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der Liebesqual finden, und wenn er bei seiner Schönen in Ungnade fällt, muss er bereit sein, sich das Leben zu nehmen *). Es versteht sich ferner, dass der echte Ritter niemals unter seinem Stand liebt. In Corneille's Medea" heisst es rühmend von Jason, dass seine hohe Geburt ihn lehre, nur um Fürstinnen zu werben, und dass er sich verachten müsse, wenn er seine Liebe andern als Königstöchtern geschenkt hätte **).

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Dafür sollen andrerseits alle Vergehen, ja selbst Verbrechen, die aus Liebe begangen werden, mit Nachsicht beurtheilt werden. Sie entehren nicht. In Corneille's Clitandre" (1632) lockt Dorise, eine Hofdame, ihre Nebenbuhlerin in einen öden Wald und versucht sie dort zu ermorden. Am Schluss des Stücks wird sie wieder zu Gnaden aufgenommen und mit einem braven Mann verheiratet. Du Ryer schildert in seinem „Alcionée“ (1639) die Empörung eben dieses Alcionée gegen seinen König, den Beherrscher von Lydien, der ihm die Hand seiner Tochter Lydia versagt hat. Der König wird besiegt und muss nachgeben. Aber Lydia ist zu stolz. Sie liebt zwar den Helden, weigert sich in

leur inspiroit de la libéralité et toutes sortes de vertus; mais que d'un autre côté les femmes qui étoient l'ornement du monde et étoient faites pour être servies et adorées des hommes, ne devoient souffrir que leurs respects."

*) Corneille, Pertharite II. 1, v. 92 ff.:

L'amant est trop payé, quand son service oblige;

Et quiconque en aimant aspire à d'autres prix
N'a qu'un amour servile et digne de mépris.
Le véritable amour jamais n'est mercenaire,

Il n'est jamais souillé de l'espoir du salaire.

In Du Ryer's "Scévole“ beklagt Junia den vermeintlichen Tod Scävola's. Sie hat ihn geliebt, aber sich wohl gehütet, ihm je ihre Neigung zu verrathen. Sie sagt II. 1. 16 ff.:

Si j'ai par mes froideurs ton amour combattu,

Si jamais cet amour qu'emporte ta belle âme,
Ne tira de ma bouche un aveu de ma flamme,
Je crois te satisfaire après tant de douleurs
Lorsqu'entre Rome et toi je partage mes pleurs.

**) Corneille, Médée I. 1. 2. ff.

Jason ne fit jamais de communes maîtresses:
Il est né seulement pour charmer des princesses,
Et haïroit l'amour, s'il avoit sous sa loi
Rangé de moindres coeurs que des filles de roi.

dessen, ihm ihre Hand zu reichen, und dieser ersticht sich aus Verzweiflung *).

Noch nachdrücklicher vertritt Scudéry die Lehre, dass ein Verbrechen, zu dem die Liebe getrieben hat, verziehen werden muss. In seinem Stück „L'amour tyrannique" überzieht Tiridate, König von Pontus, aus Liebe zu seiner Schwägerin, der schönen Polyxène, seinen eignen Schwiegervater und seinen Schwager mit Krieg, besiegt sie und stürzt sie ins Unglück. Er erscheint als ein rücksichtsloser Tyrann. Aber am Schluss geht er in sich, bekehrt sich und beschliesst, künftighin statt der tyrannischen Liebe die vernünftige Liebe, d. h. die Liebe zu seiner Frau, vorwalten zu lassen. Und damit ist Alles wieder gut.

In den Lustspielen herrschte grössere Freiheit. Dort durfte, wie in der „Suivante" des Corneille, eine hochgestellte Dame sogar einen Bewerber erhören, der ihr im Rang nicht ganz gleich stand; sie durfte betonen, dass ihr Geliebter durch seine trefflichen Eigenschaften hervorleuchtet, und dass Vermögensrücksichten nur niedere Seelen bestimmen können. Ein ähnliches Verhältniss findet sich in dem Lustspiel „La veuve“ von Corneille. Aber in beiden Fällen sind die erkornen Herren doch von Adel. Corneille versuchte in seinen Lustspielen den Geist der feinen Gesellschaft seiner Zeit zur Darstellung zu bringen, und so finden wir in ihnen ebenfalls den romantisch-ritterlichen Sinn vorherrschend. Die geliebte Dame darf auch bei ihm nicht so schnell ihre Gefühle gestehen, sie muss sich kalt zeigen, den Liebenden durch erheuchelten Zorn auf die Probe stellen, und ihm in jeder Weise den Sieg erschweren, um dessen Werth zu erhöhen.

