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Wort des HErrn wieder in Erfüllung gegangen! Kaum acht Tage find ins Land gegangen, seit wir an dieser Stätte standen, ein rosiges Kindlein segnend zum Eingang ins Leben. Der Großvater, unser lieber Entschlafener, legte ihm segnend die Hand aufs Haupt, und die Augen des Täuflings leuchteten ihm entgegen. Und nun stehen wir hier; die Hand erkaltet, die das Kindlein gesegnet, das Auge gebrochen, das es so freundlich angeschaut, und wir segnen ihn selbst ein zum Ausgang aus dieser Zeit. Des Kindleins Morgenroth ward sein Abendroth, und darauf kam die Nacht, da Niemand wirken kann. So nahe bei einander sind Freude und Leid.

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Und doch wohl uns, daß wir wissen, wer es ist, der den Feiertag in Trauern und den Festtag in Weinen wandelt. Nicht ein dunkles unerbittliches Schicksal, sondern die Hand des Gottes, der die ewige Liebe ist, ob Er giebt oder nimmt, der den Ausgang segnet wie den Eingang. Es ist der HErr, Er thue was Ihm wohlgefällt.“ Seine Hand will uns denn auch den Stecken und Stab reichen zum Gang ins dunkle Thal, den wir jetzt antreten, unsern lieben Entschlafenen zu betten in die Nähe seiner geliebten unvergeßlichen Enkelin. Sie giebt unsern Augen das Licht, daß wir nicht hinabschauen ins geöffnete Grab, sondern in den offnen Himmel, der sich aufthun will voll Lichtes und Trostes.

Was bleibt, wenn das Liebste geht, wenn die Tauflichter zu Todtenkerzen und die Taufkränze zu Todtenkränzen werden? Was welkt nicht, wie diese vergänglichen Blumen und Palmen? Ihr habt soeben gehört: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe" als die starken Engel uns behütend vor Troftlosigkeit, Verzweiflung und Vereinsamung. Unter ihnen aber giebt der Apostel der einen den Preis: der Liebe, die nimmer aufhört.

In dies Wort laßt uns zusammendrängen, was wir von Dank gegen Gott und den Entschlafenen, was wir von Gelöbniß für einander in dieser Stunde im Herzen tragen.

Ich sage von Dank gegen Gott. Denn von Seiner Liebe gilt es doch im tiefsten Sinne: „sie höret nimmer auf". Zieht sich doch durch jedes, selbst das ärmste Menschenleben dieser goldne

Faden hindurch; „Ich habe dich je und je geliebet, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte". Jedes reich begnadigte Leben trägt doppelt dieser göttlichen Liebe Signatur: „Ich bin zu gering aller Güte und Treue, die du an deinem Knechte gethan hast".

Wenn ich am inneren Auge das Leben des Entschlafenen vorüberziehen lasse, was ist es doch gewesen? War's nicht getragen, begnadigt von einer reichen Liebe Gottes? Seine Geburt fällt in die Zeit nach den schweren Tagen unseres Vaterlandes, in die Tage der Befreiung und Erlösung. Im Nachklange dieser schönen Zeit hat das Kind im Elternhause gesehen, daß das Leben, wenn es köstlich gewesen, Mühe und Arbeit gewesen sein muß. Und das war auch sein Leben. Mit seltenen Gaben des Geistes ausgerüstet, mit ebenso seltener Arbeitskraft hat er die beiden in den Dienst des Königs und des Vaterlandes gestellt, und die Zeugen seiner Arbeit sind die Ehrenzeichen, die diesen Sarg zieren. In schwerer Zeit treu stehend zu seinem Könige, so kanntet Ihr sein Wirken, das ihn auf verschiedene Stätten von hervorragender Bedeutung gerufen. Und doch war es nicht die Anerkennung seiner Verdienste noch der Erfolg, der sein Glück ausmachte. Das Beste hatte ihm sein Gott im Hause beschieden. Sieben und dreißig Jahre durfte er mit seiner treuen Lebensgefährtin ziehen, nicht vereinsamt im Alter, wie so Mancher, dem das Herz im Hause fehlt. Um ihn seine beiden Kinder und die blühenden Enkel, die sich wie junger grüner Epheu um den alternden Stamm schlangen, seines Lebensabends Freude und Wonne. So war er im Hause gesegnet, dem seine Liebe galt.

