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Entwicklung (Analysis), Verdoppelung (Antithesis) und Vollendung (Synthesis), verschieden sind. Diese relativ allgemeinen Begriffe oder Kategorien werden natürlich vier verschiedene Tafeln darbieten deren jede vier Tetraden enthält, die unter sich das Verhältniss des Urschema's, und der unter jeder befassten vier Glieder, wiederholen. Zu jeder Tafel kommen dann wieder vier Prädicamente hinzu, die sich ergeben wenn nur auf die Form der Kategorien reflectirt wird. Das Grundschema der ersten Tafel geben die Kategorien 1. Daseyn, 2. Factoren, 3. Process, 4. Product, und die Prädicamente: Unbestimmt, bestimmbar, bestimmend, bestimmt. (Weiter ergeben sich unter jedem jener Begriffe durch Verbindung mit den Urschematen wieder vier, also unter Daseyn: Grundwesen, Ursprung, Ursache, Wirkung u. s. w.) Die zweite Tafel hat zum Schema: 1. Substrat, 2. Seitenentwicklung, 3. Fortschreitung, 4. Erscheinung mit den Prädicamenten möglich, räumlich, zeitlich, wirklich. Die dritte Tafel welche als dritte den vermittelten Gegensatz repräsentirt bietet Kategorien mit demselben Character dar, welche unter die Begriffe 1. Subject, 2. Subject objectiv, 3. Object subjectiv, 4. Object fallen, deren Prädicamente: Innen, von Innen, von Aussen, Aussen, sind. Diese Tafel soll enthalten was Reinhold, Fichte und Hegel (in seiner Phänomenologie) vergeblich gesucht haben, eine Construction ¦ des Bewusstseyns, welche durch die Kategorien Selbstheit, Strebung, Zurückdrängung, Aeusserlichkeit, ferner Bemächtigen, Vorbereiten, Verarbeiten, Umwandeln, dann: Berühren, Erregen, Aneignen, Einswerden, endlich: Widerstand, Wirksamkeit, Bildsamkeit, Selbständigkeit, durchzuführen sey. Die vierte Kategorientafel endlich ist: 1. Individualität, 2. Entwicklungssystem, 3. Individualleben, 4. Totalitätsform, mit ihren Prädicamenten An - sich, Abhängig, Gegenseitig, Nothwendig. Dass die vier Prädicamententafeln wieder unter sich eine Tafel bilden, versteht sich von selbst, eben so dass sowol ihre Verwebung als die der vier Mal sechzehn Kategorien unter einander, die festen Gesetze alles Seyns und Erkennens geben. Namentlich das Letztere sucht nun der zweite Abschnitt, das Erkenntnisssystem (§. 188 -280) durchzuführen. Im steten Anschluss an die erste Tafel und dann wieder an die erste Tetrade der dritten Kategorientafel, wird hier gezeigt wie das subjective Leben in Berührung mit dem objectiven, die in diesem enthaltene Weltform in sich aufnimmt, wie es mit der Selbstheit beginnt, zur Empfindung (zurückgedrängtem Streben) übergeht und endlich zur Vorstellung als der ersten Nachbildung der objectiven Weltform sich erhebt. Von dieser wird, als zu einer höhern Stufe, zur Wahrnehmung übergegangen, welche

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der zweiten Tetrade entsprechen soll, es folgt als dritte Erkenntnissstufe der Begriff mit dem Urtheil, bei deren Abhandlung die hauptsächlichsten logischen Regeln abgeleitet und auf eine eigne Tetrade zurückgeführt werden. Schluss macht die Betrachtung der vierten Erkenntnissstufe oder der Idee, durch welche erkannt wird, dass jedes Ding eine bis auf diese Stufe, nach dieser Seite und so weit fortgeführte Anwendung der Weltform ist, was natürlich nur vermöge schematischer Construction möglich ist. — Der dritte Abschnitt Sprachsystem (§. 281-365), sagt dem, welcher die mathematische Philosophie kennt, wenig Neues. Nachdem der Begriff der Sprache im Allgemeinen dahin bestimmt ist, dass durch sie das subjectiv gemachte objective Leben wieder objectiv herausgestellt wird, damit jene erste Umwandlung in einem andern Subject sich wiederhole, wird gezeigt wie Verständigungsmittel zuerst das Bild ist, dann Figur und Zahl, endlich aber das Wort. Dabei werden die Betrachtungen über Eins und Null, Centrum und Kreis u. s. w. eben so wiederholt wie die mathematische Philosophie sie enthielt, und meist durch die schon dort gebrauchten Beispiele ihre reale Bedeutung hervorgehoben. Höchstens kann dies als Unterschied gelten, dass hier auch die Combinationsund Variationslehre berücksichtigt wird. Zur Tonsprache übergehend ordnet Wagner die vier Vocale und sechzehn Consonanten, eben so die Redetheile, nach Tetraden, zeigt wie in jeder Periode Arsis und Thesis als eine Folge des ersten Grundsatzes aller Philosophie sich findet, und schliesst mit der Bemerkung, dass die richtige Bezeichnung der Buchstaben eine Pasigraphie geben würde. Der vierte Abschnitt, Welttafel (§. 366-406) will das Weltgesetz in seiner Verkörperung zeigen. Die Tetrade Aether, Luft, Wasser und Festes gibt die Elementarstufen aller Dinge an, aus welchen sich dann weiter die höhere ergibt: Metall, Pflanze, Thier, Mensch. Während das Thier von der Gattung nur so weit abhängt, als zu Vollendung des Individuums nothwendig ist, d. h. in der Zeugung und Entwicklung, ist der Mensch durch die Sprache auch in die Reproductionswelt der Gattung verwoben und wird so Glied der Weltgeschichte, die sich in vier Perioden verwirklicht: Erstlich die Periode arbeitsloser Ernährung und kindlichen Spiels. Zweitens Periode der erwachenden Gegensätze mit ihren Familien, Völkern und Reichen. Drittens Periode der Cultur mit ihren Staaten und ihrer Wissenschaft die endlich das Weltgesetz findet und Weltwissenschaft (Philosophie) wird. Damit ist die vierte Periode der Genesung des kranken Menschengesehlechtes in sich selbst und die Vollendung seines Verhältnisses zur Erde vorbereitet. Ein besonderer Anhang,

