Page images
PDF
EPUB

leuchten und einen besseren, kommenden goldenen Morgen verkündigen, so wie sie in dem entschlafenen Präsidenten geleuchtet. Ungeschminkte, ungeheuchelte Gottesfurcht, freies Bekenntniß unseres Glaubens, Reinheit der Gesinnung und des Charakters und Wandels, Hingabe und Selbstlosigkeit, Treue bis in den Tod!

Vom Grabe Garfields aber rausche es der Mutter, der Gattin, den Kindern, dem ganzen amerikanischen und auch unserm deutschen Volke voll Friedens und Trostes entgegen am Abend dieses Tages:

[ocr errors]

„Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben!" Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet, denn, nachdem er bewähret ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott, der gerechte Richter, geben wird denen, die ihn lieb haben.“

Ja, sei getreu bis in den Tod", ruft auch uns der HErr zu in dieser Abendstunde, angesichts der Nacht, die auch uns erwartet, da Niemand wirken kann, „so will ich dir die Krone des Lebens geben". Amen!

9. Grabrede

über Johannes 11, 28:

„Der Meister ist da und rufet dich."

Am Sarge des Komponisten und Musikkritikers Nichard Wüerst am 12. Oft. 1881.

In Christo geliebte trauernde Freunde! Insonderheit liebe Gattin und Kinder des Entschlafenen und Ihr, seine Kunstgenossen und Schüler!

So stehen wir hier am Sarge unseres Freundes, Deines Gatten und Eures Vaters, Eures Genoffen und Meisters. Geschlossen der liederreiche Mund und erkaltet die kunstfertige Hand. Was draußen der sich färbende Wald und jedes welke Blatt redet, das predigt dieser Sarg, schweigend und doch so beredt: „Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, wie eine Blume auf dem

Feld, wie das fallende Laub im Wald.“. Uns allen überraschend kam die Kunde seines Todes, und wiewohl Jhr, liebe Gattin und Kinder, schon seit Monaten wußtet, daß der Todesengel den Kuß ihm auf die Stirne gedrückt, so ist's doch noch etwas Anderes, wenn nun wirklich unter diesem Kusse die Augen brechen und die Lippen das lezte Lebewohl sagen. In der Blüthe und Kraft seiner Jahre ist dieses Leben gebrochen, an Trost aus Menschenmund, von Menschenhand hat es auch nicht gefehlt, und doch, wie ist er einem tiefen Leid gegenüber so arm, wie viel beredter die Thränen im Auge und der stumme Druck der Hand! Aber ein HErr ist, der tröstet, wie kein Mensch trösten kann, und eine Hand, die sich heilend auf die blutende Wunde legt und allein heilen kann, weil sie dieselbe ist, die die Wunde geschlagen hat, die Hand unsres Gottes und HErrn. Aus der heiligen Schrift höret ein Wort, das einst in einem Trauerhause erklang, so trostvoll: „Der Meister ist da und rufet dich."

Es gilt dem Entschlafenen, es gilt Euch, seinen Hinterbliebenen, es gilt uns Allen, die wir um diesen Sarg stehen.

"

Der Meister rufet dich“, Er, der HErr alles Lebens, der Quell aller Vollkommenheit, Er ist's allein, der diesen Namen mit Recht trägt. Alles Andere, was sich so nennt, oder nennen läßt in dieser Welt, wandelt im Lande des Bruchstücks und des Unvollkommenen, ist nur Schüler, wenn nicht Stümper. Er, der selber die ganze Schöpfung zum großen Liede gemacht, daß die Himmel Seine Ehre erzählen und die Veste Seiner Hände Werk verkündigt, der Seine Harmonien durch die Sphären gehen läßt, da jeder goldne Morgen ein jauchzendes Loblied singt, und jede sternenklare Nacht Seine Wahrheit preist; Er, der des Menschen Brust so seelenvoll besaitet und das Menschenleben selbst mit seinem Leid und seiner Freude zu einer Symphonie stimmt zu Seiner Ehre und unsere Erde zu einer großen Schule macht, damit wir in der Zeit das Lied der Ewigkeit lernen Er, der die Menschen lehrt, was sie wissen, Er ist allein der wahre und rechte Meister, unter dessen Augen wir arbeiten. Er, der die Anfangszeit unseres Lebenstages bestimmt, kann allein auch mit Frommel-Gedenkwerk. Bd. V. Reden aus dem Amt.

