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„Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch, und euer Geist ganz, sammt der Seele und dem Leib, müsse behalten werden unsträflich auf die Zukunft unseres HErrn Jesu Christi. Getreu ist Er, der euch ruft, welcher wird es auch thun!“ Amen!

7. Rede

zur legten Einsegnung der Töchter am Palmsonntag, den 29. März 1896.

Tert: Judä 20 und 21, 24 und 25.

Ihr aber, meine Lieben, erbauet euch auf euren allerheiligsten Glauben, durch den Heiligen Geist, und betet, und behaltet euch in der Liebe Gottes, und wartet auf die Barmherzigkeit unsers HErrn Jesu Christi, zum ewigen Leben.

Dem aber, der euch kann behüten ohne Fehl, und stellen vor das Angesicht Seiner Herrlichkeit unsträflich mit Freuden, dem Gott, der allein weise ist, unserm Heiland, sei Ehre und Majestät und Gewalt und Macht nun und zu aller Ewigkeit! Amen."

In Christo geliebte Freunde, insonderheit liebe Eltern und Pathen, liebe Verwandten und Freunde dieser Kinder, und Ihr meine lieben Kinder selbst! Palmsonntag ist es, und vor unserem inneren Auge sehen wir den Zug unseres HErrn nach Jerusalem. Sein Hofstaat die Kinder mit ihrem Hosiannah, Sein Gefolge das arme Volk, das die Kleider vor Ihm ausbreitet und die Palmen zu Seinen Füßen legt, und Er selbst einziehend sanftmüthig

,,ohne Scepter, ohne Kron',
ohne Land und ohne Thron,
ohne Purpur, ohne Pracht;
doch ein König voller Macht!"

Wie verschieden auch jene Kinder waren, die dem Heiland das Hosiannah sangen; aus welch verschiedenen Häusern sie kamen,

wie verschieden an Geist und Gaben, an Erkenntniß einig aber sind sie in dem, daß sie, hingenommen von der Herrlichkeit dieses sanftmüthigen Königs, mit magnetischem Zuge zu Ihm gezogen waren, der die Kinder an Sein Herz genommen und ihnen die Krone des Himmelreichs aufs Haupt gesetzt.

Meine geliebten Eltern! Palmsonntag ist's auch heut für Eure Kinder. Auch hier eine Kinderschar, verschieden an Geist und Gaben. Ihr habt sie mir anvertraut und gebracht, nicht um sie dies und jenes zu lehren, sondern sie zu dem HErrn zu führen, der ihnen allein Leben und volles Genüge geben kann, ihnen den Stecken und Stab in die Hand zu legen, an dem sie sich halten können, wenn es einmal durch ein dunkles Thal geht, zum Gott ihrer Jugend sie zu führen, damit Er auch der Gott ihres Alters bleibe. Als Euern köstlichsten Schatz habe ich Eure Kinder genommen; hinter Eurer Hand sah ich meines Gottes Hand. Seine Frage geht heute an mich, ob ich sie recht unterrichtet habe. Von Allem, das Ihr besigt, wird Euch nichts in die Ewigkeit folgen; aber diese Kinder werden mit Euch gehen und, wie ich hoffe, als Edelsteine in Eurer Krone. Wenn Ihr jetzt schon, wenn man Euch fragt nach dem Besten in Eurem Hause, antworten könnt mit jener edlen Römerin im Blick auf Eure Kinder: „Diese sind mein Schmuck und Edelstein“, was wird es sein, wenn sie einst Euer Kleinod in der Ewigkeit sind, nicht Eure Ankläger!

Darum Eure Bitte am heutigen Tage, daß der HErr sie segnen wolle und dieser Tag für sie ein Entscheidungstag werde, wo es mit ihnen vorwärts, aufwärts geht, und der Geist Gottes mit Seiner Frühlingssonne in diesen Frühlingsherzen die Knospen auftüsse, sie behüte und bewahre vor Frost und Reif.

