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er dem Hofkapellmeister Joh. Kasp. Kerl in Kost gegeben. und lernt bei ihm die „Orgel schlagen", wofür Kerl laut Dekret vom 20. Dezember 1668 vierteljährlich 108 fl. erhält. Er bleibt bei Kerl bis zum 1. Oktober 1671. An diesem Tage übernimmt der Kammerdiener Augustin Sayler1) seine Pflege). Am 15. Januar 1672 erhält Steffani zu den bisher bezogenen 300 fl. weitere 300 fl. für Naturalien. Im Oktober des Jahres 1672 reist er auf Kosten des Kurfürsten Studien halber nach Rom, wo er krank geworden sein muss 3). Hier

haft citierter Akten über Steffani, die ich im Folgenden mit Auswahl benütze. Auch in Dr. F. X. Haberl's „Kirchenmusikalischem Jahrbuch für das Jahr 1891" finden sich unter den archivalischen Excerpten über die bayrische Hofkapelle etliche für das Leben unseres Meisters wichtige Angaben. In dem hierher gehörigen Dekret vom 26. Juli 1668 wurde verfügt, dass „dem Chrfl. Kammerrath und Oberstallmeister, Herrn Gottfried Wilhelm Grafen von Rheinstain und Tatenbach wegen dess auf ein Jar bei ihme gehabten welschen Musicanten Augustin Stephano 150 fl. dargeben werden."

1) Rudhart und Eitner schreiben beständig „Seyler". Nach der eigenhändigen Unterschrift (s. Dekret vom 10. Jan. 1673) muss es aber ,,Sayler" heissen.

2) Dieser Sayler erhielt laut Dekret vom 1. Oktober 1671 „quatemberlich 39 fl. Kostgeld verraicht“. Eine Kopie dieses Dekretes besitzt das kgl. bayrische Reichsarchiv, München.

3) Laut Dekret, datiert „Schleissheim" am 15. September 1673 (nicht 1674, wie Rudhart, a. a. O., p. 73 sagt), werden ihm „50 fl. per Wexl verwilligt und nach Rom übermacht“. Eitner (a. a. O. p. 549) schreibt Rudhart diesen Irrtum nach und fügt daran die Hypothese, Steffani müsse nach einigen Wochen (!) wieder genesen sein; denn am 1. Januar 1674 habe er die Dedikation zu seiner „Psalmodia vespertina“ unterzeichnet. Laut Akt vom 20. Jan. 1673 (!) giebt aber Sayler dem Kurfürsten die Nachricht, dass Steffani am 1. Oktober 1671 in die Kost eingestanden und 1672 (!) Anfangs Oktober von München nach Rom gereist sei, um daselbst „dero genedigisten disposition und bevelch gemäss sich in seiner Kunst mehrers zu perfectionieren, es soll daher mit sold (300 fl.) und Costgeld (156 fl.) Einhalt gethan werden." W. G. Cusins sagt (a. a. O. Lond. 1883 Vol. III. p. 693) irrtümlich: „Anfangs Oktober 1673 reist Steffani nach Rom, um sich in seiner Kunst zu vervollkommnen; hier begann er fleissig zu componieren." Neu ist der von Cusins beigebrachte Beleg dafür, dass Steffani bereits im November 1673 ein „Laudate pueri" für 9 Stimmen, geteilt in 2 Chöre (der erste für Sopran, Alt, Tenor und Bass, der zweite für Sopr., Alt, Tenor und Bass) komponiert habe, ferner, datiert vom 30. Dez. desselben Jahres, eine „laudate dominum"

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bleibt Steffani bis zum Juni 1674 und gelangt, einer Angabe auf einem im kgl. Kreisarchiv München befindlichen kleinen 8o-Blättchen zufolge 1) am 7. Juli 1674 mit dem Kapellmeister Ercole Bernabei in München an2). Am 1. März 1675 wird er Hoforganist3). Vom 7. Juli 1675 an erhält er 770 fl. 20 Kr.

