Page images
PDF
EPUB

III. Beicht- und Pbendmahlsreden.

1. Beichtrede

über Joh. 6, 37:

„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen." Am 2. Sonntag nach Epiphanias 1879.

„Liebe Christen, auf daß wir des HErrn Nachtmahl zum Trost und zur Stärkung unseres Glaubens halten mögen, lasset uns zuvor bedenken, wozu uns der HErr Sein heiliges Mahl verordnet hat; nämlich »daß wir solches thun zu seinem Gedächtniß«. Also sollen wir aber Seiner gedenken, daß unser HErr Jesus Christus, vom Vater in diese Welt gesandt, in Seinem bittern Leiden und Sterben unsere Sünde getragen, unsern Fluch auf sich genommen und allen Gehorsam des göttlichen Gesetzes und Gerechtigkeit für uns erfüllt hat" so beginnen, geliebten Abendmahlsgäste, die Worte der Ermahnung aus alter Zeit. Sie wollen sagen, was noth sei, um würdig zum Tisch des HErrn zu kommen, sie wollen den ganzen köstlichen Trost dessen, was uns der HErr Jesus schenken will, ans Herz legen. Laßt mich ein Wort Euch mitgeben, das auch auf dem Wege zum heiligen Abendmahl steht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen."

Das ist die selige Einladung: Wer zu mir kommt! Der HErr nennt Niemanden "wer fommt", wer es auch sei, ob

ein Pharisäer, wie Nikodemus, der bei der Nacht kommt, oder eine Samariterin am Jakobsbrunnen, ob ein Jünger oder ein Fremder, ob Einer, der im Vaterhaus geblieben, oder ein verlorener Sohn draußen —; „wer da kommt“, spricht der HErr, ob Einer, der einst mich geliebt und dann von mir gegangen, wie Demas (2. Tim., 4, 10), der die Welt wieder liebgewonnen, oder Einer, der mich noch nie gekannt. „Wer kommt, wen da dürstet, der komme zu mir und trinke."

So frei, so königlich ruft Er Jeden, auch unter uns in dieser Stunde; ob es ein Betrübter sei oder Einer, den der HErr mit Freude erfüllt, ob Einer gebeugt kommt wie ein Petrus von dem Segen seines Gottes oder gedemüthigt wie ein Paulus über den Pfahl im Fleisch, der ihm zur Anfechtung werden will. Aber freilich: „Wer zu mir kommt“ -- nicht bloß von mir hört, sondern kommt. Es ist nicht genug, von einem berühmten Arzte zu hören, sondern kommen, ihn suchen! Nicht genug, von einer Heilquelle zu wissen, man muß sie trinken und in ihre Fluthen tauchen. „Wer zu mir kommt", was will das anders sagen, als in seine Gemeinschaft treten, als Ihn erfassen und ergreifen; wenn Du auch verzagt kämeit, mein Bruder, meine Schwester, wenn Du auch nur den Saum Seines Gewandes ergriffest, wie jenes Weib dort, Du würdest es hören wie sie: Sei getrost, dein Glaube hat dir geholfen." Aber wie viel mehr, wenn wir zu Ihm ein Herz fassen! Ach, unser aller Herzen sind so klein, so eng, so beschränkt, Sein Herz so groß, so weit! Wer zu mir kommt" — das heißt: aus der Winterkälte in den Frühling, aus der Stickluft eigner Ohnmacht, ja Sünde, in die lebendige Gemeinschaft mit Ihm, daß wir Himmelsatmosphäre einathmen.

"

Wer zu mir kommt", spricht der HErr: denn bei Ihm empfangen wir, was kein Mensch uns geben kann. Er will die Hand uns aufs Herz legen und uns sagen: „Mein Sohn, meine Tochter, deine Sünden sind dir vergeben.' Menschen können Einem das Gewissen aufwecken, Er allein ist's, der unser Herz still und getrost machen kann. Wer zu mir kommt"; zu Ihm kommen nicht die Satten, die in sich selbst reich sind, zu Ihm,

"

dem Sünderheiland, kommen nur die Armen, Mühseligen und Beladenen; sie allein werden auch hier Erquickung finden.

[ocr errors]

,,Werde leer, ich will dich füllen,

Werde arm, ich mach dich reich!“

Wer zu mir kommt." Er, der im Evangelium heute Wasser in Wein gewandelt mit königlicher, liebevoller Hand, der will auch alle Eure Thränen und Euer Leid wandeln in Freude. Auf denn zu Ihm, ein Jeder mit dem, was er auf dem Herzen trägt, was ihm Niemand abnehmen kann, aber mit dem Bedürfnißz und der Sehnsucht: HErr gieb mir, weß ich bedarf."

"

„Ich werde ihn nicht hinausstoßen.“

Ach, wie schnell verstößt die Welt! Wieviel verkehrtes, unbarmherziges Urtheil bei den Menschen! Aber wen hat der HErr je hinausgestoßen, der zu Ihm gekommen ist? Für Alle das warme Herz, das offene Auge! Ob's ein Schächer ist am Kreuz, der scheidend die Hand des HErrn ergreift und nur ein „Gedenke an mich" von Ihm begehrt -Ich werde ihn nicht hinausstoßen", oder ein versinkender Petrus, der Ihn verleugnet Er schaut seine Thränen: Ich werde ihn nicht hinausstoßen“. Mehr aber, unendlich mehr als das schenkt Er. Ich werde ihn aufnehmen und an mein Herz ziehen.“ Nicht bloß über die Vergangenheit will Er das Wort der Vergebung sprechen, Er reicht auch für das Heute die Kraft dar.

