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Bruder Otto, aber etwas Anderes ist es, sich selbst gürten und den Weg antreten müssen hinab ins Thal. Und durch welches Thal, mit welchem Schatten hat Er ihn doch geführt!

Was er hier in diesen Räumen still durchgekämpft, diese Jacobsstunden, da er rang mit seinem HErrn, deren reife Frucht er niedergelegt in seiner vorletzten Predigt, des Christen bestes Gebet: Dein Wille geschehe", die eine Abendröthe seines Lebens, aber auch die Morgenröthe seines Sieges bezeichnete das wird uns erst in der Ewigkeit klar werden.

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Aber: „Ich fürchte kein Unglück." Keine innere Anfechtung seines Glaubens, keine Verdunkelung seines Gnadenstandes, die ja das tiefste Leid sind, Dinge, die so manchem Knechte Gottes nicht erspart bleiben, sind über ihn gekommen.

Sein legtes Wort an mich in der Depesche: „Dein schwerkranker, aber in Gott freudiger Mar“ schrieb er zwölf Stunden vor seinem Scheiden. Wie Deine Liebe, theure Thora, ihn getröstet, und wie er gewiß Dir oft gesagt an seinem Bette: „Ach, Du bist bei mir!" so hat die ewige Liebe, die uns mehr liebt als Vater und Mutter, als Weib und Kind, ihn nicht allein gelassen. Seinen Hirtenstab hat Er schüßend über Seinen Hirten gebreitet, daß der Teufel kein Recht geltend machen durfte, ihn zu sichten. Dies innere Gericht hatte er an sich selbst vollzogen und wer sich selbst richtet, wird nicht gerichtet werden.

Das muß auch uns trösten in dieser lichten und doch so dunklen Führung, die ihm nun ganz klar und licht, uns noch umschleiert ist. Warum demüthigte der HErr Seinen Knecht auf dem Wege seiner Kraft? warum nahm er diesen fruchtbaren Baum hinweg, da von so vielen Predigern gilt: „Haue ihn ab, was hindert er das Land!?" Warum ihn, der so Vielen zum Segen geworden, brechen, warum nicht Andere? Ach, wie oft habe ich mich gefragt: warum nicht Dich statt seiner?

Aber wir legen den Finger auf den Mund und warten Souverän herrscht der HErr und bedarf keines Menschen, Er muß auch Knechte droben haben, nicht bloß auf Erden. Er will es, daß Seine Knechte nicht bloß predigen sollen mit dem Wort, auch

durchs Schweigen. Nicht was wir haben noch thun, entscheidet, sondern was wir sind, was wir geworden sind in Ihm.

Aber dies Werden geht durchs Leiden, dies Ausreifen nur durch die Gluth, wie die Aehre und die Traube im Sommer. Max hat dennoch seiner Gemeinde, uns Allen gepredigt, durch seine hohe Geduld, durch das unverrückte Festhalten der Hoffnung auf Jhn, durch seinen Durchblick in die Herrlichkeit danach. Es liegt gewißlich ein stiller, verborgener Segen darin, der sich noch offenbaren wird, daß Er Seinem Knecht diesen Gang durchs dunkle Thal der Leiden nicht erspart hat.

„Welcher Ende schauet an" sagt bedeutsam der Apostel, (nicht bloß: welcher Rede höret zu) „und folgt ihrem Glauben nach." Hier mag uns etwas Licht ins Herz fallen.

Er läßt die Seinen nicht, ohne ihnen im Angesicht der Feinde den Tisch zu decken. Wir haben keinen fargen HErrn, sondern einen, der uns voll einschenkt, und dazu zählen wir auch das Ende des Geliebten. Träumend ging er durch die Todesthüren, mit ausgereckten Armen dem kommenden HErrn entgegen, der Seinen Knecht gerufen. Die eine große Thräne, die letzte Thräne, der ersten entsprechend, die wir bei der Geburt weinen, sie galt dem Leid der Welt, dem Abschied, sie galt Dir, liebe Thora, sie galt uns Allen aber sie war auch eine Freudenthräne, ge= weint im Anblick der Herrlichkeit, eine Thränensaat die schon eine Freudenernte in sich schloß.