Ihr meine geliebten Kinder! Euer Palmsonntag ist es; der lezte Palmsonntag, den ich mit Euch feiere, den ich überhaupt mit Kindern feiern werde. Aber nicht wahr: in dem einen wollen wir uns finden, daß wir den großen Chor mit einander anstimmen: „Hosiannah, gelobt sei der da kommt im Namen des HErrn," der auch jetzt zu Euch kommen will, in Euren jungen Herzen den Einzug halten und die Herrschaft antreten will.

Ein entscheidungsvoller Tag, geliebte Kinder, so jung Ihr seid! Wir stehen am Anfang der Charwoche, an deren Ende ein Petrus seinen HErrn verleugnet, ein Judas Ihn verrathen und die Jünger Ihn am Kreuz verlassen haben; welche Mahnung an Euch, nicht bloß Ihm das Hosiannah zu singen am Palmsonntag, sondern wenn es auch in die Nacht geht, zu Ihm Euch zu bekennen, und wenn es mit Ihm unters Kreuz geht, zu sprechen: „Ich will hier bei Dir stehen, Verachte mich doch nicht.“

Darum ein kurzes, leztes Wort an Euch, liebe Kinder, ein kurzer Abschied; aber nicht mit meinem, sondern mit Gottes Wort, und dann laßt uns die Hand reichen und in der Liebe verbunden bleiben, die über diese Zeit und Welt hinausgeht!

I.

„Ihr aber, meine Lieben, erbauet euch auf euren allerheiligsten Glauben durch den heiligen Geist und betet", so mahnt der Apostel.

In diese lette Herzensbitte faßt er am Schluß seines Briefes noch einmal zusammen, was er ihnen vorher gesagt. Er will sagen: es ist das Werk noch nicht fertig, sondern Ihr müßt nun ans Werk treten. Ein Anfang ist bei Euch gemacht, aber nun ist's an Euch, daß Ihr weiter baut. Auch ich will Euch anreden „meine Lieben". Lieb habe ich Euch ja alle, das weiß mein Gott. Aber Einer hat Euch noch viel lieber, als Vater und Mutter und als ich Euch lieb habe. „Geliebte Gottes", darin liegt schon etwas von der Gnade und dem Glauben, auf den Ihr Euch nun gründen sollt.

Muß ich Euch noch sagen von der ewigen Liebe Gottes, die Euch geliebt hat in Christo vor Grundlegung der Welt, soll ich noch einmal Euch davon reden in dieser letzten Stunde? Diese Kirche selbst mag es Euch sagen, auf welchem Grunde Ihr bauen. sollt, welches der allerheiligste Glaube sei. Hier der Taufstein sagt es Euch, daß Ihr getauft seid auf den Namen des dreieinigen Gottes, daß Er Euch auf Seinen Arm und an Sein

Frommel-Gedenkwerk. Bd. V. Reden aus dem Amt.

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Herz genommen und Euch zu Seinen Kindern gemacht hat, daß Er Euch den Freibrief gegeben, beten zu dürfen: „Unser und auch mein Vater im Himmel", und Ihr ein Anrecht habt, zu dem guten Hirten zu kommen, unter Seinem Stab zu gehen, und daß der Heilige Geist in Euren jungen Herzen wirken will. Predigt Euch nicht dieser Altar mit Gebet und Fürbitte, mit seinem Kreuz vom lebendigen Glauben an den HErrn, der für Euch hingegangen und Sein Leben für Euch gegeben? Sagt es Euch nicht das heilige Abendmahl an diesem Altar: „Kommet her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken?" Sagt's nicht diese Kanzel, auf welcher, Gott Lob und Dank, Gottes Wort gepredigt wird an jedem Sonntage, durch das Wort vom Gesez, daß wir vor Gott keine Gerechtig= keit haben, allzumal Sünder sind und des Ruhmes mangeln, den wir vor Gott haben sollen, und gerecht werden allein durch den Glauben? Sagen's Euch nicht rechts und links hier diese Namen der gefallenen Krieger, daß unser Leben, wenn es anders ein wahres, rechtes Leben ist, das Leben eines Kämpfers und Streiters sei; daß der Heilige Geist selbst Euch das Schwert in die Hand geben und Euch gürten will, daß Ihr Euch leidet als gute Streiter Jesu Christi, getreu bis in den Tod, im Laufe um die Krone des ewigen Lebens? Und sagen Euch nicht die Todten zu Euren Füßen, die hier unten schlafen, über denen wir singen: „Jesus, meine Zuversicht und mein Heiland ist im Leben“, daß wir einen mächtigen Todesüberwinder haben und bekennen dürfen: „ich glaube an ein ewiges Leben“?

