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19. Januar 1568 erfährt Forquevaulx, dass der König am dreizehnten den Kirchen und Klöstern dieser Stadt befohlen habe, sie sollten dafür beten, dass es Gott gefallen möge, ihm in Bezug auf gewisse Erwägungen und Absichten, die er im Herzen hätte, zu rathen und das Beste einzugeben." Die Angat des Königs hatte ihren Gipfel erreicht. Don Carlos hatte seine Vorbereitungen getroffen, das Königreich zu verlassen, und er musste sich daher beeilen, wenn er nicht etwa der Welt das Schauspiel eines spanischen Thronerben geben wollte, der an den verschiedenen europäischen Höfen herumzöge und seine Verrücktheit zur Schau trage, ja möglicherweise den empörten Niederländern als willkommene Geissel in die Hände fallen konnte.

Am 22. Januar schrieb Forquevaul an Katharina von Medici: „In dem Augenblick, als ich bereit war, letzten Montag, den 19. d. M., meine Depesche abzuschicken, indem ich nur noch auf die Briefe der Königin wartete, schrieb mir dieselbe eigenhändig, dass der König sie gebeten hätte, damit noch etwas zu warten und mich zu benachrichtigen, dass ich den Courier zurückhalten sollte, bis er es mich wissen liesse, denn es läge ihm sehr viel daran, dass die Verhaftung des Prinzen nicht sofort bekannt würde." In der Nacht vorher war nehmlich der lange vorausgesehene Schlag wirklich gefallen. König Philipp hatte sich der Person des Infanten und seiner Papiere versichert und seine Bewachung dem Herzoge von Feria anvertraut. Die auf Befehl des Königs zurückgehaltene Depesche ist vom 19. datirt und lautet: „Es wird Ew. Majestät belieben sich zu erinnern, dass ich Ihnen schon vor längerer Zeit geschrieben habe, dass, wenn es nicht um des Geredes der Leute willen unterbliebe, Se. katholische Majestät seinen Sohn wegen der Ausschweifungen, die er beständig begeht, und weil er nicht Herr seiner selbst ist, in ein Gefängniss würde setzen lassen. Ew. Majestät wird aus diesem Briefe ersehen, dass diese Zeit gekommen ist, denn der Prinz ist Gefangener in seinem Zimmer, mit Ketten an den Füssen hinter vergitterten Fenstern und starken Wachen an den Thüren, und man sprischt davon, er werde nach Medina oder einem andern festen Schloss in der Nähe von Valladolid transportirt werden, da der König ihm mit eignem Munde erklärt habe, er werde ihn nur als Unterthan und nicht als Sohn behandeln. Ich werde

mich bemühen, den wahren Grund seiner Verhaftung in Erfahrung zu bringen, obwohl das Gerücht allgemein geht, er habe seinen Vater ermorden oder sich an die Spitze eines der empörten Reiche stellen wollen. Es ist wahr, dass Se. Majestät schon lange vor seiner Abreise nach dem Escurial nicht mehr mit ihm gesprochen hat, dass ferner, wie ich Ew. Majestät schon mehrmals geschrieben habe, sehr wenig Uebereinstimmung zwischen ihnen existirte und dass der Prinz es nie verstand, seinen Hass gegen den Vater zu verbergen. Man weiss ganz gut, dass er um dieses Hasses willen zu Weihnachten nicht gebeichtet und deshalb auch keine Absolution erhalten hat, weil er seinem Vater nicht verzeihen wollte und ihm sein Beichtvater desshalb nicht hat Absolution ertheilen wollen, worauf er sich an andere Doctores der Theologie wendete, die sie ihm aber gleichfalls verweigert haben. Den Grund der Verhaftung kann man noch nicht wissen; es sind nicht sechs, die ihn kennen, selbst nicht die Königin, die sich jedoch die Sache sehr zu Herzen nimmt und viel darüber weint, aus Liebe zum Könige, inmassen sie auch der Prinz so aufrichtig liebt."

