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nun an in ein neues Verhältniß zu Euren Eltern tretet, als zu Euren besten Freunden, denen Ihr Alles vertrauen könnt und mit denen Ihr immer mehr zusammenwachsen sollt, wie ich denn zu Gott hoffe, daß sie auch Euch an der Hand nehmen werden und Euch, wie einst die Väter in der Vorzeit ihre Söhne, ehrlich an ihrer Seite streiten und ringen lassen um die ewige Krone.

Euch, lieben Jungens, aber laßt mich an ein ander Gebot erinnern. Ihr fühlt es selbst, wogegen Ihr in Euren Jahren am meisten zu kämpfen habt; es gilt, Eure Seele rein zu halten. in einer Zeit so vieler Anfechtungen, die an Euch kommen, wo Anstand und Sitte, Reinheit des Gewissens, Keuschheit des Leibes und des Geistes so oft heruntergezogen werden. „Ach, die Jugend" so hat mein alter seliger Pfarrer *) gesagt, „die Nacht kommt über sie“. Wieviel Versuchung zum Hochmuth, zum Leichtsinn, zum inneren Verderben! Wie vieles Sehen Eurer Augen, wie vieles Hören Eurer Ohren, das Euch zum Fall bringen kann, wie Vieles liest man sich ins Herz hinein, das Gift ist! Da gilt es feststehen, und wer da steht, wachen und beten, daß er nicht falle, da gilt es Gott bitten: „Schaffe in mir ein reines Herz und gieb mir einen neuen gewissen Geist!“

Nun wohlan, Jhr lieben Eltern, Eure Hand führt diese Kinder noch, aber auch Ihr seid wie Gras und wie des Grases Blume; wie lange Ihr sie noch halten werdet, wie lange Ihr ihnen und sie Euch erhalten bleiben, das wisset Ihr nicht. Aber Eins sollt Ihr wissen, was Euren Kindern bleibt, „die Gnade unsers HErrn“, die jezt der Morgenstern ist über ihrem Haupte, die will auch der Abendstern sein über ihrem letzten Abend. Die geleite sie und bewahre und behüte sie! Haltet Eure Kinder in der Furcht Gottes, damit sie Eure Kinder bleiben. Bindet sie ans Herz Gottes, dann werden sie sich auch nicht losreißen von Eurem Herzen, sondern an Euer Herz gebunden sein. Und wenn Ihr nun mit ihnen zum Tische des HErrn kommt, dann gedenkt Alles dessen, was Euch im Leben geblüht und gewelft und was Euch geblieben. Gedenket

*) Der alte Henhöfer, s. Lebensbild I, S. 215ff.

der Gnade unseres HErrn, die auch zudecken muß Alles, was Ihr versäumt an diesen Kindern in Liebe und Treue und Fürbitte. Laßt beim heiligen Abendmahl Eure Herzen mit den ihren zu gleicher Zeit in einer Liebe verbunden werden und in der Hoffnung des ewigen Lebens. Und wie der Psalm anfängt mit dem Lobe Gottes, wie er dann in der Mitte von der Vergänglichkeit der Welt und des Menschen redet, aber nur, um sich wieder zu heben mit herrlichen goldenen Schwingen und die Ewigkeit der Gnade Gottes zu preisen und zu rühmen, so wollen auch wir schließen: „Lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht, was Er dir Gutes gethan hat". Amen.

6. Rede

zur legten Einsegnung der Söhne, 27. März 1896. Text: 1. Thessalonicher 5, 23 und 24.

Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch, und euer Geist ganz, sammt der Seele und Leib, müsse behalten werden unsträflich auf die Zukunft unseres HErrn Jesu Christi.

Getreu ist Er, der euch rufet, welcher wird es auch thun.“

In Christo geliebte Freunde, insonderheit liebe Eltern und Pathen, liebe Freunde und Verwandte dieser Kinder, und Ihr, meine geliebten Kinder selbst!

