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diligenti animo cum custodierunt et post in regem eligunt. Leo sagt im Beowulf S. 34 über diese Sage Folgendes:

Bei Dänen und Angeln, wol auch bei den Frisen an der see kömt der held ausz dem meere; bei Franken, Oberdeutschen und Longobarden ausz binnengewäszern; die dänischen Scildingen bringen den gewafneten auf dem schilde ruhenden heldensprosz in die sage; die fränkischen Merwungen den meerman; etc. Alle diese besonderen Züge sind also accomodationen, sind dasz zufällige an der sage; der dem waszer entsteigende stamheld unbekannter herkunft, welcher dem lande in drangvoller Zeit zu hülfe komt, ist der feste algemeine-grund der

sage.

Bei dem Fischer weilt der Königssohn eine Zeit lang; er treibt das Gewerbe; aber er erangelt Nichts:

Ich angle nicht nach Fischen!
Ich sah im Meeresschacht,
Wohl jeder Angel allzutief,
Viel königliche Pracht.

Und wie erwirbt er das so heiss Ersehnte?

Der Dichter schildert uns das in den folgenden Theilen des Gedichtes; während er in den vier ersten Abtheilungen Jamben gebraucht hat, geht er im fünften Abschnitt in ein lebendigeres Versmass über, weil hier die Schilderung der Heldenthaten beginnt. Er gebraucht drei Hebungen und gewöhnlich hinter jeder Hebung zwei Senkungen, so dass das Versmass dem daktylischen ähnlich wird.

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Der Königssohn vernimmt, dass ein wilder Leu das Land verwüstet:

Doch werd' ich ihn stürzen

Mit dem Speer in starker Hand,
Um die Schultern mir schürzen
Sein Goldgewand.

Der Aar, ein König, schwebet auf,
Er rauschet in Wonne,

Will langen sich zur Kron herab
Die goldne Sonne.

Doch in den Wolken hoch
Soll ihn fahen und spiessen

Mein geflügelter Pfeil,

Dass er mir sinke zu Füssen.

Wie Alexander den Bucephalus, so bändigt er ferner ein wildes Ross und wie er auf ihm vom Gebirge her in's Thal herabsprengt:

Da drängt sich alles Volk herzu

Mit Jubel und Gesange:

„Heil uns, er ist's, der König ist's,

Den wir erharrt so lange."

Erworben ist dem Jarl die Herrschaft; er herrscht nun, wie die Edda singt, in hohen Hallen und weiten Burgen und theilt Gold und Geschenke mit vollen Händen aus. Aber es fehlt noch die Herrin des Hauses. Das Rigsmal beschreibt uns sehr naturgetreu, wie verschieden die Stände bei Eingehung der Ehe sich benehmen. Der Thräl, oder Schalk, also der Knecht, schliesst die Ehe in folgender Weise: Zu ihm kommt in den Bau

Die Gängelbeinige,
Schwären am Hohlfuss,
Die Arme sonnverbrannt,
Gedrückt die Nase,
Thyr die Dirne

Breit auf die Bretterbank

Sass sie alsbald,

Ihr zur Seite

Des Hauses Sohn,

Redeten, raunten,

Ein Lager bereiteten,

Da der Abend einbrach,

Der Enk und die Dirne.

Zum Karl aber, zum freien Bauern:

Da fährt in den Hof

Mit Schlüsseln behängt
Im Ziegenkleid

Die Verlobte Karls;

Snör geheissen

Sass sie im Linnen.
Sie wohnten beisammen
Und wechselten Ringe,
Spreiteten Betten

Und bauten ein Haus.

Zuletzt der Jarl. Nachdem der Jarl viel Abenteuer bestanden, die Lanze oft geschwungen und den Wiesenplan geröthet hat, da fahren Edle auf feuchten Wegen zur gürtelschlanken, adligen, artlichen Erna und freien sie für den Jarl. Nach Kampf und Streit erst winket dem Edlen der Liebe Lohn. So singt auch Wolfram von Eschenbach: er hielte die Frau für krank am Witze, die ihn freie um seines Sanges willen; er wünsche nur der Liebe Lohn für sein Schildesamt; versagen möge ihm jede holde Frau ihre Gunst, wenn sie ihn im Kampfe weichen sehe. Und ich meine: das ist Recht. Die wahre Frau kann nur den Mann lieben, der wirklich ein Mann ist und nicht nur ein Sänger, Gelehrter oder Künstler. Des Mannes Bestimmung soll immer, wie Wolfram singt, Schildesamt sein. Der wirklich edle Germane freit anders wie der Romane und Orientale. Ihm steht sein Ideal, seine hohe Fraue gegenüber, unantastbar, wie gefeit in der Kraft ihrer Jungfräulichkeit. Hinter der webenden Lohe, der Schildburg, hinter der Dornenhecke, auf dem Glasberge oder auf dem Drachenfels, da ruht die Brunhilde, die Schildjungfrau, das Dornröschen, der unnahbare Drache. Nur der rechte Held kann durchdringen, nur der Königssohn, der Auserwählte ist ohne Schwert und Schild