Am 22. Januar berichtigt Forquevaulx seine Angabe in einem Punkte, in welchem er sich geirrt hatte. „Der Prinz hat keine Ketten, wie man sagte, auch wird er gerade so wie vorher bedient, aber er wird streng bewacht durch den Herzog von Feria." Dann fügt er hinzu: „Der König sagt, dass er vierzig Gründe beibringen wolle, die ihn genöthigt so zu handeln, und er hat seine Papiere mit Beschlag belegen lassen, und man hat ungefähr 30,000 Thaler, einen Diamanten und andere Ringe bei ihm gefunden. Man sagt, dass er sich mit den Niederländern und namentlich mit Herrn von Montigny ins Einvernehmen gesetzt habe, und dass er seinen Vater habe ermorden wollen, und es werden so viele sich widersprechende Geschichten erzählt, dass ich nicht den zehnten Theil davon glauben kann.“

Am 5. Februar schreibt er noch: „,Sire, da Seine katholische Majestät wünscht, dass Ihre Majestät in Bezug auf das, was seinem Sohn widerfahren, nur die Wahrheit vernehmen, hat er mir durch Ruy Gomes am 27. verwichenen Monats sagen lassen, dass er, der König, seit länger als drei Jahren bemerkt hätte, dass es mit dem Gehirn des Prinzen noch schlimmer

stehe, als mit seiner sonstigen Persönlichkeit, und dass er niemals einen rechten Verstand bekommen würde, sowie dass seine Handlungen von dieser Zeit an täglich neue Beweise für die Richtigkeit dieser Ansicht geliefert hätten, was Se. Majestät lange verheimlichten, indem Sie immer noch hofften, dass ihm die Jahre Vernunft und Besonnenheit bringen würden, was jedoch leider in's Gegentheil umgeschlagen ist, denn sein Zustand hat sich von Tag zu Tag verschlimmert: so dass Seine Majestät, nachdem Sie die Hoffnung gänzlich verloren, dass Ihr Sohn sich weise und der Nachfolge in seinen Reichen und Staaten würdig zeigen würde, die ihm zu lassen vielmehr gleichbedeutend sein würde mit Auflösung und augenscheinlichem Ruin derselben und seiner Unterthanen, nach reiflichster Ueberlegung und mit äusserstem Widerstreben sich endlich entschlossen haben, einen andern Weg einzuschlagen, der darin besteht, den genannten Prinzen in einem guten Gemache in diesem Schlosse zu Madrid, gerade unter dem Zimmer, in dem die Prinzessin von Portugal logirt, unterzubringen, wo er bedient werden soll wie vorher und was seine Person anbetrifft, behandelt als Prinz von gutem Hause."

Don Carlos hatte sich nehmlich nicht nur schon längere Zeit mit dem Gedanken getragen, aus Spanien zu fliehen, sondern als letzten Beweis seiner Geistes verwirrung, den Abend vor seiner Verhaftung den Versuch gemacht, seinen Onkel Don Juan d'Austria zu ermorden. Forquevaulx erzählt diesen Umstand mit allen Einzelheiten, und es kann dieser Act wahnsinniger Heftigkeit von Seiten des Prinzen um so weniger befremden, wenn man bedenkt, dass er auch schon zwei Jahre früher in einem Zornausbruch mit dem Dolch in der Hand auf den Herzog von Alba losgestürzt war."

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Die Ueberraschung Karl's des Neunten und seiner Mutter, als sie diese Nachricht erhielten, war gross. Beide schrieben am 13. Februar an Forquevaulx; zuerst der König mit folgenden Worten: „Herr von Forquevaulx, ich finde das Factum der Einsperrung des Prinzen von Spanien, das Sie mir geschrieben haben, so befremdlich wie irgend Etwas, das ich je gehört habe, indem ich gar nicht glauben kann, dass so Etwas, wie das, wovon Sie mir schreiben, dass es von ihm erzählt werde,

einem Menschen in den Sinn kommen kann; was auch der Grund ist, wesshalb ich lebhaft wünsche, weiter über die Sache aufgeklärt zu werden, und ich schicke Ihnen diese Depesche, um Sie zu bitten, mir umgehend Genaueres darüber zu melden." Katharina fügt hinzu: „Ich kann Ihnen in Bezug auf das Factum der Einsperrung des Prinzen von Spanien nichts Anderes schreiben, als was der König, mein Sohn, Ihnen davon jetzt schreibt, indem ich Sie versichere, dass mir die Sache um so mehr nahe geht, als ich weiss, dass der König, mein Schwiegersohn, davon sehr angegriffen sein wird und dass die Sache an und für sich sehr befremdlich ist."