für 8 Solosopr. in 2 Chöre geteilt, ausserdem, ebenfalls im Jahre 1673, ohne Monatsangabe, ein „Tribuamus dominum" für 2 Chöre, 2 Sopr., Alt, Tenor ohne Bass, dann, aus dem Jahre 1674 ein „Sperate in Deo" für 2 Sopr., Alt, Tenor und Bass. Diese Stücke, sowie ein undatiertes „Beatus vir“ für 2 Sopr. und Bass mit 2 Violinen und Bass (das weniger bedeutend sein soll als die übrigen Kompositionen), fand Cusins in einem kleinen länglichen Motettenbande im Fitz - Williamsmuseum zu Cambridge, ein „Originalmanuscriptband, über dessen Authentizität kein Zweifel obwalten kann". Es ist, wie Cusins meint, die einzige handschriftliche Partitur, die von Steffani erhalten ist. Fischer (a. a. O., p. 11) schreibt, Steffani habe i. J. 1674 als erstes Werk achtstimmige Psalmen veröffentlicht, ferner schreibt er (pag. 28), Steffani habe sich bei der Herausgabe dieses Werkes, vielleicht aus Eitelkeit, jünger gemacht, und deshalb bei der Edition im Druck, vom Jahre 1674, die Bezeichnung „aetatis suae anno 19“ gemacht. Ob dieses Werk und die von Cusins gefundenen 8 Psalmen identisch sind, konnte ich nicht feststellen.

1) „Den 7. Juli ist ieziger Herr CaPellmaister neben dem Augustin Steffani allhie in München ankhommen." Also ist Eitners Behauptung, „Steffani sei seinem Lehrer bald nachgekommen", unrichtig.

2) Eitner hat Rudhart missverstanden, wenn er angiebt (a. a. O., p. 549), dieser meine, Steffani sei überhaupt nicht nach Rom gekommen. Rudhart bezweifelt ja nur, „ob Steffani bereits in Rom den Unterricht Bernabeis genossen habe". Über das Lehrverhältnis zwischen Ercole Bernabei und Steffani belehrt uns auch der Wortlaut der am 1. Jan. 1674 unterzeichneten Dedication zur „Psalmodia“: „Gloria tanti laboris sapientiae est solum Magistri et fortitudo Herculis, cuius stilum imitari non ex parte sed totum glorior". Damit ist auch Cusins' Behauptung (a. a. O., p. 693), „Steffanis Krankheit (sc. in Italien. D. V.) und eine Reise nach Venedig machen es unwahrscheinlich, dass er Zeit fand, bei Ercole Bernabei in Rom Unterricht zu nehmen", widerlegt; denn beide, Steffani und Erc. Bernabei, kamen zusammen aus Italien nach München, und zwar im Sommer 1674.

3) Wie sehr übrigens der Kurfürst unseren Meister schätzte, geht u. a. aus seinem Gesuch um Kleider etc. hervor, das mit den freimütigen Worten beginnt: „io infrascritto ho bisogno!" Wie beliebt musste Steffani beim Kurfürsten sein, wenn er sich eine solche Freiheit gestatten durfte! Es ist übrigens ergötzlich, die auch kulturgeschichtlich interessante Forderung zu lesen. Steffani verlangt da „ein Kleid aus holländischem Tuch, einen Hut für täglich, ein Schwert, ein Paar seidene

Sold. Neben seiner musikalischen Ausbildung befasste er sich mit mathematischen, philosophischen, speziell aber mit theologischen Studien. Im September 1675 muss er vorübergehend nach Italien gereist sein, denn am 20. September dieses Jahres bekommt er zu einem Reispfennig" 100 fl. Am 3. November 1680 erhält er 1200 fl. als Gnadengeschenk. Im gleichen Jahre beendet er seine theologischen Studien und wird zum römisch-katholischen Priester geweiht. Am 15. Januar 1681 ist sein Gehalt (laut Dekret vom gleichen Datum) mit 1000 fl. demjenigen des Vizekapellmeisters G. A. Bernabei (dem Sohne des Ercole Bernabei) gleichgestellt. Ausserdem wird ihm die Abtei Lepsing zugeteilt. Seitdem wird er Abt von Lepsing genannt.

