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gehen, und zwar nöthigt mich jener Zusatz Belleforest's über Gothien und Biarmien, mit einigen Zügen aus dem Leben Friedrichs I. zu beginnen.

I.

Als Friedrich, Herzog von Schleswig-Holstein im Jahre 1523 an die Stelle des abgesetzten Königs Christian II. auf den dänischen Thron berufen ward, stand sein Sohn Christian (nachmals der dritte dieses Namens) bereits im 20. Lebensjahre, und hatte von Kindheit an oft und lange an den deutschen Höfen seiner Verwandten verweilt und mit Gelehrten lutherischen Glaubens verkehrt. Ist schon dieser letztere Umstand undenkbar, ohne dass Friedrich selbst im Stillen Neigung zur reformirten Kirche hatte, so stellen gewisse Akte seiner Regierung, mit welchen er allmählich hervortrat, dies gänzlich ausser Zweifel, obgleich er äusserlich Katholik blieb und vielleicht auch nicht allen Glaubenssätzen der neuen Lehre huldigte. In der Reichsversammlung zu Odensee im Jahre 1527 verlangte er von den Bischöfen, dass sie das lautere Evangelium, frei von allem Aberglauben und den Fabeln, welche Eigennutz und Unwissenheit darein vermengt hätten in ihren Kirchsprengeln predigen lassen sollten. Die Lehre Luthers habe im Königreiche so um sich gegriffen, dass es nicht mehr möglich sei, dieselbe zu verbannen ohne jenes zu Grunde zu richten. Er wünsche, dass man die Ausübung derselben bis zur Entscheidung der Sache auf einer nächstens zu berufenden Kirchenversammlung dulden möge; nach dieser werde er sich richten." In Gemässheit ferner des Decretes, welches auf diesem Reichstage zur einstweiligen Sicherstellung der Gewissensfreiheit ausgefertigt ward, nahm er nicht allein die nun ungescheuet hervortretenden Bekenner des Lutherthums in seinen Schutz, sondern stiftete zu Malmö sogar eine Schule, durch welche die neue Lehre mit solchem Erfolge verbreitet ward, dass katholische Schriftsteller jener Zeit sie „die Zuflucht und den Schlupfwinkel aller Ketzer und kirchenräuberischen Abtrünnigen" nannten. Endlich aber bestätigte er auf der Kirchenversammlung zu Kopenhagen im Jahre 1530 jene vorläufige Verordnung über die Freiheit beider Lehren in seinen Staaten und trat im folgenden Jahre dem Schmalkaldischen Bunde bei.

Wenngleich nun Friedrich zur selben Zeit jeder Ueberhebung der lutherisch Gesinnten in den Weg trat, so konnte doch die Haltung. welche er zwischen beiden Parteien einnahm, nicht verfehlen, ihn der

katholischen Geistlichkeit verhasst zu machen und der einstigen Nachfolge seines Sohnes Christian, dessen Umgang mit Lutheranern er erlaubt, grosse Schwierigkeiten zu bereiten. Freilich rechnete er hierbei auf die Furcht der Prälaten vor dem abgesetzten Könige, der möglicherweise zurückkehren und Rache an ihnen nehmen konnte. Aber so rechneten die Bischöfe nicht. Ihre Existenz schien ihnen weniger bedroht unter dem grausamen Christian als unter dem ketzerischen Herzoge. Zwar hatte jener durch seine Reformen ihnen ebenso grossen Anstoss gegeben, hatte im Jahre 1519 Arcemboldi, dem päpstlichen Legaten und Ablasskrämer in Danemark den Ertrag seines Gewerbes abnehmen lassen, im Jahre 1520 den Magister Martin Rainhard, einen Schüler Luthers, und kurz darauf den bekannten Carlstadt in sein Reich berufen; hatte im Jahre 1522 den Geistlichen die Erlaubniss Landgüter zu erwerben entzogen, das Reisegefolge der Bischöfe beschränkt, den Verkauf der Bauern und die Ausraubung der gestrandeten Schiffe untersagt und der Aristokratie dadurch grosse Verluste zugefügt; aber von dieser Bahn hatte er einzulenken versprochen noch ehe er Dänemarks Boden verliess, und war im Jahre 1531 in Norwegen wirklich als Vertheidiger der katholischen Kirche aufgetreten. Was dagegen war von dem Sohne Friedrichs zu erwarten, auf welchen überdies das verketzerte Volk so sehr hoffte? Die Bischöfe warteten also geduldig, bis der lange schon sieche König die Augen schloss, und als im Jahre 1533 dieses Ereigniss eintrat, waren die Angelegenheiten der Kirche das Erste, was sie auf dem Reichstage desselben Jahres zu Kopenhagen in Verhandlung brachten. Die Neuerungen Christians II. waren schon unter Friedrich wieder aufgehoben worden; nun sollten auch des Letzteren Verfügungen null und nichtig sein, die Ketzer mit Gewalt in den Schooss der Kirche zurückgebracht, das Recht fiber Leben und Tod der Leibeigenen der Geistlichkeit wieder aus-chliesslich angehören, und anstatt Christians dessen jüngerer Bruder Johann, welchem man bei seiner Jugend die Lehren der Frömmigkeit und Tugend noch anzuerziehen hoffen dürfe," die Krone erhalten.