Ich weiß wohl und vergesse es nicht, daß neben solchem Glück in Stellung und Haus Gott ihn auch tiefes Leid hat erfahren lassen. Die Krankheit seiner Kinder und insbesondere das schmerzliche Leiden der geliebten Tochter, die wir heute so bitter vermissen, die nicht mehr den letzten Blick des Vaters gesehen, noch sein friedevolles Bild im Sarge, - es hat ihm tief ins Herz geschnitten, wie es denn für Eltern nichts Schmerzlicheres giebt, als ein geliebtes Kind leiden zu sehen. Aber wer den Segen

der Trübsal kennt, der schilt sie nicht, der weiß, daß auch darin Gottes Liebe verborgen liegt. Wie der Taucher im Meere nur dadurch in der Tiefe die Perle findet, daß seine Füße beschwert werden, so wissen auch wir, daß jedes Gewicht des Kreuzes, das Gott uns auferlegt, in die Tiefe uns führen will. Und wenn der HErr zulezt ihn selbst gebrochen hat an Leib und Geist, ihn hülflos machte wie ein Kind, ach, es waren doch auch Tage des Segens, der Einkehr ins eigne Herz, des Fassens der Hand Gottes, wie der Entschlafene es denn auch gethan in seinem Lieblingsworte: Immer heiter, Gott hilft weiter".

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Und wenn ihn nun zuletzt der HErr schnell und unerwartet abgerufen, lag nicht auch darin eine Liebe Gottes, die ihn vor schwerem Jammer bewahrt, die ihm noch einmal wie bei der Taufe der Kleinen ein Aufflammen des Lebenslichtes gestattete, ein Hören des Wortes der reichen Liebe, um dann still einzuschlafen? Vergeßt, Geliebte, das schöne stille Bild nicht, über dem man hätte das Wort schreiben können: „Lazarus, unser Freund, schläft“. Nein, Gottes Liebe ist mit ihm gewesen und sie ist es auch, die bei ihm bleibt und ihn zur Vollendung führen will.

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Die Liebe höret nimmer auf!" Wollen wir es nicht auch als eine Dankesgabe dem Entschlafenen und seiner Liebe sagen? Liebe Gattin, die Jahre, da Dein lieber Mann mit Dir gewandert ist, seitdem Du ihm die Hand gereicht zum Bunde, sie bleiben mit alle dem, was Du darin erlebt an Freude und Leid, Dein Heiligthum in der Erinnerung, an das keine Hand rühren soll. Wir wissen nur, was er Dir, was Du ihm warst in Liebe und Treue. Und darum können wir es auch jetzt Dir nachfühlen, wie besonders nach dem letzten Jahre, wo Du sein Trost und seine Stüße warst, Dir das Leben so inhaltlos und so vereinsamt vorkommt, und Du nun am liebsten auch schiedest.

Aber der Liebe größestes Opfer ist es, auch den Andern ziehen lassen, wenn es sein Glück und Vortheil ist. Sie giebt den Geliebten weg, weil sie weiß, daß die ewige Liebe ihn besser bettet. Das ist der Glaube der Liebe! Deine Töchter bedürfen der Mutterliebe und des Muttertrostes noch so reichlich, und es

ist ein Dank Deiner Liebe, wenn Du ins Leben zurückkehrend den Kindern auch den Vater ersetzest; das ist in seinem Geist und Sinn gethan.

