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unter den Leuten umsonst sein würde. Die brave Frau! Ach, daß sie nicht glücklich ist, o, daß ihr Herz alle Tage Kränkungen von ihm leiden muß!

Sie schweigt und betet zu Gott und dankt ihm für die Prüfungen der Leiden.

Ewigkeit! Wenn du einst enthüllest die Wege Gottes und den Segen der Menschen, die Gott durch Leiden, Elend und Jammer in ihrem Innern Stärke, Geduld und Weisheit lehret, o Ewigkeit, wie wirst du die Geprüfte erhöhen, die du hier so erniedrigt hast!

Kriecher hatte das Loch im Kopf vergessen, fast eh es wieder geheilt war, und er ist immer der gleiche. Er kränkt und plagt die Frau ohne Ursache und Anlaß alle Tage und verbittert ihr das Leben. Eine Viertelstunde, ehe der Vogt kam, hatte die Kaze die Dellampe vom Ofen herunter_geworfen und ein paar Tropfen gingen verloren. Du Laster, hättest du sie besser gezogen! sagte er mit seiner gewöhnlichen Wuth zur Frau. Du kannst jetzt im Finstern siten und das Feuer mit Kühfoth anzünden, du Hornvieh!

Die Frau antwortete kein Wort; aber häufig flossen die Thränen von ihren Wangen und die Kinder in allen Ecken weinten wie die Mutter. So eben klopfte der Vogt an.

Schweigt doch! um aller Liebe willen, schweigt doch! Was will's geben, der Vogt ist vor der Thür, sagt Kriecher. Er wischte den Kindern mit seinem Schnupftuch geschwind die Thränen von den Backen und drohte ihnen: Wenn eins nur noch muckjet, so seht zu, wie ich's zerhauen werde. Dann öffnete er dem Vogt die Thür, bückte sich und fragte ihn: Was habt ihr zu befehlen, Herr Untervogt? Der Vogt sagt ihm kurz den Bericht.

Kriecher aber, der bei der Thür die Ohren spißt und Niemand mehr weinen hört, antwortet dem Vogt: Kommt doch in die Stube, Herr Untervogt! Ich will's doch auch geschwind meiner lieben Frau sagen, wie ein großes Glück mir widerfahre. Der Vogt geht mit ihm in die Stube und Kriecher sagt seiner Frau: Der Herr Untervogt bringt mir eben die glückliche Botschaft, daß ich an dem Kirchbau

Antheil habe und das ist eine große Gnade, für die ich nicht genug danken kann.

Die Frau antwortet: Ich danke Gott! aber ein Seufzer entfährt ihr.

Vogt. Fehlt deiner Frau etwas?

Kriecher. Es ist ihr leider die Zeit her nicht gar wohl, Herr Untervogt.

Seitwärts blickt er zornig und drohend gegen die Frau. Vogt. Ich muß wieder gehen. Gute Besserung, Frau. Frau. Behüt euch Gott, Herr Untervogt.

Kriecher. Seid doch auch so gut und dankt dem gnädigen Herrn in meinem Namen für diese Gnade, wenn ich bitten darf, Herr Untervogt.

Vogt. Du kannst es selber thun.

Kriecher. Ihr habt auch Recht, Herr Untervogt. Es war unverschämt von mir, daß ich euch darum bat. Ich will nächster Tage ins Schloß gehen; es ist meine Schuldigkeit. Vogt. Am Montag Morgens gehen die andern alle und ich denke, du wirst wohl mitgehen können.

Kriecher. Natürlich, Herr Untervogt. Ja freilich. Ich wußte es nur nicht, daß sie auch gingen.

Vogt. Behüt euch Gott, Kriecher.

Kriecher. Ich sag euch schuldigen Dank, Herr Untervogt. Vogt. Du hast mir nichts zu danken. Er geht und sagt im Gehen zu sich selbst: Wenn der nicht den Teufel im Schilde führt, so trügt mich Alles. Vielleicht wäre das ein Mann, wie ich einen brauchte gegen den Maurer; aber wer will einem Heuchler trauen? Ich will den Schabenmichel lieber, der ist geradezu ein Schelm.

23. Ein reines, fröhliches und dankbares Herz und wie Schelme mit einander reden.

Vom Kriecher weg kommt der Vogt zu Aebi dem jüngern. Als dieser hörte, was ihm begegnete, jauchzte er vor Freuden und sprang auf, wie ein junges Rind am ersten Frühlings

tage auf der Weide aufspringt. Das will ich jetzt auch meiner Frau sagen, daß sie sich recht freue. Doch ich warte lieber bis morgen. Es sind just morgen acht Jahre, daß fie mich nahm. Es war Josephstag, ich weiß es noch, wie wenn's gestern wäre. Wir haben seitdem manche saure, aber auch manche frohe Stunde gehabt. Gott sei Lob und Dank für Alles. Aber morgen, sobald sie erwachen wird, will ich's ihr dann sagen. Wär's doch schon morgen! Es ist mir, ich sehe es jetzt schon, wie sie weinen und lachen wird durch einander und wie sie ihre Lieben und mich in ihrer Freude an's Herz drücken wird. Ach, wär's doch schon Morgen! Ich tödte das eine Huhn ihr zur Freude und koch es, ohne daß sie's merkt, in der Suppe; es freut sie dann doch, wenn sie es schon reut. Nein, ich mache mir kein Gewissen, es ist für diese Freude nicht Sünde, ich thue es und schlachte es. Den ganzen Tag bleibe ich daheim und freue mich mit ihr und den Kindern. Nein, ich gehe mit ihr zur Kirche und zum Nachtmahl. Jauchzen und freuen wollen wir uns, und dem lieben Gott danken, daß er so gut ist. So redeté der jüngere Aebi in der Freude seines Herzens über des Vogts gute Botschaft mit sich selber und konnte vor Sehnsucht den Morgen fast nicht erleben, und that dann, was er eben gesagt hatte.