In der Wirklichkeit gestalteten sich die Verhältnisse freilich zumeist ganz anders. Der Geist ritterlicher Galanterie herrschte allerdings in den Beziehungen der beiden Geschlechter zu einander, und die Chronik der heitern, von Festen und Vergnügungen

*) Alcionée entschuldigt seine Empörung, indem er der Prinzessin zuruft (III. 3.):

,,Mais hélas! s'il est vrai que tout amour extrême
Des crimes qu'il commet est l'excuse lui-même,
Combien doit ma princesse excuser mes forfaits,
S'ils partent d'un amour qu'on n'égala jamais!“

belebten Zeit der Regentschaft hat viel von galanten Abenteuern und ernsten Werbungen, von platonischen Freundschaftsbündnissen und sehr reellen Liebesverhältnissen zu berichten. Aber immerhin belehren uns die Schauspiele und Romane, wie man zu sein wünschte; die Memoiren und Lustspiele, wie man war. Der Unterschied ist oft gross. Wenn Frau von Sévigné noch in späterer Zeit für das ritterliche Ideal ihrer Jugend schwärmte, so konnte sie dasselbe weder in der Erinnerung an ihren Gemal, noch in dem Treiben ihres Sohnes verwirklicht finden.

Höher noch als die Pflicht der Liebe stand dem Edlen das Gebot der Ehre und des Ruhms.

Auch hier muss man bemerken, dass der Begriff der Ehre von der vornehmen Welt jener Zeit anders aufgefasst wurde, und sich wesentlich von der Idee unterschied, welche man sich etwa heute davon macht. Wie das Ideal des siebzehnten Jahrhunderts die Liebe in besonderer Weise verstand, so hatte es auch für die Ehre nicht minder strenge und spitzfindig ausgesonnene Gesetze.

Zum Verständniss derselben dient ein Blick auf Corneille's „Cid", der die Ideale des Jahrhunderts am deutlichsten zum Ausdruck gebracht hat. Chimene hat ihren Vater durch das Schwert Rodrigo's verloren. Dieser durfte den Zweikampf nicht vermeiden, wollte er nicht von Chimene verachtet werden. Er sagt ihr: Die Du mich liebtest, da ich edel war,

Du könntest mich, wär' ich entehrt, nur hassen.

Und Chimene bestätigt dies:

Wahr ist's, Rodrigo, bin ich Dir auch Feindin,

Dass Du die Schande flohst, kann ich nicht tadeln *).

So weit versteht man auch heute noch vollkommen das Benehmen der beiden Verlobten. Chimene aber geht weiter. Ihre Ehre erheischt, dass sie sich räche, dass sie den Geliebten mit Todfeindschaft verfolge. Hat sie ihr Ziel erreicht, ist Rodrigo ge

*) Corneille, le Cid III. 4. v. 42:

Qui m'aima généraux, me haïroit infâme,

ibid. III. 4. v. 57:

Ah, Rodrigue, il est vrai, quoique ton ennemie,
Je ne te puis blâmer d'avoir fui l'infamie.

fallen dann mag sie selbst den Tod als einen willkommnen Freund suchen.

„Ich muss mich rächen, meine Ehre heischt es!

Die Ehre rein zu halten, und mein Leid

Zu enden, will ich ihn verfolgen, tödten,

Und selbst dann sterben *).

Das Gesetz der Blutrache tritt hier im Gewand höfischer Sitte zu Tag; es ist die alte barbarische Forderung der Wiedervergeltung, welche hier als Ehrenpflicht erscheint. Wie nun Rodrigo sich dem Rachedurst Chimene's gegenüber verhält, wie spitzfindig beide in der Ausübung ihrer vermeintlichen Pflichten sind, werden wir an andrer Stelle sehen.