15

heiliger Hand das Schlußzeichen sehen und auf Seinen Ruf die Feder niederlegen heißen. So hat Er auch unseren lieben Entschlafenen gerufen aus der Arbeit in den Feierabend. Geliebte, es steht mir nicht zu, ein Urtheil über seine Leistungen hier an diesem Ort und in dieser Stunde zu fällen. Wir Laien haben ja nur den Genuß, und die Berufenen können allein die Arbeit würdigen, aber soviel darf ich doch sagen, wenn ich sein Leben am inneren Auge vorüberziehen lasse, was ist dies Leben gewesen? Mühe und Arbeit war's von Jugend auf bis zum legten Athemzug. Seine Lehrzeit ruft uns traute Namen ins Gedächtniß: Felix Mendelssohn, Riest, David. Ehe er lehrte, wollte er lernen, Schüler sein mit voller Begeisterung. So schlug er die Gold und Ehren bringende Laufbahn eines Virtuosen aus, um die dornenvolle des Komponisten und die noch dornenvollere des Kritikers zu betreten. So hat er gewirkt, wie auch als Lehrer, mit seiner ganzen und vollen Kraft, und selbst, als die Tage der Schwachheit ihn überkamen und er einem Freunde antwortete auf die Frage, wie es ihm gehe: „Müde zum Umsinken", doch bis wenige Stunden vor seinem Tode seinen Beruf erfüllt, bis der Meister ihn rief". Aber der Feierabend sollte ihm nicht ohne vorangegangene Leiden werden. Wir möchten freilich so gerne vom Gemüth des Künstlers das Leiden bannen und möchten einen blauen, wolkenlosen Himmel für ihn haben, daß er ohne Druck und Hemmung schaffe; aber wer den Segen der Trübsal kennt, schilt sie nicht. Dämmt Gott den Strom des Lebens durch Leiden ein, so vertieft er ihn eben auch dadurch. Nur durch Beschwerung an seinen Füßen ist es möglich, daß der Taucher in der Tiefe die köstliche Perle finde. So läßt uns Gott suchen im Leide, was wir in der Freude nicht finden. Je mehr die Außenwelt sich verschließt, desto mehr öffnet sich die Innenwelt; man sucht das Heim des Hauses und darin den süßen Trost der Liebe. Aber der Meister, der ihn in diese Schule gesandt, wußte auch die rechte Stunde, ihn heraus zu rufen. Nicht nach langem Siechthum und Krankenlager, schnell hat ihn der HErr gerufen zur Ruhe. Und ich meine, auf seinem todten Antlige

"

"