So predigt Euch die Kirche stumm und doch laut und beredt von Eurem Glauben. Aber nun gilt's, daß dieser allerheiligste Glaube, den die Kirche bekennt, auch Euer Glaube werde; „erbaut euch auf euren allerheiligsten Glauben". Er soll nicht eine Tradition, nicht ein übergebenes Vermächtniß sein, das Ihr im Schranke liegen lasset, sondern etwas, das nun Eures Herzens Trost und Stärke wird.

Meine lieben Kinder, ich habe Euch gewarnt vor dem Unglauben, vor der Loslösung vom lebendigen Gott, vor dem Weggehen

von der Quelle des Lebens. Das wäre auf öder, dürrer Steppe ein Verhungern und Verdursten. Aber ich habe Euch auch gewarnt vor einem todten Glauben und todten Wissen und Euch gesagt, daß Euch das nicht helfen kann; daß der Kopf nur der Kornboden sei, auf dem das Korn wohl liegt, dagegen das Herz der Acker, in welchen das Korn hinein muß, wenn es Frucht bringen soll. Es handelt sich nicht um Glaubenssäße, die man spricht, sondern um Glaubens schäße, von denen man lebt. Es ist ja nicht genug, meine lieben Kinder, wenn man mit einem Zuge fort will, daß man den Fahrplan studirt. Bei allem Einstudiren kann man doch zurückbleiben. So gilt es einsteigen in den Zug unter dem großen Zugführer, der endet bei der großen, legten Station in der Ewigkeit. Glauben heißt Euren Gott und Heiland erfassen und ins Herz hineinnehmen, so daß Ihr ohne Ihn nicht leben. könnt. Da gilt's denn, daß Ihr Euch erbaut auf diesen Glauben und bleibet im Worte Gottes und Euer Herz gleichsam in diesem großen Bau selber eine kleine Kapelle sei, wo Stein auf Stein sich fügt. Jedes Wort Gottes, das Euch aufgeht in seiner Tiefe und Herrlichkeit, ist ein Stein an diesem Bau. Ihr selber sollt durchleuchtet werden wie ein Dom, wenn die Sonnenstrahlen hineinfallen. So sei denn Euer Herz eine Wohnung Gottes; Euer Geist durch Gottes Geist geheiligt; Eure Seele, Euer Gefühl, Euer Wissen, Eure Phantasie durchströmt vom Geiste Gottes, und Euer Leib werde unsträflich erfunden als ein Tempel Gottes: „Erbauet euch!"

Was ich Euch habe geben können, ach es war so wenig, und Ihr wißt, daß es in dieser Zeit noch Gott gefallen hat, mich monatelang von Euch zu nehmen und mir selber auf dem Krankenlager einen Konfirmationsunterricht zu geben, wie ich ihn in meinem Leben nur noch einmal so in meiner Gemeinde am Rhein gehabt habe. Wenn man an den Pforten des Todes steht, weiß man erst, was im Angesicht des Todes bleibt, und die große Konfirmationsfrage ergeht: „Simon Johanna, hast du mich lieb?" Wohlan, meine Kinder, unser HErr wird auch Euch führen, Er wird Euch selber erbauen" durch mancherlei Führungen

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