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Der Kuss erlöst die Brunhilde; er ist das Zeichen der Verlobung, der Ehe; dadurch verliert die Jungfrau ihre übernatürliche Kraft, sie wird nach Odins Rathschluss ein Weib wie die andern; sie geht ein zu allen Freuden und Leiden des gewöhnlichen Menschenlebens.

Nun beginnt ein hoch poetisches. Fürstenleben, wie bei Heinrich dem Löwen, bei Herman von Thüringen, bei den edlen Babenbergern oder wie in Schwaben, wo einst so hell vom Staufen die Ritterharfe klang." Edle Ritter umdrängen den Thron, „sie können ihre Augen nicht vom lichten Throne wenden." Wie die Templeisen sich um den Parcival und um die Konduiramur schaaren, so hier die Krone und die Blüthe der Ritterschaft um den Königssohn und um die Rose sonder Dornen, um die Taube ohne Gallen.

Aber wenn auch der Königssohn daheim in der Halle erwachsen war:

Mit Linden schälen,

Sehnen winden,

Bogen spannen

Und Pfeile schäften,

Spiesse werfen,

Lanzen schwingen,

Hengste reiten,

Hunde hetzen,

Schwerter ziehen,

Den Sund durchschwimmen,

80 war doch auch zu ihm der Gott gekommen und hatte ihm Runen gelehrt, Zeitrunen und Zukunftsrunen.

Er stritt mit Rigr
Dem Jarl in Runen,
In allerlei Witz
Erwarb er den Sieg.

Nicht allein Fülle der Heldenkraft ist ihm gegeben, sondern auch volles Verständniss des geistigen Lebens. Er ehrt die Sänger und Dichter, er würde auch einen edlen Taillefer aus unwürdiger Knechtschaft befreien. Nun ist die Zeit erschienen, welche die Dichter so lange ersehnt haben. Meine Augen haben

den Herrn gesehen, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, so sprach der alte Sänger an den Füssen des Thrones:

Er greifet in sein Saitenspiel,
Das ist gar hell erklungen,
Er hat in Licht und Seligkeit
Sein Schwanenlied gesungen.

So ist ein mittelalterliches Reich gegründet, unter einem solchen Fürsten hat es geblüht; er sprach zur rechten Stunde das rechte Wort und „aus den alten Trümmern ist ein Königsschloss gestiegen."

Das dritte Gedicht, „des Sängers Fluch," zeichnet uns den Verfall der Monarchie.

Wenn das erste Gedicht, dem ernsten Charakter des latinischen Volkes und dem Ernste des Stoffes entsprechend, in angerem, jambischem Versmass geschrieben ist, das zweite dagegen in muntern springenden Weisen dahinrollte, so geht diese dritte Dichtung in dem ernsten Ton der Nibelungenstrophe einher.

Inmitten der Wonne irdischen Glanzes wohnt

.... ein stolzer König, an Land und Siegen reich, Er sass auf seinem Throne so finster und so bleich;

Denn was er sinnt, ist Schrecken und was er blickt, ist Wuth, Und was er spricht, ist Geissel, und was er schreibt, ist Blut.

Ein Sängerpaar ziehet zum Schlosse und singt dort:

von Lenz und Liebe, von sel'ger goldner Zeit, Von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit.

Sie singen so, dass die Höflingsschaar im Kreise allen Spott verlernt und des Königs trotzige Krieger sich vor Gott beugen. Da wirft der König, erzürnt auf die Verführer des Volkes,

sein Schwert,

.... das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,

D'raus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hochauf springt.

Aus dem Schlosse zieht der Sängergreis, der die gemordete Jugend mit sich führt; doch am Thore hält er still und ruft über Schloss und Gärten den schauerlichsten Fluch:

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