Als Israels Volk durch die Wüste zog, kam es einst an einen Ort mit Namen Elim; das war eine stille, grüne Oase mit siebzig Palmen und rauschenden Wasserbronnen. Dort lagerte sich das Volk; hinter ihm das Diensthaus Aegyptens und die Erinnerung an die mächtige Hand Gottes, die es herausgeführt; vor ihm das leuchtende Ziel, das gelobte Land; aber in seiner Mitte die Hütte des Stifts mit der Wolke des Zeugnisses. So feierte Israel inmitten der Wüste unvergeßliche Tage; Pilger, die sich lange nicht gesehen, reichten

sich die Hand und stärkten sich, jeder am andern. Eines war es, das sie alle zusammenband: die gemeinsam erfahrene Gnade und das gemeinsame Ziel, dem sie zuwanderten. Bleiben konnten sie nicht in Elim, dort war nur eine kurze Rast, um dann erquickt wieder weiter zu ziehen.

Solch ein Tag ist auch für Euch, geliebte Eltern, der Konfirmationstag Eurer Kinder, ein Tag, der sein Antlig nach der Vergangenheit wendet, der Euch sagt, was Ihr mit diesen Kindern erlebt, noch mehr, was Gott an ihnen gethan von dem ersten Augenblicke an, wo Jhr sie auf Euren Arm und an Euer Herz genommen. Vielleicht manches Kind unter ihnen ein Sorgenfind, sein Leben schwankend wie ein verlöschend Licht, und doch hat Gott Seine Hand darüber gehalten. Hier ein einziges Kind, das man gehütet, wie man ein einziges Auge hütet, dort das lezte Kind, das Ihr zum Altar des HErrn bringt. Wie verschieden diese Kinder an Geist und Gaben, wie verschieden in ihrer Lebensstellung! Sie sizen vor Euch nicht nach Rang und Ehre, nicht nach ihrem Wissen, sondern so wie sie zu mir kamen und Freundschaft sie band. Ihr habt sie mir gebracht, und ich habe sie aus Eurer Hand, noch vielmehr aus meines Gottes Hand genommen als ein anvertrautes Gut und Kleinod, als das Beste, was Ihr habt, den einzigen Besitz der innerlich mit Euch zusammenhängt

ein Stück Eures Herzens und Lebens. Vor Euch liegt die kommende Zeit, wo Eure Kinder noch ganz besonders Eurer Hand bedürfen, die sie festhält in aller Versuchung.

Aber Ihr ruht heute eine Weile aus; auch hier in Gottes Haus ist eine Hütte, darüber die Wolke Seiner Gegenwart lagert, Sein Gesetz und Zeugniß wohnt und Sein Tisch Euch gedeckt ist. Ihr wollt nunmehr mit diesen Euren Kindern verbunden sein im Besten, worin Menschen verbunden sein können, nicht bloß in leiblicher Blutsgemeinschaft, sondern in Geistesverwandtschaft und in der Lebens- und Liebesgemeinschaft des HErrn, in Seinem Leibe und Blute. Welch ein Tag darum für Euch!

Aber Euer Tag ist's doch insonderheit, meine geliebten Kinder. Nun ist der lezte Abend gekommen nach all den Abenden

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hier, der Abend, der das Ziel war all des Unterrichts, jedes Wortes, das Ihr gehört. Ihr kommt, auch rückwärts schauend auf die Zeit, die Euer Gott mit Euch gewandelt. Manches unter Euch hat Seine Hand schon erfahren, manches Herz unter Euch ward in der Jugend schon gebeugt; dem Einen fehlt die Vaterhand, dem Andern das Mutterherz da weiß man dann erst, was man an dem Gotte gehabt, der gesagt hat und es Euch erfüllt und gehalten: Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmet, erbarmet sich der HErr über die, so Ihn fürchten", und: „Siehe ich will euch trösten, wie Einen seine Mutter tröstet“. Ihr kommt hierher und schaut zurück auf den Bund, den Eure Eltern und Pathen einst für Euch geschlossen, und Ihr sollt jezt in ihrer Gegenwart diesen Bund erneuern und sagen: „Wir wollen selbst in die Hand unsers Gottes und HErrn einschlagen und den heiligen Fahneneid schwören: »Dein sind wir und mit dir wollen wir es halten, du Sohn Jesses!«"

