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8. Gedanken zu einer Taufrede

über Ebr. 13, 2:

„Gastfrei zu sein, vergesset nicht, denn es haben ihrer dadurch etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt."

„Des Hauses Ehr' ist Gastlichkeit", sagt ein alter Spruch. Und's ist ja recht und gut, wenn ein Haus Raum hat nicht nur für einen Fremden, sondern für einen lieben Gast. So hat's auch der Apostel gemeint zu seinen Zeiten, als so mancher wandernde, vielleicht auch verfolgte Christ nicht wußte, wohin sein Haupt legen. Da sollte denn die Liebe der Christen die Hauspforten öffnen, gern herbergen, gastfrei sein ohne Murmeln. Der Segen bliebe ja nicht aus, denn in solchem Wanderer hätte doch Mancher einen Engel Gottes unwissend beherbergt.

Bis auf den heutigen Tag ist die Pflicht, die Ehre und der Segen edler Gastlichkeit geblieben. Wir freuen uns auf den Gast, bereiten ihm sein Stüblein mit allem Lieben, mit Erinnerungen, welken und frischen Blumen, und freuen uns, wenn's ihm wohl bei uns ist. Geht der Gast weg, dann ist's, wie wenn gute Geister weggegangen wären; man sucht überall, und er läßt den leeren Platz in Haus und Herz zurück.

Aber ganz anders klingt freilich dies Wort, wenn es solch einem Gast gilt wie diesem, der hier auf diesen Armen schläft, und den man zur Taufe bringt. Ein erwarteter Gast, dem man sein Bettlein bereitete, für den man sorgsam die kleine Aussteuer bereitet hat mit liebender Hand. Wie köstlich, ihn nicht mit Murren und Fragen zu empfangen, sondern fröhlich willkommen zu heißen!

Freilich ist er ein Gaft und ein Fremdling. Man kennt ihn nicht und er uns nicht. Die ganze Welt und Zeit liegt vor ihm wie eine große Fremde, wie ein unentdecktes Land, darin er keinen Weg noch Steg kennt. Nur ein Gast, der um Aufnahme bittet und nicht sagen kann, wie lange er bleibt, und wenn er weggeht, welche Leere läßt er zurück! Einen Fremdling trägt er dazu in seiner Brust, der einmal singen wird:

,,Die Sonne dünkt mich hier so kalt,
Die Blüthe welk, das Leben alt,

Und was sie reden leerer Schall,

Ich bin ein Fremdling überall!"

Wenn wir nun nichts weiter wüßten als das, da müßte uns doch mit dem Herbergen bange sein. Jeden Tag müßten wir bangen, ob nicht der Gast von dannen zieht. Wir müßten doch merken, daß wir ihn nicht überall in Gefahr hüten könnten, noch überall den rechten Weg führen, und für den innern Fremdling, ihn zu trösten, wüßten wir erst recht nichts.

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Aber nun tritt sein HErr zu ihm und sagt ihm: „Du sollst nicht bloß ein Gast auf Erden sein, nicht bloß so arm und mit leeren Händen kommen. Jetzt will ich dir in der heiligen Taufe etwas schenken, das dich getrost und fröhlich macht. Ich will dich an meine Hand nehmen und dich durch's fremde, wilde Land führen. »Ich werde Wege finden, da dein Fuß gehen kann.<< Deinem inwendigen Fremdling aber will ich eine Heimath hier auf Erden geben, höher und besser als das trauteste Elternhaus in meinem Herzen. In meinem Wort sollst du den Brief lesen, den ich dir geschrieben, darin du in mein Herz sehen kannst, und in jedem Gebet und jeder Bitte, die aus deinem Munde hier hinaufrufen, will ich in dein Herz sehen. So sollst du wissen, daß du »heimathberechtigt in zwei Welten« bist." Wo aber solcher Gast aufgenommen wird, da kommt er nicht allein. Die Engel Gottes ziehen mit ihm. Viel Kinder, viel Vaterunser“, „viel Kinder, viel Engel", die Wache halten.

Darum herberget gerne". Amen.

II. Einsegnungsreden.

1. Rede

zur Einsegnung am Palmsonntag 1878.

Tert: Ev. Joh. 10, 27 und 28.

Denn meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir. Und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und Niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen."

