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unglückliche Geschichte zum Schweigen zu bringen, er liess daher den Predigern verbieten, den Prinzen in ihren Kanzelreden zu nennen oder seines Schicksals irgendwie zu erwähnen, damit er vergessen werde und Niemand mehr von ihm rede, als sei er nie am Leben gewesen.

Am 6. April eine neue Depesche: „Der Zustand des Prinzen verschlimmert sich immer mehr, der arme junge Mann wird von Tag zu Tag unsinniger." Am 8. Mai ging es scheinbar wieder besser: „Man erzählt mir, dass er sich die ganze Woche hindurch geheiligt habe, so dass seine Freunde sagen, Gott müsse seine Hand auf ihn gelegt haben, denn nachdem er die Fasten über bis zum Ostertage gebeichtet hatte und den Leib Unseres Herrn zu empfangen gedachte, hat er die Pflicht eines guten Christen durch Enthaltsamkeit beobachtet, indem er sich viermal mit grosser Zerknirschung und Reue aussöhnte." Man hatte nehmlich Anstand genommen, ihm trotz seiner dringenden Bitten das heilige Abendmahl zu reichen, sein Gemüthszustand liess daran zweifeln, ob er es empfangen könne. Man hatte sich desshalb an die theologischen Facultäten um ein Gutachten gewendet, und da die Raserei nur sporadisch bei ihm auftrat, so waren sie der Ansicht gewesen, dass er in einem lichten Momente unbedenklich communiciren könnte, was er denn auch einige Zeit nach Ostern that. Aber diese Besserung war nur von kurzer Dauer, schon am 21. Juli sieht Forquevaulx das Schlimmste voraus. „Sire, der Prinz von Spanien hat sich seine Geduld bewahrt, so lange er konnte, aber einsehend, dass seine Gefangenschaft kein Ende nehmen wollte, beharrt er jetzt hartnäckig darauf, Nichts essen zu wollen, und seit acht Tagen hat er Nichts weiter gegessen als ein Paar Pflaumen und man trägt das Fleisch gerade so wieder ab, wie es auf den Tisch kommt." Endlich am 26. meldet er den Tod des Infanten. „Er starb gestern Nacht um ein Uhr als guter katholischer Christ. Ich habe sein Gesicht gesehen, als man seine Leiche bei den Nonnen von San Domingo al Real beisetzte; es war durch die Krankheit durchaus nicht verändert, nur ein wenig gelb, aber ich höre, er soll nur noch Haut und Knochen gewesen sein."

Philipp zog sich vom Tage des Begräbnisses bis zum

13. August in das Kloster San Geromo zurück. Am 13. hatte Forquevaulx eine Audienz und bezeugte ihm sein Beileid; der Vater antwortete: „er könne es nicht leugnen, dass es für ihn als Vater sehr schmerzlich gewesen sei, seinen Sohn zu verlieren; jedoch habe er sich seit Langem daran gewöhnt, Alles, Gutes und Böses, gefasst hinzunehmen, was Gott gefallen möge, über ihn kommen zu lassen." Natürlich sind dies blosse Redensarten und weit entfernt davon, seine wirklichen Gedanken zu verrathen.

Wir können von Don Carlos nicht scheiden, ohne ein Wort über das weitere Geschick der Königin Elisabeth zu sagen, und dies um so weniger, als das traurige Ereigniss, das Spanien so früh seiner Königin beraubte, auch noch während Forquevaulx's Gesandtschaft, nur wenige Monate nach des Infanten Tode, eintraf. Nachdem er früher schon gemeldet, dass die Königin in andern Umständen sei, schreibt er Mitte September: „Sie hat sich die letzten Tage sehr unwohl gefühlt, in Folge von Kolik und Schmerzen im linken Arm, die sich auch in das Bein hinuntergezogen haben, Alles in Folge einer Erkältung, weil sie sich einige Tage zu leicht gekleidet hatte, auch hat sie unaufhörliches Brechen mit solchem Leibschneiden gehabt, dass man in grosser Besorgniss war, Sie möchte zu früh niederkommen." Anfangs October traten immer schlimmere Symptome ein, und am dritten vernahm man, dass die Königin im Sterben liege, nachdem sie zu früh geboren. „Der König, ihr Gemahl, ist noch diesen Morgen vor Tagesanbruch bei ihr gewesen. Die genannte Dame, indem sie als sehr weise und sehr christliche Fürstin sprach und von ihm auf ewig in diesem Leben in einer Sprache Abschied nahm, wie sie eine Königin nie verständiger redete, legte ihm noch einmal ihre zwei Töchter, die Freundschaft Ihrer Majestäten, den Frieden der beiden Königreiche und die Damen ihres Hofstaates mit Worten an's Herz, werth der Bewunderung, so dass einem so guten Gatten, wie der genannte Herr und König einer ist, das Herz hätte brechen mögen, aber er erwiederte ihr mit Standhaftigkeit, er könne nicht glauben, dass ihr Ende nahe sei, und versprach ihr, allen ihren Wünschen nachzukommen. Dann zog er sich traurig und in grosser Angst in seine Gemächer zurück."