So sollen wir im heiligen Abendmahl nicht nur das Wort hören: „Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung eurer Sünden", sondern auch: „Wer isset mein Fleisch und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben!" Jedes von uns bedarf auf seinem Lebensweg einer besonderen Stärkung und Speise. Als Elias müde niedersinkt unter dem Wachholder: „Es ist genug, HErr, so nimm nun meine Seele“, da sagt ihm der HErr: ,,Stehe auf, nimm und iß!" so will Er auch uns, die sich müde gepilgert, erquicken und die Hand selbst uns unter die Last legen: „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir, laß dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

Darum kommt, nehmt Ihn hinein ins Herz und auf Euren Gang, laßt Ihn auch in allen schweren Stunden Eures Herzens

„Wer zu mir kommt"

Trost und Frieden sein. einst werden wir, so Gott will, anders noch wie heute zu ihm kommen; wenn unsere Wallfahrt hier zu Ende ist und es hinübergeht in die selige Ewigkeit, da wir mit denen aus Morgen und Abend, aus Mittag und Mitternacht feiern werden das große Abendmahl des Lammes.

„Es wird nicht lang mehr währen,
Harrt noch ein wenig aus,
Es wird nicht lang mehr währen,
Dann kommen wir nach Haus.“

Da gilt es denn, daß wir uns die kurze Strecke durchtragen lassen durch unseres HErrn Gnade. Laßt uns diese Gnade suchen, so lange es Heute heißt, Er aber, unser treuer HErr, lasse sich finden von einem Jeglichen unter uns. Er segne uns in Seinem heiligen Mahle für Zeit und Ewigkeit: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen." Amen.

[ocr errors]

2. Beichtrede

über Luc. 5, 8 bis 10.

„Da das Simon Petrus sah, fiel er Jesu zu den Knien und sprach: HErr, gehe von mir hinaus! ich bin ein sündiger Mensch.

Denn es war ihn ein Schrecken angekommen und Alle, die mit ihm waren, über diesen Fischzug, den sie mit einander gethan hatten.

Desselbigengleichen auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gesellen. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht, denn von nun wirst du Menschen fangen."

Am 5. Sonntag nach Trinitatis 1882.

Ihr habt das Evangelium des heutigen Sonntags gehört. Es enthält die große Beichte Petri: „Herr gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch." Ueberwältigt von der Güte

und der Macht Jesu, fühlt es Petrus wohl, was er selbst vor solch einem Herrn ist: mit ihm Alles, ohne ihn nichts. Das ist doch der tiefste Sinn seiner Bitte und seines Bekenntnisses: „Jch bin nicht werth, dir die Schuhriemen zu lösen, nicht werth, mit dir unter einem Dach, in einem Kahn zu sein.“

"

Wer aber so zum HErrn spricht, der soll gewiß sein, daß er das Wort der Absolution hören wird, wie es Petrus für sich empfing: Fürchte dich nicht, von nun an sollst du Menschen fangen." Als wollte der Heiland ihm sagen: „Jett will ich erst recht bei dir bleiben, da du mich hinausgehen heißest, bei dir sein, dir die Hand auf Herz und Haupt legen, ja dich herausnehmen aus deinem irdischen Beruf und dich hineinführen in ein Leben, das werth ist gelebt zu werden, in ein Amt, das nicht wie dein bisheriger Beruf, den Tod, sondern das Leben zum Ziel und Zweck hat, nämlich Menschen aus der Welt und dem Verderben herauszuholen, um sie in die frischen Wasser des ewigen Lebens zu verpflanzen: Petrus, das soll dir werden!"

So beruft Er ihn aus der Tiefe in sein Amt.

„Fahre auf die Höhe“: wie Er Seinen Jünger dies draußen im reichen Fischfang und der noch reicheren Verheißung erfahren läßt, so will der HErr all die Seinen aus der Tiefe in die Höhe führen, aus der Tiefe der Erkenntniß und des Bekenntnisses ihrer Armuth hinauf in den Reichthum Seiner Vergebung und Seiner Gnade.

So komm denn und sprich auch Du, mein Christ, angesichts dieses gedeckten Abendmahlstisches zu dem HErrn: „Ich bin nicht werth, daß ich an Deinem Tisch site. Blick' ich auf all meine Versäumniß, alle Untreue, alles Verderben in mir, sehe ich nur mich an, o wie arm! Aber Du bist reich und wo Du Deine Hand auf's wogende und zitternde Herz legst, da wird es still und getrost!"

Petri Bußtag führte zum hohen Feiertag seines Lebens; die Stunde seiner Beichte wurde ihm zur unvergeßlichen Weihestunde. Ach, daß doch auch diese Stunde hier in unserm Herzen und Leben etwas von solchem Himmelsglanz zurückließe! „Fürchte dich nicht!"

« PreviousContinue »