Da laßt mich Euch ein Wort noch ans Herz legen, eine leşte Bitte richten zu Eurem und meinem HErrn hinauf, daß Er an Euch thue über Bitten und über Verstehen. Ihr wißt, daß ich an Euch nicht so viel habe thun können, als ich hätte thun wollen und sollen. Ihr wißt, daß es Gott gefallen hat, mich niederzulegen durch Monate hindurch und an den Rand des Grabes zu führen, um mich Euch wiederzugeben noch für eine kurze Zeit. Ich muß Euch lassen, ich kann Euch nicht mehr weiterführen; der Feierabend ist für mich gekommen. Ihr werdet die letzten Knaben sein, die ich in dieser Kirche konfirmire.

Da denke ich denn an eine andere Konfirmation, die ich erlebt habe, an meine eigene. Das Wort, das mir damals mitgegeben ward und das mich seither begleitet hat jezt durch fünfzig Jahre hindurch, möge es auch Euch begleiten! Die Kirche, in der ich konfirmirt wurde, ist bei der Belagerung von Straßburg in Rauch und Flammen aufgegangen und in Trümmer gesunken; die Hand des Geistlichen, die mich gesegnet, ist längst erkaltet. Aber Eines nicht, nicht das Wort Gottes, das er mir mitgab: es ist geblieben in unverwelklicher Jugendfrische als der Leitstern meines

Lebens, als eine Warnung auf dem Pfade, als ein Trost für meinen Gang.

Und darum laßt mich's Euch, wenn auch nur in kurzen Worten, ans Herz legen: „Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch, und euer Geist ganz, sammt der Seele und dem Leib, müsse behalten werden unsträflich auf die Zukunft unseres HErrn Jesu Christi. Getreu ist Er, der euch rufet, welcher wird's auch thun."

Wem soll ich Euch also befehlen?

Dem großen, friedenreichen Gotte, der Euch zum Frieden führen kann; dem heiligen HErrn, der Euch durch und durch heiligen kann nach Geist, Seele und Leib, und dem treuen HErrn, der Euch gerufen hat und der es auch thun wird bis zur Vollendung!

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I.

Einen Gott des Friedens" nennt ihn der Apostel und strömt in diesen Worten am Schluß seines Briefes sein ganzes Herz aus. Was er ihnen nicht mehr sagen und ans Herz legen kann, befiehlt er nun Gott dem HErrn, in dessen Schoß seine Gemeinde am treuesten aufgehoben ist. Dahin möchte er sie bringen, daß sie zum vollen ganzen Frieden kämen. Ach diese Thessalonicher, diese heiteren Griechen unter ihrem schönen, blauen Himmel -wer ihnen ins Herz hineinsah: da war kein Friede; inwendig Kampf und wenn sie ans Scheiden und Sterben gedachten, Jammer und Elend und Thränen! Ohne Hoffnung in dieser Welt, scheu und flüchtig vor ihren Göttern, die sie fürchteten und vor deren Neid sie erblaßten, so stand dies Volk, so reich begabt und doch inwendig so blutarm, verfallen und versunken, unter römischer Herrschaft zusammengetreten ein armes Volk.

Da kommt St. Paulus mit der Predigt des Evangeliums und bringt ihnen vom Morgenlande herüber Licht und Osterwonne. Diesen Herzen voll Unfriede und Freudelosigkeit hat er den Frieden Gottes verkündigt und den Weg zum Frieden gewiesen. Das Herz ihres Gottes hat er ihnen geöffnet und den

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