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für die bestimmt, welche von mathematischer Philosophie noch Nichts wissen, bespricht die vier verschiedenen Darstellungsweisen des dritten Abschnitts noch ausführlicher; im Ganzen wird wiederholt, was Wagner sonst schon gesagt hatte, nur wird hier noch deutlicher hervorgehoben, warum die arithmetische Darstellung vor der geometrischen den Vorzug habe, und an den aufgestellten Kategorientafel gezeigt, dass wenn man die Zahlen, die ihre Stellen im System angeben verbinde, die sich neu ergebende Zahl neue Stellen d. h. neue Begriffe angeben werde, so dass es also thunlich ist, die Worte als Nummern zu behandeln. (Hat die Construction z. B. die dramatische Dichtkunst unter No. 15 gestellt und man findet indem man 3 davon abzieht, dass 12 die Stelle der Musik angibt, so sieht man dass jene um drei Schritte, nämlich um die drei andern Dichtungsarten die Musik überragt.) —

7. Das Organon war das letzte Werk, welches Wagner als Professor in Würzburg veröffentlichte. Im J. 1834 ward er quiescirt, ein Ereigniss welches er, da Beschränkungen von Seiten der Regierung und andere Umstände ihm seine Lehrthätigkeit verleidet hatten, gefasst ertrug. Zwei Jahre darauf veröffentlichte er eine Schrift, welche geringern wissenschaftlichen Werth hat als alle übrigen, seltsamer Weise aber die einzige war, die viel gelesen wurde. Es ist eine praktische, nach der Vierzahl geordnete Haushaltungskunst, die bis ins kleinste Detail geht. Die Theilnahme, die dies Werk fand, zugleich die Freude darüber dass einer seiner Schüler seine kleinern Schriften gesammelt herausgab2, ermunterte ihn ein Werk3 zu vollenden, an dem er seit dem Jahre 1835 arbeitete, in welchem er den bereits früher ausgesprochnen Gedanken durchzuführen suchte, dass die Zeit wo instinctartige Begeisterung das Kunstwerk schuf, vorüber sey, dass die Kunst freies Eigenthum des Menschen, ihr Werk Product besonnener Reflexion seyn müsse, und zu solther Poesie Anleitung zu geben sey. (In seinen Briefen aus jener Zeit spricht er es ganz triumphirend aus, es gelinge thm immer mehr, mit Abhaltung aller poetischen Stimmung ein und dasselbe Thema epigrammatisch, didaktisch, musikalisch und romantisch zu bearbeiten, so dass er immer mehr dem nahe komme, dass die Dichtkunst zum Machwerk werde.) Zu diesem Zwecke dient nun die Dichterschule, welche in

1) J. J. Wagner System der Privatökonomie. 3te wohlf. Aufl. Ulm 1851. 2) Dess. Kleine Schriften, herausgegeben von P. L. Adam. Ulm 2 Bde. 1839 (der 3te Band, der 1847 erschien enthält den im Jahre 1806 weiterpeschriebenen Aufsatz Homer und Hesiod).

3) Dess. Dichterschule. 2te Aufl. Ulm 1850.
III, 2.

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in Ansbach. Er hätte auch Kretzschmann in Coburg nennen können1. Kölle und Adam haben in neurer Zeit Wagner's Werke wieder veröffentlicht 2. Bei einigen scheint eine pia fraus durch einen neuen Titel die alte Ausgabe verjüngt zu haben.