Und Jhr, lieben Kinder! Ihr habt einen selten gütigen Vater gehabt. Ach, mit diesen zwei Augen, die sich geschlossen, schließt sich so viel im Leben! Für Euch hat er doch nur gedacht und gesorgt und in und mit Euch gelebt, das vergeßt nicht! Wir Alle aber, die wir in seine Nähe kamen, haben diese Liebe gesehen und empfunden. Ueberall hat er Freunde gefunden und sich erworben durch sein wohlwollendes offenes Herz und seine offene milde Hand, bis herab zu seinen Untergebenen, die ihn wie einen Vater liebten. Ein liebewarmes Herz hat hier ausgeschlagen. Darum auch unser Gelöbniß am Grabe: „Die Liebe höret nimmer auf".

Was unser Leben reich macht, ist ja nur die Liebe, und der Mensch ist doch nur so viel werth in dieser Welt, als er nicht für sich selbst gelebt, sondern für Andere. Das ist die Wage, worauf der Mensch gewogen wird. Die lette Ehre ist ein kaltes Ding, aber es giebt keine letzte Liebe. Laßt sie auch untereinander nicht aufhören! Schließt die Reihen enger, in die der Tod die Lücke gerissen! Brauch' ich es Euch zu sagen, lieben Kinder, lieben Schwiegersöhne, daß Ihr auch ferner der vereinsamten Mutter Trost und Halt sein sollt?

Wir gehen nun wieder nach Hause, Jeder in seinen Kampf, in sein Leid. Aber Eins wollen wir mitnehmen: die Liebe überwindet und überdauert Alles, sie höret nimmer auf. Er aber, unser Gott, der die ewige Liebe ist, stärke und tröste uns über das vergangene Leid wie für den Abend unsres eignen Lebens, daß wir in voller Liebe unsres HErrn Jesu Christi voneinander scheiden können ohne Vorwurf, ohne Versäumniß an Treue, scheiden in der seligen Gewißheit, daß die ewige Liebe uns wird wiederfinden lassen, was wir nicht verloren, sondern was sie nur aufgehoben hat, um es uns verklärt wiederzugeben. Das schenke Er Euch und mir um seiner Liebe willen. Amen.

12. Grabrede

über Psalm 62, 2. 39, 10. 42, 12.

„Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft."

„Ich will schweigen und meinen Mund nicht aufthun, du wirst es wohl machen."

Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichts Hülfe und mein Gott ist."

Am Sarge einer jungen Mutter, Januar 1885.

In Christo geliebte trauernde Freunde, lieber Gatte und Geschwister der Entschlafenen! So stehen wir denn hier am Sarge und wollen unsere Entschlafene, Dein liebes Weib, zur Ruhe betten. Am Sarge! Ach, uns Allen kaum faßlich, sie, die lebensfrische und frohe Frau nicht mehr unter uns zu wissen. Geliebte, es giebt ein Leid, dem gegenüber Schweigen mehr ist als Reden. So schweigen wir ja auch, wenn am Sommertage der Blitz zündend herabfährt und der Donner majestätisch hallt; jedes Wort stört uns gegenüber solch gewaltiger Sprache. Und hier ja, wer wollte nicht lieber still trauern als reden, da Menschenwort so arm und schwach ist bei so tiefem Weh?

Heraus aus den Armen ihres Mannes und ihrer Kindlein, die nicht ahnen, welches Leid ihren Lebensmorgen getroffen, ist sie plötzlich abgerufen worden. Wir fassen und begreifen Deinen Schmerz und die Bitte: „Erbarmet euch mein, meine Freunde, erbarmet euch mein, denn die Hand des Höchsten hat mich gerührt!" Wir gedenken der fernen Eltern, die die Tochter nicht mehr geschaut, deren Augen- und Alterstrost dies Kind gewesen; gedenken Eures Kreises hier, lieben Geschwister, und wie sie darin gewandelt; allenthalben, wo wir hinschauen nur Leid und Wehe.

Und doch ist's das tiefste Weh noch nicht. Gewiß, es ist schmerzlich, wenn es Abend um uns wird; aber weit schmerzlicher, werden will, und die Sonne sich neigt Schmerzlich gewiß, wenn der Sturm

wenn es in uns Abend über unsern Glauben.

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