Im Karneval des Jahres 1681 kommt zum ersten Male eine Oper (,,Marco Aurelio") von ihm in München zur Aufführung, die ihm die Ernennung zum Kammermusikdirektor verschafft haben muss, da wir ihn von jetzt an immer so tituliert finden. Im Jahre 1685 wird sein Karnevalsscherz "Solone", sowie eine Turniereinleitung „Audacia è Rispetto") und im Jahre 1686 die Oper „Servio Tullio" aufgeführt.

An dieser Stelle ist eine kleine Abschweifung notwendig. Nachdem der Kurfürst Max Emanuel am 11. Juli 16802) die Regierung übernommen hatte, fand am 15. Juli 1685 seine feierliche Vermählung mit Maria Antonia, der Tochter des österreichischen Kaisers Leopold I., in Wien statt und wurde dort mit der Aufführung der Festoper „Das Palladium in Rom“ von

Strümpfe für täglich, 8 Oberhemden, 4 Unterhemden, 6 Krägen und 6 Nachtmützen“ („berettini di notte“).

1) Im Jahre 1685 werden Steffani, nach einem Dekret vom 27.Juni 1685 (conf. Rudhart, a. a. O., p. 83) „wegen seiner gemachten zwayen Operen und zur Beyhülfe seiner nach Italien zu verrichtung einer Badtcur vorhabenden Raiss 750 fl.“ ausbezahlt. (Mit den „zwayen Operen“ sind wohl die beiden Karnevalsstücke gemeint.) Wir wissen übrigens, dass unser Meister später auch in Hannover häufig kränkelte.

2) s. Reinhardstöttner, „Über die Beziehungen der italienischen Litteratur zum bayrischen Hofe", im „Jahrbuch für Münchener Geschichte" Bd. I, p. 135. Die Angabe 1683" bei Rudhart (a. a. O., p. 70) beruht auf einem Druckfehler.

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Antonio Draghi festlich begangen 1). Auch die Jesuiten in München feierten den Tag, und zwar mit der Aufführung „Constantins des Grossen" 2). Am 9. Oktober 1685 zog das Paar in München ein und in den ersten Januartagen des Jahres 1686 begannen die Festlichkeiten mit der Aufführung der Oper Servio Tullio“ von Steffani. Chrysander sagt in seiner trefflichen Händelbiographie 3), die Oper sei i. J. 1685 aufgeführt worden und fügt daran den Satz1), „noch in demselben Jahre 1685 langt Steffani in Hannover an, worüber das kgl. Archiv in dieser Stadt den Nachweis giebt". Die Widmung des Textbuches ist aber datiert vom 30. Dez. 1685. Wir wissen nun, dass die gedruckten Textbücher kurz vor der Aufführung an die Zuschauer verteilt wurden. Die Librettos zu „Servio Tullio“ können also unmöglich vor dem 30. Dez. zur Verteilung gelangt sein, also muss die Aufführung mindestens unmittelbar nach dem 30. Dez. 1685 stattgefunden haben. Überdies sagt Chrysander, dass der Herzog Ernst August von Hannover bei der Hochzeit Max Emanuels zugegen war und erst durch die Aufführung des „Servio Tullio" auf Steffani aufmerksam geworden sei. Chrysander glaubte daher, dass sich an diese Oper das weitere Schicksal unseres Komponisten geknüpft habe. Dies war die bisherige Annahme. Herr Dr. G. Fischer hat aber nachzuweisen versucht, dass der Herzog an dem