Vom Aebi weg ging der Vogt zum Schabenmichel. Dieser sieht ihn von ferne, winkt ihm in eine Ecke hinter das Haus und fragt ihn: Was Teufel hast du?

Vogt. Etwas Lustiges.

Michel. Ja du bist der Kerl, den man schickt, um zu Hochzeiten, zum Tanz und zum Lustigmachen einzuladen. Vogt. Es ist gewiß nichts Trauriges.

Michel. Was denn?

Vogt. Du bist in eine neue Gesellschaft gekommen.
Michel. Mit wem denn und warum?

Vogt. Mit dem Hübelrudi, mit dem Lenf, mit dem Leemann, mit dem Kriecher, und mit dem Marr auf der Neuti.

Michel. Du Narr! Was soll ich mit diesen?

Vogt. Aufbauen und auspußen das Haus des Herrn in Bonnal und seine Mauern am Kirchhof.

Michel. Im Erust?

Vogt. Bei Gott!

Michel. Aber wer hat hierzu die Blinden und die Lahmen auserjehen?

Vogt. Mein Wohledelgeborner, der wohlweise und gestrenge Junker.

Michel. Sit er ein Narr?

Vogt. Was weiß ich?

Michel. Es hat das Ansehen.

Vogt. Vielleicht ist es nicht das schlimmste, daß er fo ift. Leicht Holz ist gut drehen.

Aber ich muß fort. Komm diesen Abend zu mir, ich muß mit dir reden. Michel. Ich will nicht fehlen. Zu wem geht jet die Reise?

Vogt. Auf die Reuti zum Marr.

Michel. Das ist ein Kerl zur Arbeit. Man muß von Sinnen sein, so einen anzustellen. Ich glaube nicht, daß der bei Jahr und Tag einen Karst oder eine Schaufel in der Hand gehabt hat; und er ist auf der einen Seite halb lahm.

Vogt. Was macht das? Komm du auf den Abend richtig zu mir. Damit ging der Vogt von ihm weg.

24. Hochmuth in Armuth und Elend führt zu den unnatürlichsten, abscheulichsten Thaten.

Der Vogt ging jetzt zu Marr auf der Reuti. Dieser war vor Zeiten wohlhabend und hatte Handel getrieben; aber jezt war er schon längst vergantet (fein Gut war öffentlich versteigert) und er lebte fast gänzlich vom Almosen des Pfarrers und einiger bemittelten Verwandten, die er hatte. In allem feinem Elend aber blieb er immer gleich hochmüthig und verbarg den dringenden Mangel und Hunger

seines Hauses, wie er konnte und mochte, außer da, wo er bettelte.

Dieser erschrak heftig, als er den Vogt sah, aber er ward darum nicht blaß; denn er war ohne das schon todtgelb. Er nahm schnell die umherliegenden Lumpen, schob sie unter die Decke des Bettes und befahl den fast nackenden Kindern, auf der Stelle sich in die Kammer zu verbergen. Herr Jesus! fagen die Kinder, es schneit und regnet ja hinein, höre doch, wie's stürmt, Vater, es ist ja kein Fenster mehr in der Kammer. Geht, ihr gottlosen Kinder, sonst macht ihr mich toll. Meint ihr, es sei euch nicht nöthig, daß ihr euer Fleisch freuzigen lernt? - Es ist nicht auszustehen, Vater! sagen die Kinder. Es wird ja nicht lang währen, ihr Ketzer, geht doch, sagt der Vater, stößt sie hinein, schließt die Thür, und ruft dann den Vogt in die Stube.

Dieser sagte ihm den Bericht. Der Marr aber dankt dem Vogt und fragt: Bin ich Aufseher unter diesen Leuten? Was denkst du, Marr? antwortete der Vogt.

Arbeiter bist du, wie die andern.

Marr. So, Herr Untervogt?

Nein,

Vogt. Es steht dir frei, wenn du etwa die Arbeit nicht willst.

Marr. Ich bin freilich sonst solcher Arbeit nicht gewohnt. Aber weil's das Schloß und den Herrn Pfarrer betrifft, so darf ich wohl nicht anders und will sie annehmen.

Vogt. Es wird sie sehr freuen und ich denke fast, der Junker werde mich noch einmal zu dir schicken, dir zu danken. Marr. Ha, ich mein's eben nicht so; aber insgemein möchte ich doch nicht bei Jedermann taglöhnern. Vogt. Du hast sonst Brod!

Marr. Gott Lob, noch immer.

Vogt. Ich weiß wohl; aber wo find deine Kinder? Marr. Bei der Schwester meiner seligen Frau, sie essen da zu Mittag.

Vogt. Es war mir, ich hörte eben in der Kammer Kinder schreien.

Marr. Es ist kein einziges zu Hause.

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