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So zog er sich also von dem Theater, das ihm liebgeworden, zurück, und schien den Aufregungen, welche ihm die Bühne in so reichem Mass geboten hatte, für den Rest seines Lebens entsagen zu wollen. Hätte eine gütige Muse ihn in diesem Entschluss bestärkt, sie hätte ihm manche bittere Enttäuschung erspart, und sein Dichterruhm hätte kaum etwas eingebüsst.

Aber Corneille wäre eben nicht der grosse Dichter gewesen, der er trotz so mancher Schwäche war, er hätte nimmer die Bedeutung erlangt, die ihm Niemand auf dem Gebiet der dramatischen Literatur absprechen kann, wenn er nicht in dem Zauberbann der Bühne gestanden hätte. Der Triumph ist in der Welt des Theaters, wo die Phantasie das Scepter führt, doppelt berauschend; selbst eine Niederlage wirkt selten ernüchternd, sondern lockt nur mit bestrickender, dämonischer Gewalt zu neuem Versuch. Corneille mochte den festen Entschluss gefasst haben, nichts mehr für die Bühne zu schreiben: da das heilige Feuer in ihm glühte, war es ihm unmöglich, sich für immer von dem Feenland fern zu halten.

Achter Abschnitt.

Spätere Thätigkeit Corneille's und letzte

Lebensjahre.

Lotheissen, Gesch. d. franz. Literatur.

19

Corneille stand in der Kraft seiner Jahre, als er sich entschloss jeder weiteren dramatischen Arbeit zu entsagen. Noch waren ihm über dreissig Jahre beschieden, aber die Geschichte dieses letzten Lebensabschnitts ist traurig und erweckt peinliche Empfindungen. Denn er blieb seinem Vorsatz nicht getreu und kehrte nach einigen Jahren zur Bühne zurück, fand aber dort nicht mehr das alte Glück, wenn er auch noch manchen augenblicklichen Erfolg erzielte. Seiner Kraft bewusst, fühlte er um so schmerzlicher, wie er in dem Kampf mit einer neuen Zeit unterlag. Es war kein reiner Zufall gewesen, dass er um die Mitte des Jahrhunderts, nach der Unterdrückung der Fronde, auf jede fernere Thätigkeit für die Bühne verzichtete. Die grosse Umwälzung in den politischen und socialen Verhältnissen Frankreich's fand damals ihren Abschluss. Mit der Gesellschaft, die zu jener Zeit verschwand, verloren auch die bis dahin giltigen Anschauungen ihre Herrschaft, und mit der unumschränkten Monarchie erhob sich zugleich ein neuer Geschmack. Corneille hatte nicht zur Partei der Frondeurs gehört, allein er hatte doch im Sinn und im Geschmack der mit der Fronde unterliegenden Aristokratie gedichtet. Als er nach sechsjähriger Zurückgezogenheit wieder mit einem dramatischen Werk auftrat, stand er einer ihm innerlich fremden Welt gegenüber, so ergeben dieselbe ihm auch scheinbar sein mochte. Neue Grundsätze, neue Theorien, neue Ideale kamen in derselben zur Geltung, und der Dichter fühlte sich nicht mehr von der Begeisterung des Publikums wie früher getragen.

Das Leben Corneille's gleicht in seiner zweiten Hälfte einer Tragödie, denn sein fruchtloser Kampf mit der modernen Zeit, sein qualvolles und vergebliches Ringen, um den Anforderungen der jüngeren Generation zu entsprechen, ist wahrhaft tragisch. Die verschiedenen Phasen dieser traurigen Entwicklung und dieses

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