Umsonst widers'rebte der lutherisch gesinnte Theil des Reichsraths. Die Verordnungen der Bischöfe wurden in Vollzug gebracht und der Thron blieb unbesetzt. Inzwischen aber wuchsen unter der erneueten Tyrannei dieser Geistlichkeit die Klagen in Stadt und Land so sehr, dass ein allgemeiner Brand befürchtet ward. Man sche es nun wohl, murmelte man lant, dass Christian II. nicht wegen des Blutbades zu

Stockholm (1520), sondern um dem Vortheil der Grossen Vorschub zu

leisten, verjagt sei.

Unfehlbar hätte sich der Herzog diese Stimmung zu Nutze machen und das Recht auf den Thron seines Vaters ertrotzen können. Die Lübecker versprachen den nachdrücklichsten Beistand dazu, unter der Bedingung freilich, dass er die Holländer, mit welchen sie in Krieg waren, von dem Handel in der Ostsee ausschlösse; die bedrängten Lutheraner in Jütland schickten Abgeordnete mit den dringendsten Versicherungen an ihn, er brauche in ihrer Provinz sich nur zu zeigen, um dieselbe zu besitzen. Jene wies er als geldgierige Fremde zurück, diesen antwortete er, dass nur eine rechtmässige Wahl ihn berechtigen könne die Waffen zu ergreifen." In Folge dieser Antwort machten die Lübecker plötzlich Frieden mit der Statthalterin Maria, und rüsteten sich gegen Dänemark. Man sagte sogar, sie hätten den König von England auf ihre Seite gezogen; Heinrich VIII. habe ihnen gegen Zusicherung gewisser Plätze in Dänemark, deren sie sich für ihn zu bemächtigen verpflichtet, 20,000 englische Pfund zur Deckung der Kriegskosten vorgeschossen. Ob wahr oder nicht, schon im Frühjahr 1534 stellten sie den Grafen Christoph von Oldenburg an die Spitze ihres Angriffs, und ehe noch das Jahr verging, waren Malmö und Kopenhagen, ja ganz Seeland, Schonen, Halland und Blekingen in der Hand des unternehmenden jungen Mannes. Die Bauern, die er allenthalben unter dem Namen des entthronten Königs zum Aufstand rief, begehrten nichts heisser als unter diesen ihren königlichen Gönner zurückzukehren, und ergriffen wie ein Mann die Gelegenheit, an ihren Peinigern, den Bischöfen und Adligen, sich zu rächen. Brand und Gemetzel wüthete aller Orten. Auch die kleinen Inseln Mön, Falster, Laland, Langeland waren in kurzem die Beute Christophs. Fühnen und Jütland allein blieben zu erobern übrig.

So weit war es durch die eigennützige Consequenz der katholischen Geistlichkeit einerseits, und durch die politische Gewissenhaftigkeit des lutherischen Herzogs andrerseits in so kurzer Zeit gekommen. Es schien als müssten beide Theile ihre Handlungsweise berenen und sich entgegenkommen. Fiel Fühnen und Jütland noch in des Grafen Hände, so ward das Reich entweder ein Raub geldgieriger Spekulanten, oder es kam an den eingekerkerten, tiefgekränkten Christian zurück, während Niemand zweifelte, dass die Wahl des Herzogs vor aller Schmach und Noth von vornherein gewahret hätte.

Diese Lage des Landes stellte der Reichsrath Magnus Giö einer zahlreichen Versammlung geistlicher und weltlicher Herren in Jütland, wohin sie sich allenthalben her geflüchtet hatten, damals in der elften Stunde noch einmal vor. Die lebhafteste Bereitwilligkeit, den Herzog zu wählen, schien allgemein. Als aber die Stimmen gesammelt wurden, erhoben die Bischöfe das alte Lied: „der drohende Untergang des Reiches rühre von den Neuerungen, von der Fälschung der Religion, von der Verfolgung der Geistlichkeit, von der lutherschen Ketzerei im Lande her, welches Alles den Zorn Gottes so über die drei Reiche herabgebracht, dass man nur Seuchen, Armuth, Krieg und Empörung darin erblicke; sie schätzten die Güter des Himmels höher als die Güter der Erde; für einen Ketzer könnten sie nicht stimmen." Allein eine Menge Volk und viele Edelleute, die an den Thüren des Versammlungsortes der Entscheidung harrten, vernahmen kaum von der abermaligen Weigerung der frommen Herren, als sie gewaltsam in den Saal eindrangen und die Wahl des Herzogs forderten. Nun gaben die Widerspänstigen nach. Wenn die Edelleute," sagten sie, „auf den Herzog Christian bestehen, so haben sie es zu verantworten, wir bedingen uns nur, dass der neue König die Rechte des Staates und die Privilegien der Stände bestätige, und kein Feind der Religion sei."