8. Neben dem, die Form und Methode betreffenden Satze Wagner's: Construiren ist Kreuzigen, ist es besonders ein Gedanke der sein System beherrscht, ja in dem man die ganze Summe desselben wiederfinden möchte. Soll es Ernst seyn mit der Einheit des Seyns und Wissens, so müssen die Weltgesetze auch Gesetze der Erkenntniss seyn. Da nun ferner Wagner in der Welt die mathematische Gesetzmässigkeit herrschend findet, so ist es begreiflich wie ihm auch die Erkenntnisslehre zur Mathesis werden musste. Es liegt aber auf der Hand, dass diese Solidarität der Gesetze die jene beiden Sphären beherrschen, zu einem ganz andern Resultate führen kann. Man braucht nicht, um die Erkenntnissgesetze zu finden die Weltgesetze zu erforschen, sondern umgekehrt um diese zu finden kann man jene untersuchen. In einem solchen Falle wird das Identitätssystem nicht mehr eine mathematische sondern vielmehr eine anthropologische Grundlage bekommen. Auch hier wird es nicht ausbleiben können, dass wer dies versucht, sich von dem Urheber des Identitätssystems entfernt, nur werden freilich die Gründe andere seyn wie dort. Fast gleichzeitig mit dem Versuch Wagner's die Philosophie in Mathematik zu verwandeln macht ein Andrer den ihm entsprechenden einer Verwandlung derselben in Anthropologie. Auch dieser ist ursprünglich ein Anhänger des Identitätssystems, ja einer der bedeutendsten persönlichen Schüler Schelling's. Auch er hat dabei die Schleiermacher - Wagner'sche formelle Verwandlung der Triplicität in Quadruplicität vorgenommen. Auch er endlich hat, wenn auch im geringern Grade, das Loos Wagner's getheilt, weil Andere, ihm Gleichzeitige, ihn überholt hatten, mehr vernachlässigt zu werden, als er verdient. Es ist:

Troxler.

9. Ignaz Paul Vital Troxler, am 17. Aug. 1780 in Münster im Canton Luzern geboren, in den Gymnasien Solothurn und Luzern von Jesuiten unterrichtet, dankt, mehr als ihnen, seine erste Bildung Albr. v. Haller, Joh. Müller, Iselin, Lavater, die er, so wie später Rousseau und Pe

1) Vgl. Isis Jahrg. 1818. p. 163.

2) Ulm 1851.

stalozzi, eifrig las. Nachdem er während der französischen Revolution eine Zeitlang Secretair des Regierungsstatthalters gewesen, ging er im J. 1800, um Medicin zu studiren, nach Deutschland, und ward in Jena ein eifriger Zuhörer Schelling's und Hegel's. Sogleich sein erstes Werk' zeigte einen Anhänger des Identitätssystems, der es ernster damit nahm, als Röschlaub und Kilian, die er beide bekämpft, der den Versuch macht, in der Nosologie drei Stufen der Krankheiten zu fixiren, welche den drei physiologischen Func-. tionen parallel gehen, während die Therapie als die umgekehrte Nosologie, die durch die Brücke der Diagnostik sich an sie anschliesst, zeigen soll, wie der Expansion die Contraction (oder umgekehrt) heilend entgegentreten soll. Es folgte ein Werk 2, welches, in Göttingen verfasst, fünf Abhandlungen enthält, deren jede einem Andern gewidmet ist (Schelling, Blumenbach, Himly, A. Schmidt und Homs), in welchen sich der denkende Arzt und Anhänger des Identitätssystems zeigt, der weit entfernt ist vom geistlosen Nachsprechen. Selbst Gegner rühmten diese Schrift als eine der bessern unter den naturphilosophischen. Als endlich Troxler in Wien ein drittes Werk3 veröffentlichte, behauptete der hämische Kilian sogar, er habe sich dazu brauchen lassen, Schelling's Vorträge auf diese Art in die Welt zu bringen, obgleich der Hauptgedanke jener Schrift, nach welchem die Krankheit ein doppeltes Moment in sich hat, und also eben sowol als vis morbifica bezeichnet werden kann, 'wie als conamen medendi, obgleich dieser ihm ganz allein angehört. Die Erklärung, welche Schelling bei dieser Gelegenheit abgab, zeigt, wie hoch er damals Troxler stellte. Dieser begab sich dann nach Luzern und prakticirte dort als Arzt, bis der Druck einer kleinen Schrift über den Zustand der Medicin im Canton Luzern, ihm solche Verfolgungen zuzog, dass er abermals nach Wien ging, woran sich dann weitere Reisen angeschlossen haben. Ehe er Luzern verliess, schrieb er eine kleine Abhandlung, die er selbst ein Programm nennt, zu einer andern, die in Wien geschrieben wurde. Das Jahr 1808 sieht ihn als praktischen Arzt in seiner Vaterstadt, aber stets mit philosophischen Studien beschäftigt, wie das Werk beweist, in dem er der Naturphilosophie den Absagebrief geschrieben hat. Nicht nur darin liegt die

1) Troxler Ideen zur Grundlage der Nosologie u. Therapie. Jena 1803. 2) Dess. Versuche in der organischen Physik. Jena 1804. 3) Dess. Grundriss einer Theorie der Medicin. Wien 1805. 4) Dess. Leber das Leben und sein Problem. 5) Dess. Elemente der Biosophie. 1807 (ohne 6) Dess. Blicke in das Wesen des Menschen.

Göttingen 1807.
Druckort).
Aarau 1812.

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