersten Schriften den Ausdruck Gott vermieden hat - später, wo er seine Ansicht ändert, beruft er sich darauf So war die Möglichkeit gesetzt, gleich von Anfang an seine Lehre 80 zu verstehn, dass man sie bloss in der Sphäre gelten liess, die wirklich nur die reale und ideale Erscheinung der Vernunft zeigt, so dass also das Absolute sich in Natur und Geschichte entfaltet und in beiden erkannt wird, zugleich aber festzuhalten, dass es ausser diesen Gebieten ein ganz anderes gibt, wo nicht das Absolute sondern Gott den Mittelpunkt bildet. Es versteht sich aber von selbst, da Wissenschaft oder Philosophie nur darin bestanden hatte, dass

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das Absolute im Philosophen sich selbst erkannte, oder nach Schelling's Ausdruck der Philosoph selbst das Absolute wurde, dass in jenem höhern Gebiete an die Stelle der Philosophie etwas Höheres treten wird, heisse es nun Glaube, heisse es Schauen, kurz jedenfalls Nicht-Philosophie. Ein solcher Standpunkt kann geltend gemacht werden, und es wird dabei sehr gut, so lange die Betrachtung Natur und Geschichte betrifft, das grösste Einverständniss mit den strengsten Schellingianern Statt finden. Wer ihn geltend macht, wird mit Wagner und Troxler mit der grössten Energie aussprechen können, dass die Weltgesetze auch in der Seele herrschen, und dass die Gesetze der Bewegung nur real gewordne Logik sind. Er wird, ganz wie die exaltirtesten Identisten, das Universum a priori construiren. Nur wird er dabei stets jenes Gebiet aus dem Spiele lassen, was über alle Philosophie hinausreicht; wenn er sich aber in dieses hineinbegiebt, so wird er den Andern als der unwissenschaftliche Pietist, als der schlafwandelnde Schwärmer erscheinen müssen. Allen diesen Beurtheilungen ist denn auch wirklich der Mann nicht entgangen, den Schelling eine Zeit lang für ganz mit sich einverstanden halten musste, bis jene beschriebne Differenz hervortrat, ein Mann dem jene Ergänzung um so nothwendiger wurde als sein religiöses Gefühl ihm von einem doppelten vom Natürlichen verschiednen Gebiete sprach, und der eben darum sowol die Unnatur als die Uebernatur, sowol das Dämonische als das Göttliche, der Wissenschaft absprach und dem Glauben vindicirte. Es ist:

Eschenmayer.

13. Adam Carl August Eschenmayer wurde am 4. Jun. 1770 zu Neuenburg in Würtemberg geboren, und schöpfte, wie er selbst sagt, den ersten bleibenden Eindruck für Naturwissenschaft aus den Vorlesungen Kielmeyer's an der Carlsschule zu Stuttgart, dessen Grundgedanken von den drei organischen Kräften er nie aufgegeben hat. Der Bekanntschaft mit der Kantischen Naturmetaphysik verdankte er den Stoff zu seiner akademischen Dissertation, welche von Schelling in dessen Ideen sehr gerühmt und Veranlassung zu einem langen literarischen Briefwechsel wurde. Wenn er es noch später dankbar bekennt Schelling höhere, nie von ihm verlassene Ansichten zu danken, so hat andrerseits

1) Principia quaedam disciplinae naturali, imprimis chemine, cx metaphysica naturae substernendae. Tubing. 1796. Denselben Gegenstand be handelt, verbunden mit einigen verwandten:

Eschenmayer Säze aus der Natur - Metaphysik auf chemische und medicinische Gegenstände angewandt. Tübingen 1797.

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