und der schönen gewölbten Stirn lag's wie ein stiller Friede, als wollte er sagen: Wie ruht sich's doch so süß!" Freilich, wir wissen's, wenn der Meister ruft zum Scheiden, dann ruft Er auch zum Gericht, wie die Schrift sagt: „Es ist dem Menschen gesetzt zu sterben und danach das Gericht." Aber wohl uns, daß es ein Meister ist, der uns kennt und in heiliger Barmherzigkeit die Wagschale hält. Er richtet nicht, wie Menschen richten. Er sieht nicht, was vor Augen ist, er siehet das Herz an. Er schaut nicht auf die Zufälligkeiten, die am Wesen des Menschen haften, sondern auf den lauteren tiefen Grund. Unser hingeschiedener Freund schien in seinen Werken nur sonnigen und heiteren Gemüthes zu sein, und doch, ob nicht jener 28ste Psalm, den er einst komponirt hat, mit seinem „Kyrie eleison" am Anfang: Schweige mir nicht, wenn ich zu dir schreie und meine Hände empor hebe zu deinem heiligen Chor" und mit seinem „Te deum“ am Schluß: „Der HErr ist meine Stärke und mein Schild und hat mir geholfen, mein Herz ist fröhlich und ich preise ihn mit meinem Liede" ob dieser Psalm nicht auch sein Ringen und Bitten ausdrückt? Denn er war ein betender Mensch, der keinen Abend es vergaß, seine Seele dem treuen Schöpfer zu befehlen. Wenn der Meister da ist und ruft, dann ruft Er einen solchen nicht zum Ende, sondern zur Vollendung; dann will Er den süßen Kern von der rauhen Schale befreien und aus dem Bruchstücke des Erkennens und Schaffens zur Vollkommenheit führen. Ein großer Dichter hat von der Musik gesagt, es frage sich, ob sie ein Nachklang des verlorenen Paradieses oder ein Vorklang des kommenden sei. Sie ist beides, und wohl dem Menschen, der gewürdigt ist, mit verklärtem Ohr und geheiligten Lippen das Lob Gottes in der Herrlichkeit zu hören und zu singen. So rief der Meister den schaffenden Künstler aus der Arbeit zum Feierabend, den müden Pilger aus dem Leiden zur Ruhe und den ringenden Menschen aus dem Kampfe zur Verklärung.

Aber der Meister, der ihn gerufen, ist auch für Euch da und ruft auch Euch! Denn nicht bloß seiner Kunst, sondern

Euch gehörte der Entschlafene in besonderem Sinne an. Es stand ja bei ihm nicht, wie so manchmal sonst, daß der Künstler seinen Weg einsam geht, unverstanden von den Seinen; seine Kunst wurzelte vielmehr im Hause. Für Euch und aus Euch heraus dachte und komponirte er. Wo Andere ihn nicht verstanden, habt Ihr ihn verstanden, und wo er verkannt wurde, wurde er von Euch erkannt; darum ist auch die Lücke doppelt groß. Was Du, liebe Gattin, in den 30 Jahren mit ihm erlebt und erfahren, bleibt Dir als ein heiliges Vermächtniß, und das Vermissen wird schwerer sein als das Verlieren. Aber der „Meister ist da und ruft dich“ und will auch Dir sagen: „Weine nicht! Ich bin die Auferstehung und das Leben, und wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe." Auch Dir will Er sich erweisen als der Wittwen Tröster und Richter und was Er an Tausenden gethan, das will Er auch an Dir thun!

„Der Meister ist da und ruft dich "Er ruft Euch, lieben Kinder, der Trost Eurer vereinsamten Mutter zu sein, sie als das beste Vermächtniß Eures seligen Vaters zu nehmen. Du, liebe Tochter, hast von seiner Hand so manches süße Lied empfangen daß dabei Dir aber immer auch die Gestalt des seligen Vaters vor die Seele trete! Hat er doch in einem Liede es gesagt:

[ocr errors]

„Was ich hatte, ach, das gab ich

Und mich selbst dazu.“

Und Du, lieber Sohn, der Du der Erbe seines Namens bist, sei Deiner Mutter Trost und Halt, und wenn Du selbst einst in Deinem Berufe Häuser bauest, so gedenke daran, daß es der Segen des Vaters ist, der den Kindern das Haus baut.

Ihr aber Alle, meine Freunde, und Ihr insonderheit, liebe Schüler und Schülerinnen, auch Euch gilt das Wort: „Der Meister ist da und ruft euch!" Hier der todte Lehrer mahnt Euch zu Ernst und Eile! Lasset es Euch sagen, daß nur der ein Meister werden kann, der selbst zuvor mit ganzem Ernste Schüler gewesen. So wahr das Wort ist, daß ernst das Leben und heiter die Kunst sei“, so ist doch das andere ebenso richtig, daß

« PreviousContinue »