1) „Das Palladium in Rom, zu Befrolockung dess beglücktesten Beylagers Ihrer Churfl. Durchl. Maximilian Emanuels. H. in O. u. N. Bayern, des H. R. R. Ertz-Trugsess und Churf. mit Ihro Ertz-Fürstl. Durchl. Maria Antonia etc. gesungener vorgestellt. Mit der Music zu denen Worten von Antonio Draghi, zu den Dänzen von Andre Antoni Schmelzer, von Ehrenauff. Wienn 10 und ein halber Bogen, 4; aus der Zuschrift an das Durchl. Brautpaar erhellet, dass ein gewisser Karl Ignatz Langetl diese Oper aus dem Italiänischen des Grafen Nikolaus Minato übersetzt habe. Die Übersetzung ist prosaisch, mit eingemischten Arien." (s. Herrn Gottfr. Christian Freieslebens „Kleine Nachlese zu des berühmten Herrn Professor Gottsched's nötigem Vorrath zur Geschichte der dramatischen Dichtkunst". Lpz. 1760, p. 54.

2) s. Reinhardstöttner, „Zur Geschichte des Jesuitendramas in München" im „Jahrbuch für Münchener Geschichte" 1889, p. 100 und p. 170, Anmerkung 323.

3) a. a. O., p. 315.
4) a. a. O., p. 316.

Hochzeitstage wie zur Zeit der Nachfeier in Venedig gewesen ist1).

Laut Dekret vom 14. Mai 1688 wird Steffani für seine 21 Jahre geleisteten Dienste vom Juli an auf drei Jahre der Sold ausgefolgt, mit der Bestimmung, dass er ihn geniessen könne, wo er wolle, ein abermaliger Beweis der unbegrenzten Huld seines Herrn. Ausserdem werden ihm (laut Dekret vom 16. Mai 1688) die Schulden, die er während seiner Krankheit in Venedig gemacht hat, bezahlt. Nichtsdestoweniger begab sich, wie man bisher annahm, der Meister Ende 1688 oder Anfang 1689 nach Hannover 2). Cusins 3) erblickte den Grund für Steffanis plötzliche Abreise in der Wahl des jüngeren

1) Herr Dr. Georg Fischer teilte mir auf meinen Wunsch seine neuen, bisher nicht veröffentlichten Nachforschungen über Steffani's Anstellung in Hannover mit. Darnach ist „Chrysanders Angabe nicht haltbar, dass Herzog Ernst August bei der Nachfeier der Vermählung des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern die in den ersten Tagen des Januar 1686 in München gegebene Oper „Servio Tullio“ gehört und damals Steffani beredet habe, sein Kapellmeister in Hannover zu werden. Und zwar deshalb, weil Ernst August in denselben Tagen in Venedig ankam, wie von dort am 3. Januar 1686 berichtet wird. Da die Zeit, als man in Hannover mit dem Neubau eines Opernhauses begann (Christwoche 1687) genau zusammenfällt mit dem Entschluss Steffanis, München zu verlassen (Januar 1688), so wird voraussichtlich damals Steffani, dessen Ruf durch jene Oper sich verbreitet hatte, engagiert sein. (Vergl. hierzu Adolf Sandbergers Vorrede zu den Werken Ev. Fel. dall' Abaco's, in den „Denkmälern der Tonkunst in Bayern", I. Jhg. Teil I.) Er kam nach Hannover gereist, wohl um sich persönlich vorzustellen, war voll von Dank und Verehrung für die herzogliche Familie und stand seitdem von München aus in anhaltendem Briefwechsel mit Abbate Mauro in Hannover. An diesen Besuch Steffanis, mit Hinzufügung jener Bemerkungen, welche zweifellos auf das zu Stande gekommene Engagement hinweisen, erinnerte Leibnitz von München aus den Hannoverschen Minister von Platen im April 1688. Nachdem Steffani im Mai von München abgegangen war, mag er immerhin die ihm von dort nach Venedig übersandten Gelder gehoben haben, muss dann aber etwa im Herbst 1688 seinen Dienst in Hannover angetreten haben, denn er hatte die Oper „Henrico Leone", an welcher Mauro im September dichtete, zu komponieren; und diese kam bereits im Januar 1689 bei der Eröffnung des neuen Opernhauses zur Aufführung.“

2) Nachweislich ist er 1689 in Hannover.
3) a. a. O. p. 693.

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