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folgt im Doppeltakt die Arie des Ombra,,Risuegliati". Sie besteht aus den Teilen A. B. A.; die Violine, Violen und Bässe schliessen sich, fast so wie bei Lully, ängstlich an die Singstimme an und spielen, wo diese schweigt, leise und gehalten weiter.

Noch charakteristischer verfährt Steffani beim zweiten Erscheinen Ombras (II, Sc. 28), wo er das Cembalo aussetzen lässt (tace il cembalo sino al aria) und wiederum ,,piano" von den Streichern fordert. Der Satz hebt im düstern a-moll an und verläuft anfänglich in leeren halben Noten, die nur selten durch Viertel unterbrochen werden, während die Stimme recitando sich vernehmen lässt. Erst als die in der Form merkwürdig freie Arie einsetzt, mit den Worten,,Come stolto è quel mortal", beginnt ein lebhafterer Ton.

Das ist, als Ganzes betrachtet, eine hervorragende Leistung des 30jährigen Steffani. Wenn wir seine späteren Opern, schon die,,Niobe", vor allem aber ,,Rivali concordi" und ,,Tassilone" betrachten, so zeigt er gerade in dieser ganz subjektiv gefärbten Charakterisierung und in der Gefühlswärme eine Originalität des Ausdruckes, die in seiner Zeit schlechthin unerreicht dasteht. Ich kann es mir nicht versagen, nachdrücklich hervorzuheben, dass nach dieser Seite Steffani heute noch bei weitem nicht nach Gebühr geschätzt ist. Ich habe in,,Niobe",,,Rivali concordi",,,Briseide" Proben eines Geistes gefunden, der seiner Zeit weit vorausgeeilt ist. Was Steffani da Neues bringt, trägt den Stempel des Genies.

Gerade im Anschluss an die von uns hier behandelte Orchesterarie kann ich ganz wunderbare Stücke citieren. In der Oper,,Tassilone", die überhaupt den Höhepunkt in Steffani's Schaffen bedeutet und die sich schon durch den germanischen Stoff von der herkömmlichen Schablone abseits stellt, sind es besonders zwei Arien, die nicht allein durch die Kühnheit der harmonischen Fortschreitung, sondern auch durch die musikalische Erschöpfung des dichterischen Gedankens überraschen. Die eine, die Arie des Gheroldo,,Scelgia il dardo" geht aus dem lebhaften Sechzehntelrhythmus(c-Takt) bei den Worten,,Muoia meco" in den langsamen 3/2 Takt über:

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Es ist dies der zweite Teil der Arie. Die Gesangsführung unterscheidet sich von der des fortwährend durch Zwischenspiele unterbrochenen ersten Teiles durch Geschlossenheit und Flüssigkeit.

Ähnlich, aber formell ganz frei, gestaltet Steffani die Arie der Ghismonda,,Dentro al seno" (Akt 1, Sc. 3). Bei den Worten,,se lo sdegno" beginnt der zweite Teil noch im c-Takt, geht aber an der Stelle,,codardami" plötzlich in eine langgedehnte Cantilene im 1⁄2 Takt über (d-moll), die am Schluss fast wörtlich wiederholt wird.

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Aber auch schon in der drei Jahre älteren Oper ,,Niobe" zeigen sich solche Genieblitze. In der Arie,,Dal mio petto" (II, Sc. 5) lässt Steffani die Streicher (erste und zweite Violinen, Violen und Bässe) mit dem Cembalo solistisch (zu dreien) die Klage des Anfion mit eigentümlich zitternden Bebungen begleiten:

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Man beachte hier die in der Zeit unerhörte Dynamik. Die Wirkung des Sätzchens muss in der Originalbesetzung überwältigend sein.

Der leere Klang des e-moll-Akkordes und der auf den gleichen Ton pochende Rhythmus haben ihr Vorbild bei Cavalli, in der ergreifenden Beschwörungsscene der Medea im ,,Giasone" (1649):

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