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Damit endigte die Zwischenregierung. Denn alsbald ward der Herzog unter einem Sturm von Jubel zum König ausgerufen, und bestieg den Thron seines Vaters gerade durch die Folgen, welche die Halsstarrigkeit der Bischöfe heraufbeschworen hatte.

Seinerseits hatte nun aber auch der neue König sein Reich erst zu erobern, wohin es ohne seine Bedenklichkeit nicht gekommen wäre. Indess begünstigten ihn die Umstände: der Kaiser ander wärts mit Krieg beschäftigt, konnte seinen Drohungen keinen Nachdruck geben. Mit Hilfe Gustavs von Schweden und des Herzogs Albert von Preussen waren bald die dänischen Gewässer von der verbündeten Flotte der Lübecker, Rostocker, Stralsunder und Wismaraner gesäubert und Graf Christoph mit dem Herzog Albert von Mecklenburg, *) der jetzt an der Spitze der Unternehmung stand, unter die Mauern Kopenhagens zurück

*) Als die Lübecker die Aussicht verloren, Christian II. zu befreien, unterstutzten sie den Herzog von Mecklenburg in seinen Ansprüchen auf die dänische Krone, und machten seinem Schwestersohn Philipp Hoffnung zu der schwedischen.

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getrieben, auch Fühnen nebst den kleinen Inseln wiedererobert, ja selbst der Uebergang Christians auf Seeland ausgeführt. Die Belagerung der Hauptstadt dauerte jedoch ein volles Jahr, von August 1535 bis Ende Juli 1536. Graf Christoph bestrafte jeden Laut, den die Noth für den neuen König erpresste, als Hochverrath. *) Je rettungsloser die Sache dieses Abenteurers ward, um so höher verstieg er sich in seinem Trachten. Die jüngere der beiden Töchter Christians II., an den Herzog von Mailand Franz Sforza vermählt, war Wittwe geworden. Graf Christoph warb um ihre Hand, und schmeichelte sich mit Hilfe der Statthalterin Maria, ihrer Tante, die Krone zu erwerben, die er bis jetzt für den gefangenen König zu erobern vorgegeben hatte. Man rüstete in den Niederlanden, aber nicht für ihn. Es war ein höherer Prätendent in der Person des Pfalzgrafen, nachherigen Kurfürsten Friedrich II. vorhanden, welcher die ältere der beiden Schwestern zur Gemallin hatte, und der Kaiser unterstützte ihn. Aber ehe die Flotte desselben in den Sund gelangen konnte, war der Graf durch die Hungersnoth in der Stadt zur Capitulation gezwungen. Seiner Milde gemäss entliess Christian beide, den Grafen wie den Herzog, gegen das eidliche Angelöbniss, nie die dänischen Staaten wieder zu betreten oder die Waffen gegen sie zu, führen, ungekränkt; den Bürgern verzieh er ebenfalls.

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Weit schlimmer war es das Jahr vorher dem Lübecker Bürgermeister und Flottenführer Marcus Meyer ergangen. Derselbe war bei Erstürmung der Festung Warberg in Schonen, deren er sich bemächtigt gehabt, gefangen worden, und hatte auf der Folter gestanden, dass es im Plane gewesen, die Plätze Warburg, Malmö und Kopenhagen dem König von England zu überliefern. Man brachte ihn von Warburg nach Helsingör, woselbst er geviertheilt ward.

Drei Jahre voll Blutvergiessen und namenlosen Jammers waren so seit Friedrichs I. Tode verflossen, als endlich Christian sich im Besitze der Staaten seines Vaters sah - immer freilich noch Norwegen ausgenommen.

*) Er liess denjenigen, welche aus Hunger die Uebergabe forderten. entgegnen: „sie hätten noch nicht, wie es in Jerusalem geschah, ihre eigenen Kinder verzehrt." Freilich ass man erst noch die Katzen, Ratten and Mäuse, nachdem die Pferde und Hunde verzehrt waren. Aber eine Katze kostete einen Gulden. Einwohner blieben todt in den Strassen liegen; Kinder sogen Blut aus den Brüsten ihrer sterbenden Mütter.

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