Ja, „Gutes und Barmherzigkeit sind mir gefolgt mein Leben lang." So wird seine erlöste Seele droben jezt jauchzen im Hause des HErrn, und wir segnen ihn und sagen: „Ja, Amen, Gutes und Barmherzigkeit hast Du auch uns gethan, das Gedächtniß der Liebe und des Dankes wird Dir bleiben, so lange in uns der Athem geht."

So hat der HErr den Psalm an ihm erfüllt, herrlich und sieghaft. Er wird ihn auch an uns erfüllen, wenn Er unser Hirte bleibt. Er wird Dein Hirte sein, liebe Thora, und wird Dir nichts mangeln lassen, troßdem der, dessen treues Herz Dir Herz und

Seele gefüllt, von Dir gegangen. Es ist auch für Dich die rechte Straße, in Deinem Wittwenkleide und Wittwenleide spricht Er zu dir: „Ich, der HErr, der dich gemacht hat, bin dein Mann, dein Erlöser!"

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Er wird auch uns nichts mangeln lassen. Zu Ihm gehen, in Ihm sein, in Jhm bleiben, das ist der letzte Hirtensegen unseres geliebten seligen Bruders! Amen.

18. Trauerrede

über Matth. 5, 8:

„Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen."

Bei der Trauerfeier für den im dienstlichen Jagdrennen gestürzten jungen Grafen Harald von Hardenberg, am 21. November 1892.

In Christo geliebte trauernde Freunde, insonderheit liebe Mutter und Geschwister und liebe Verwandte unseres Entschlafenen und Kameraden seines Regiments!

Wir kommen vom Todtenfest. In einem großen, langen Zuge, mit umflorten Herzen und thränenden Augen sind Tausende aus unseren Gemeinden auf den Kirchhof gezogen, Jeder den Kirchhof im Herzen mit den eingesunkenen und frischen Gräbern, mit altem und jungem Leid, in Gottes Haus mithineintragend. Auch hier ist es nicht das erste Mal, daß sich dieser Raum gewandelt hat zu einer Todtenkapelle. Hier stand einst der Sarg des Hauptes dieses Hauses, in der Blüthe der Jahre gebrochen, und nun am heutigen Tage ein Stück des Herzens, ein Sonnenschein des Hauses! Den Sohn wollen wir betten neben den Vater, und mit der neuen Wunde fangen die alten wieder an zu bluten, mit dem neuen Leid bricht das alte auf. Wo wollen wir hin? Wo wollen wir hin namentlich mit diesem Sarge und mit dem, was er in sich birgt? Jeder Tod ist ein Geheimniß, jeder aufgeworfene Grabhügel draußen eine aufgeworfene Frage an unsern

HErrn: „Warum thuft Du also?" aber doch einer mehr als der andere. Warum also? Warum in der Blüthe der Jahre? Warum so schnell und unerwartet? Warum wie ein Blitz aus heiterem Himmel, so fragt unser Herz. Wo wollen wir hin? Wollen wir zu den Menschen gehen? Ach, was sie an Liebe haben und Trost, das wird Euch, Geliebte, nicht fehlen. Wie ein reicher Erntekranz legt sich auf den Sarg des lieben Entschlafenen alle die ausgesäte Liebe, und nun zeigt sich erst, wieviel Liebe er im Leben gegeben hat und wieder empfängt in Wort und That. Sein Regiment hat es sich nicht nehmen lassen, aus der Ferne zu kommen, und seine Untergebenen wollen den geliebten Führer zu Grabe tragen. Wir wissen recht gut, solche Liebe thut wohl, aber trösten kann sie uns nicht, das kann der HErr allein.