Forquevaulx, der sofort herbeigeeilt war, wurde von ihr mit sanften Worten voll Schwermuth empfangen. „Die Königin erkannte mich und sagte zu mir: Herr von Forquevaulx, Sie sehen mich auf dem Wege diese elende Welt in Bälde zu verlassen, um in ein schöneres Königreich einzugehen, wo ich hoffe bei meinem Gotte in einem Ruhm zu sein, der kein Ende haben wird. Ich bitte Sie, der Königin, meiner Mutter, und dem Könige, meinem Bruder, zu sagen, dass ich sie bitte, meinen Tod im Geduld zu tragen. Ich werde für sie und die andern Geschwister zu Gott beten, dass er sie recht lange am Leben erhalten und in seinen heiligen Schutz nehmen wolle."

Forquveaulx war davon tief gerührt und suchte die Sterbende auf andere Gedanken zu bringen, indem er ihr sagte, dass sie die Gefahr überschätze, dass sie ohne Zweifel am Leben bleiben würde, mit einem Worte Alles, was man am Todbette sagen kann, ohne es selber zu glauben, aber Elisabeth erwartete den Tod, dessen Annäherung sie nur allzuwohl fühlte, ohne Zagen. Nein, nein, Herr Gesandter," unterbrach sie ihn mit einer Stimme, in der sich der Tod schon bemerklich machte, ich möchte gar zu gern Das sehen, was ich recht bald sehen zu können hoffe und glaube."

In weniger als einer halben Stunde war sie verschieden und so sanft, dass Forquevaulx sagt, man habe den Augenblick in dem sie den Geist aufgab, nur daran erkennen können, dass ihr bis dahin heller und glänzender Blick starr wurde; „er war auf mich gerichtet, als hätte sie mir noch Etwas mitzutheilen gehabt."

Forquevaulx erwähnt zum Schlusse seines Berichts eine Polizeiverordnung, die für die damaligen Sitten so charakteristisch ist, dass wir sie nur ungern unterdrücken möchten, obwohl sie eigentlich nicht zur Sache gehört. „Es wurde in Madrid öffentlich ausgerufen, dass Jedermann, bei Hofe wie in der Stadt, nach Stand und Mitteln Trauerkleider anzulegen habe und dass es für die Reichen bei einer Busse von 10,000 Maravedis und für die Armen bei Gefängniss verboten wäre, sich in bunten Kleidern zu zeigen.“

Der König zog sich wieder in das Kloster San Geromo zurück; wie aufrichtig aber seine Trauer war, kann man am

Besten daraus schliessen, dass er schon am 8. October, also nur vier Tage nach dem Tode der Königin und ehe noch das Leichenbegängniss stattgefunden hatte, Forquevaulx durch Ruy Gomes sondiren liess, was wohl der französische Hof zu seiner Wiederverheirathung mit der Prinzessin Anna von Böhmen meinen würde.

Halberstadt.

Oberlehrer Dr. Brunnemann.

Lafontaine, der Fabeldichter.

Parler de Lafontaine n'est jamais un ennui, même quand on serait bien sûr de n'y rien apporter de nouveau.

Ste. Beuve.

Es ist für den Deutschen stets eine missliche Sache gewesen, über die Werke der französischen Dichtung aus der sogenannten classischen Periode Ludwigs des Vierzehnten ein Urtheil zu fällen. Man war von jeher nur zu sehr geneigt, in der Beurtheilung derselben den strengsten Massstab anzulegen, und mit unerbitterlicher Geringschätzung über sie abzusprechen; nicht nur würde es schwer sein, einen deutschen Kritiker und Literaturhistoriker zu finden, der Corneille, Racine und Boileau mit rühmenden Worten bedacht hätte, man hätte sogar lächerlicher Vermessenheit bezüchtigt werden können, wenn man die Verherrlichung jener Koryphäen der französischen Literatur hätte übernehmen wollen. Wie sonderbar diese Thatsache erscheinen, wie sehr diese Anschauungsweise dem nationalen Vorurtheile zuzuschreiben sein mag, so findet sie doch einigermassen, wenn nicht ihre Berechtigung, doch ihre Entschuldigung, und diese liegt im ganzen Charakter jener Dichtungen. Es ist dies so sehr wahr, dass die genannten Tragiker in ihrem eigenen Lande die heftigsten Anfechtungen erlitten haben, und dass mehr als ein Akademiker für die Ehrenrettung seiner Classiker hat in die Schranken treten müssen. Die neueren Bearbeiter der französischen Literatur*) haben indessen mit Recht darauf hingewiesen, wie ungerecht es sei, dass die Deutschen in ihrem Urtheile über

Zum Beispiel Arnd, Geschichte der französischen Nationalliteratur.

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