Karl IX. wandte sich auch an den spanischen Gesandten an seinem Hofe, Don Frances, erhielt aber von demselben die in dem Munde eines Gesandten einem Souverain gegenüber eigenthümlich klingende Antwort, „das sei eine Angelegenheit zwischen Vater und Sohn, über die nach aussen Nichts ruchbar werden dürfe, übrigens seien die obwaltenden Differenzen leicht zu beseitigen." Karl IX. beschwerte sich bei seiner Schwester der Königin und Philipp versprach, er wolle dem Gesandten zu wissen thun, „dass er diese Aeusserungen höchlichst missbillige und über seine Arroganz sehr erzürnt sei." Damit geschah aber des Königs Neugier kein Genüge, und am 23. End 27. Februar sandten sie, der König und seine Mutter, neuerdings Depeschen an Forquevaulx, um ihn um weitere Aufschlüsse

zu bitten.

Der Gesandte gerieth dadurch in grosse Verlegenheit. Er konnte nehmlich nicht viel in Erfahrung bringen, da Niemand. zum Prinzen gelassen wurde. Jedoch erfuhr er nach und nach, dass der Hofstaat des Prinzen am 26. Januar aufgelöst worden sei, dass diejenigen, die ihn bedienten, weder Degen noch Dolch trügen, dass man die Personen oft wechsele, dass man dem Prinzen das Fleisch nur geschnitten servire, dass er nicht einmal ein Messer hätte, dass die Küchenjungen die Speisen nur bis an die Thüre brächten, wo sie von denen in Empfang genommen. würden, die ihn bedienten, dass seine ganze Wohnung in dem genannten Zimmer bestände und das Fenster wohl vergittert sei.

Am 8. Februar meldet er: „Es wird gegen den Prinzen von Spanien vorgegangen werden, um ihn der Nachfolge für

unfähig zu erklären," und weiter der König schickt Luis Vaneques zum Kaiser, um ihm auseinandersetzen zu lassen, dass der Entschluss, den er gefasst, seinen Sohn in einen Thurm einzuschliessen, durchaus nothwendig war." Am 18. Februar hat er neue Details zu melden: „Der Prinz von Spanien ist immer noch eingeschlossen und wird in seinem Zimmer streng bewacht; er isst wenig und mit Widerstreben und schläft weniger als gar nicht, was natürlich nicht dazu beitragen wird, seinen Gemüthszustand zu verbessern. Er wird augenscheinlich mager und seine Augen sind ganz eingefallen. Man gibt ihm bisweilen starke Fleischbrühe, Kapaun mit Ambra und andern stärkenden Pulvern zu essen, damit er nur nicht ganz schwach wird, aber er darf nicht ausgehen, ja nicht einmal den Kopf zum Fenster hinausstrecken." Philipp mochte wohl nicht bedacht haben, dass solche Strenge Don Carlos zum Aeussersten bringen müsse. Und in der That, der Infant fing an keine Nahrung mehr zu sich zu nehmen. Am 7. März meldet Forquevaulx, „der König habe sich zwei Stunden vor Tagesanbruch in das Zimmer des Infanten begeben und ihn auf das Dringendste ermahnt, Nahrung zu sich zu nehmen." Aber am 26. nimmt er den Bericht über diesen Besuch als irrthümlich wieder zurück. „Ich habe seitdem erfahren, dass er nicht über das Zimmer der Prinzessin von Eboli hinausgekommen ist.“ Wie dem nun auch gewesen sein mochte, man erlaubte jetzt dem Prinzen das Fenster zu öffnen und auf das Feld und die Vorübergehenden hinabzublicken. Die Aerzte und sein Beichtvater besuchten ihn oft. „Er ist," sagt der doch mehr als vorsichtige Berichterstatter, „viel zugänglicher und ruhiger geworden, als er anfänglich war." Einige Zeit nachher lauten die Nachrichten wieder weniger beruhigend. „Er ist im Gesicht ganz gelb geworden, auch kann er sich nicht enthalten, beständig die grössten Thorheiten zu begehen und zu sagen und auf den König, seinen Vater, zu schimpfen." Sonst bezeichnet er ihn noch in dieser Depesche als très - malade de contentement et desconfié de liberté. Diese Worte sind aber nicht recht zu verstehen, der Sinn kann jedoch kaum ein anderer sein, als dass sein Gemüthszustand sich wieder verschlimmert habe.

Philipp lag sehr viel daran, die Gerüchte über diese

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