Noch ängstlicher ausgeklügelt zeigen sich die Gebote des Ehrgefühls in Corneille's „Don Sanche". Carlos, ein ausgezeichneter Ritter, dessen Herkunft aber in Dunkel gehüllt ist, liebt die Königin Isabella von Castilien. Doch hegt er keine thörigten Hoffnungen. Ja er sagt ihr, dass er sie weniger achten und nicht mehr lieben könnte, wenn sie sich unbegreiflicher Weise herablassen sollte, ihn mit ihrer Neigung zu beglücken **). Natürlich stellt sich am Schluss des Stücks heraus, dass Carlos ein Königssohn ist, denn woher wäre ihm sonst solcher Adel der Gesinnung gekommen?

Im „Pompée" geht die Königin Cleopatra noch weiter. Sie liebt Cäsar, den Helden, aber ihre Ehre verlangt, dass Egypten die Partei des Pompejus ergreife und gegen Cäsar kämpfe. Aus reiner Liebe zu Cäsar, und um sich dessen würdig zu erweisen,

*) Corneille, Le Cid III. 3. v. 50 und 56:

Il y va de ma gloire, il faut que je me venge.

Pour conserver ma gloire et finir mon ennui,

Le poursuivre, le perdre et mourir après lui.

**) Corneille, Don Sanche II. 2. 70:

Si par quelque malheur que je ne puis comprendre,
Du trône jusqu'à moi je la voyois descendre,
Commençant aussitôt à vous moins estimer,
Je cesserois sans doute aussi de vous aimer.

reizt sie zum Krieg gegen ihn*). Dass eine solche Denkart dem französischen Volk unverständlich bleiben musste, ist klar. Solche Verirrungen sind nur in einer Gesellschaft möglich, die mit den Gefühlen zu spielen liebt, und darüber oft die Natürlichkeit einbüsst. Zum Glück besass Corneille nicht allein die Gabe, der feinen Welt zu gefallen; er hatte auch das Geheimniss, die einfachsten Naturen, sein ganzes Volk zu begeistern und mit sich fortzureissen.

Fast gleichbedeutend mit der Ehre und unauflöslich mit ihr verknüpft erscheint in dem Ideal der Zeit der Begriff des Ruhms. Das Wort gloire bezeichnet oft die beiden Güter. Aber die Rücksicht auf den Ruhm fälscht nicht selten die besten Thaten jener Helden. Wenn sie nur für den Ruhm arbeiten, und in sofern nur die Befriedigung ihrer Eitelkeit erstreben, so haben sie ihren Lohn dahin. Wenn Augustus (in „Cinna“) den Verschwörern verzeiht, so thut er es nicht allein, wie man glauben möchte, aus Milde. Denn er ruft mit Emphase aus:

Jahrhunderte! Geschichte!

Bewahre meines letzten Siegs Gedächtniss **)

Hätte Corneille den Kaiser als eitel und ruhmbegierig hinstellen wollen, so hätte er ihm keine besseren Worte in den Mund legen können. Aber er wollte ihn den Anschauungen der Zeit entsprechend, ein edles Gefühl ausdrücken lassen, und gerade, weil wir ein solches heute nicht mehr in diesem Ausspruch erkennen, missfällt er uns. In dem „Oedipe" hören wir, dass die

*) Corneille, Pompée II. 1. v. 3 ff.:

Cléopatre:

Et toujours ma vertu retrace dans mon coeur
Ce qu'il doit au vaincu, brûlant pour le vainqueur.

Charmion:

Quoi! vous aimez César! et si vous étiez crue,

L'Egypte pour Pompée armeroit à sa vue,

En prendroit la défense, et, par un prompt secours,
Du destin de Pharsale arrêteroit le cours!

L'amour, certes, sur vous a bien peu de puissance.

**) Corneille, Cinna V. 3. 35:

O siècles! o mémoire!

Conservez à jamais ma dernière victoire!

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