Ihr habt Sein Wort gehört, das Wort vom guten Hirten, der sich auch an ihm bewiesen, dessen Stecken und Stab den lieben Entschlafenen im dunklen Todesthal getröstet, daß er kein Unglück gefürchtet, das Wort von der Liebe, die man nicht begräbt, die nimmer aufhört, und das Wort von der Hoffnung auf die seligen Wohnungen, zu denen der Heiland den Weg uns geöffnet und geholfen, daß wir ohne Furcht und Schrecken den Tod überwinden und an Sein Herz kommen können. Wer das weiß, Geliebte, wer das glauben kann, der geht erhobenen Hauptes von der Stätte des Todes, der gürtet seine Lenden und facht sein Licht am ausgehenden Lichte an, um das Leben weiter zu ergreifen, für den wird solche Stunde nicht bloß eine äußerliche Feier, sondern zu gleicher Zeit ein Sterbesegen fürs eigene Leben.

Geliebte Freunde! Wir pflegen noch einmal das Schweißtuch vom Antlig unserer Lieben zu nehmen, ehe wir sie in den Sarg betten, und schauen tief in das Antlig, auf dem der Ernst des Todes, die Weihe der Ewigkeit liegt. So wollen wir nun noch einmal vom geistigen Antlig unseres lieben Harald die Hülle heben und sein Bild vor die Seele treten lassen und hören, was es uns zu sagen hat. Wenn ich es zusammenfassen soll in ein Wort der Schrift, dann laßt es mich thun im Wort der Bergpredigt:

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Selig sind die reines Herzens sind, denn sie sollen Gott schauen!"

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Geliebte, welch ein Wort: reines Herzens!" Wie klingt es hinein wie ein heilig Himmelswort in eine Welt voller Sünde und Kampf und Unvollkommenheit, selig, die reines Herzens find", - und welch eine Verheißung: sie werden Gott schauen. von Angesicht zu Angesicht“. Ach, Geliebte, vor solchem Wort steht man bebend als vor einer unerreichbaren Forderung. Aber wir wissen, wie der HErr es verstanden haben will: reines Herzens nicht die, die keine Sünde haben wo wäre Einer zu finden, da Keiner rein ist? Betet nicht David: „Verzeihe mir die verborgenen Fehler; wer weiß, wie oft er fehlet,“ und „schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gieb mir einen neuen gewissen Geist?" Demüthigt sich nicht ein Paulus so, daß er bekennt: Ich bin nicht werth, daß ich ein Apostel heiße" und nennt er sich nicht den Vornehmsten aller Sünder?! Wäre der Heiland in diese Welt gekommen, uns zu reinigen und zu heilen durch Sein Blut, wenn wir reines Herzens in dem Sinn wären, daß wir keine Sünde haben? So meint es der Heiland nicht, aber Eines will er sagen: Selig die, die eines aufrichtigen, lauteren Gemüthes sind, selig sind die Menschen, denen es mit der Wahrheit ernst, die nach dem ewigen Leben mit guten Werken trachten, die in allen Dingen ihren Gott suchen und erkennen, wo immer Er Sein Buch aufgeschlagen. Er meint die Menschen, die, wie jener Nathanael, ohne Falsch sind, ohne Hinterhalt. Er meint die selbstlosen Menschen, die nicht sich suchen, die Demüthigen, die vor Gott und Menschen wandeln in der Aufrichtigkeit und Lauterkeit des Seins. Die nennt Er selig, weil in ihnen sich Gottes Herrlichkeit und Liebe spiegeln kann. Es sind die Menschen, von denen es heißt: „Jesus sah ihn an und liebte ihn“, denen das Gemeine tief unter den Füßen liegt, die mit ihrem Sinn nach ewig Bleibendem streben und suchen.

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Und darf ich das nicht sagen von unserm lieben Entschlafenen? Er war an einem Sonntag geboren, und ein Sonntagskind ist er sein Lebetag gewesen. Von Sonntagskindern sagt man, daß ihnen

Frommel-Gedenkwerk. Bd. V. Reden aus dem Amt.

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