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Honorar bezog, wie man erzählte. Ein Mann, den die Verleger aufsuchen und den sie durch Vorschüsse zu fesseln suchen, musste beim Publikum beliebt sein. Auch andere Nachrichten bestätigen das Ansehen, dessen Du Ryer genoss. Der Erfolg seiner Uebersetzungen musste ihm um so willkommener sein, als die dramatischen Werke, die er in den Jahren 1648-1654 auf seinen Scävola" folgen liess, wenig Beifall fanden*), und er sich, gleich entschloss, sein Glück auf der Bühne nicht mehr zu

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Corneille,

versuchen.

Die letzten Jahre seines Lebens erscheinen uns wie der matte Abschluss eines gut begonnenen Schauspiels. Denn der Philosoph Du Ryer, der die Unabhängigkeit so hoch geschätzt, der sich in die Einsamkeit und Einfachheit zurückgezogen hatte, verwandelte sich schliesslich doch in einen Höfling, um sich eine gute Stelle und ein schönes Einkommen zu sichern. Seine Frau starb, und nach ihrem Tod war der kleine Haushalt bald zerrüttet, zumal das Theater keine Einnahme mehr brachte. So entschloss sich Du Ryer denn doch wieder in die Dienste eines hohen Herrn einzutreten. Er wurde Sekretär des Herzogs von Vendôme, der ihm bald auch die gut bezahlte Sinecure eines Historiographen von Frankreich verschaffte. Nun war er ein gemachter Mann, und als er gar 1655 sich zum zweitenmal, und zwar mit einer reichen Frau, Marie de Bonnaire, verheiratete, schien sein Glück begründet. Der finanziellen Sorgen ledig, bewohnte er ein Haus in dem schönsten Theil des damaligen Paris, in der Rue des Tournelles, und später ein anderes in der Nähe des Château de Bercy. Aber er sollte sich nicht lange eines sorglosen Lebens erfreuen. Der Tod ereilte ihn drei Jahre nach seiner Heirat, im Jahr 1658. Von den Dichtern, welche so muthig und hoffnungsfreudig in den Dreissiger Jahren sich dem aufblühenden Drama gewidmet, und so wohlverdienten Erfolg errungen hatten, blieb nur Corneille, um die Traditionen der heroischen Tragödie gegenüber einer neuen anders denkenden Schule zu vertheidigen.

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*) Es waren dies die Tragödien Thémistocle", „Nitocris, reine de Babylone", und die Tragikomödien „Dinamis, reine de Carie“ und „Anaxandre“.

Eilfter Abschnitt.

Die Bühne und die Aufführungen.

Wir haben die Entwicklung des französischen Theaters aufmerksam verfolgt; aber unsere Darstellung wäre unvollständig, wenn wir seine äusseren Verhältnisse unberücksichtigt lassen wollten. Ein dramatisches Werk kann in seiner wahren Bedeutung nur erkannt werden, wenn es, seiner Natur entsprechend, lebendig dargestellt wird. Je mehr es wirklich dramatisch gedacht und gearbeitet ist, um so nachdrücklicher verlangt es auf der Bühne selbst seine Kraft zu erweisen und diese Forderung ist doppelt gerechtfertigt, wenn die Dichtung einer früheren, uns schon fremd gewordenen Epoche angehört. Wir mögen uns noch so sehr in das Studium der tragischen Werke längst vergangener Zeiten vertiefen, wir werden ihnen nie das volle Verständniss abgewinnen, so lang sie nicht von der Bühne herab zu uns gesprochen haben. Erst das lebendige Wort und die Darstellung führen wahrhaft in den Geist der dramatischen Dichtung ein, denn sie allein erlauben uns, den Charakter derselben und den Eindruck, den sie ausüben kann, völlig zu erkennen.

Darum erfüllt die nationale Bühne eines Landes nur ihre Pflicht, wenn sie die klassischen Werke ihrer Literatur auch nach Jahrhunderten noch durch pietätvolle Aufführungen in dem Sinn des Volks lebendig erhält.

In einem grossen dramatischen Werk birgt sich indessen ein zwiefacher Geist. In ihm, wie in jeder echten Dichtung lebt, über den Wechsel der Zeit und des Geschmacks erhaben, in ewiger Schönheit der Geist der wahren Poesie. Daneben aber spricht aus ihm auch der Geist des Jahrhunderts, in dem es entstanden ist. Aeussere Umstände, geschichtliche und sociale Verhältnisse sind von zwingendem Einfluss auf einen Dichter, und geben seinem Werk das, was späteren Generationen oft fremd und unverständlich darin erscheint. Die modernen Auf

führungen älterer Dramen suchen mit Recht dieses Nebensächliche, diese fremdartige Zuthat so viel wie möglich abzustreifen, um die Grösse und Schönheit der Dichtung rein und ungemischt zur Geltung zu bringen. Mit dieser Aenderung wird dieselbe freilich modernisirt, denn die äusseren Verhältnisse der Bühne, die Einrichtung und Ausstattung der Scene, die Manier des Vortrags und des Spiels sind der Mode unterworfen und verändern sich mit jedem Jahrhundert. Es ist klar, dass eine historisch ganz getreue Wiederholung älterer Schauspiele, d. h. ihre Darstellung in der Weise der früheren Zeit, nicht möglich ist. Da sie von modernen Schauspielern vor einem modernen Publikum aufgeführt werden, geht auch ein Hauch moderner Auffassung und modernen Lebens in sie über.

Um so gewisser erwächst dem Literarhistoriker die Aufgabe, jene äusseren Verhältnisse und scheinbar unwichtigen Nebenumstände zu berücksichtigen. So werthlos sie beim ersten Anblick auch für das Verständniss eines Dichtwerkes erscheinen mögen, man findet bald, dass sie oft wesentlich zur Kenntniss eines Dichters beitragen. Was Anfangs vielleicht als unbegreifliche Eigenthümlichkeit eines Mannes erschien, das enthüllt sich bei genauerer Betrachtung dieser äusseren Verhältnisse gar manchmal als das Ergebniss zwingender Umstände.

Wir wollen es also versuchen, im Geist die alte Bühne wieder aufzubauen, wie sie Corneille in den ersten Jahren seiner Thätigkeit kannte. Denn auch in diesen Aeusserlichkeiten unterschied sich das Theater der späteren Zeit, die Bühne Racine's, vielfach von dem Theater, auf welchem zuerst der „Cid“ und ,,Polyeucte" gespielt wurden. Wenn es gelingt, eine lebendige Anschauung der alten Bühne mit ihren uns so seltsam anmuthenden Einrichtungen zu geben und die damalige Weise des dramatischen Spiels deutlich zu machen, so ist das ein grosser Gewinn. Dann ist der richtige Hintergrund gefunden, auf dem sich die Helden und Heldinnen Corneille's deutlich abheben und in ihrer wahren Natur erkennen lassen.

Wir haben schon früher Gelegenheit gefunden, die Einrichtung eines Theaters und die Art der Aufführungen während der ersten Jahrzehnte des siebzehnten Jahrhunderts zu schil

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