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„Hier sind wir und die Kinder, die Du uns gegeben hast" mit diesen Worten treten wir heut vor des HErrn Angesicht. So bringt Jhr, geliebte Eltern, sie her, die Euch Gott geschenkt und gegeben. So werdet Ihr einst in der Ewigkeit wieder vor dem HErrn mit ihnen erscheinen, der sie als einen Euch anvertrauten Schatz aus Eurer Hand fordern wird. Von Allem, was wir hier unten besigen, werden unsre Kinder allein uns in jenes Leben folgen, entweder als Edelsteine in unserer Krone oder als Mühlsteine um unsern Hals. Schon hier ist ja keines dem andern gleich; schon äußerlich welch ein Unterschied unter diesen Kindern! Hier ein einziges Kind wie ein einziges Auge, das behütet und bewahrt werden muß, damit das Licht nicht erlösche im Hause; dort das letzte aus einer großen Reihe von Geschwistern; hier ein Kind, aufgewachsen im Sonnenschein des Glücks, dort eines, über dessen Leben schon die Wolken gegangen. Aber was ist die äußere

gegen die innere Verschiedenheit! Das eine Kind von Jugend auf ein Sonnenschein im Hause, so leicht zu leiten, so empfänglich für alle Liebe, das Herz aufgethan im Vertrauen; das andre ein Sorgenfind von jeher, verschlossen und schwer zugänglich. Und doch: als Euer Bestes habe ich sie angeschaut und habe mir gesagt, daß ich ihnen auch das Beste geben soll, was ich habe. Nicht dazu habt Ihr sie mir gebracht, daß ich ihnen nur eine Summe von Kenntnissen mitgäbe, sondern daß ich ihnen den Stecken und Stab reichen sollte, an dem sie sich halten können zu aller und jeder Zeit. Nicht für den irdischen Beruf sie zu bereiten, aber für den ewigen, seligen Beruf, nach dem sie Gott fragen wird am Tage der seligen Ewigkeit.

Aber Ihr kommt ja auch selbst, meine lieben Kinder, und sprechet: „Siehe, hier sind wir und die Eltern mit uns vor Deinem Altar". Es ist der erste hohe Tag, der hineinragt in Euer Leben. Zwar schon ein Tag war in Eurem Leben, da hat's Euch der HErr schlafend gegeben, da hat Er Euch angenommen zu Seinen Kindern und einen Bund geschlossen, der wie ein goldner Faden durch Euer Leben sich gezogen, das war der Tag der heiligen Taufe. Heute aber wollt Ihr nun das Erbe antreten. Ihr habt eben gesungen:

, Jesu meine Nuh,

Ich greife freudig zu
Nach den Gaben,

Die Du mir heut

Zur Seligkeit

Durch Dein Erbarmen haft erneut."

Es ist ein Ehrentag für Euch, aber auch ein Tag ernster Entscheidung. Und bei aller Freude zieht doch durch manches Elternherz und auch durch das meinige die bange Sorge. Ihr habt empfangen Gnade um Gnade werdet Ihr auch halten, was Ihr habt? Eine Krone ist Euch verheißen, werdet Ihr aber auch getreu sein bis an den Tod, sie zu empfangen?

Ich gebe Euch aus meiner Hand in die Hand eines andern Hirten, dem, von dem der Chor sang: „Der HErr ist mein Hirt“

ja das faßt Alles zusammen, was unser Herz bewegt in Dank für die Vergangenheit und Sorge und Bitte für die Zukunft.

Schauen wir zurück, ist's doch unser Bekenntniß: Du warst der treue Hirte, Deine Stimme haben wir gehört. Schauen wir vorwärts in Sorge: Aus Seiner Hand kann uns Niemand reißen.

So laßt mich denn in Trost und Mahnung dies Wort vom guten Hirten Euch ans Herz legen.

„Meine Schafe hören meine Stimme", so beginnt der HErr. Durch Seine Stimme sammelt Er Seine Schafe und durch sie allein, und so viele sie hören, gehören sie zu Seinen Schafen. Damit zeigt der HErr, daß es eine völlig freie Sache sei um Sein Reich, daß Er es allein darauf ankommen lasse, ob Jemand Seine Stimme hören will oder nicht. Er zwingt Niemanden. Nun kann man freilich Seine Stimme hören äußerlich wie die Pharisäer und Schriftgelehrten, aber sie hörten nur die Stimme eines von ihnen verachteten Zimmermannssohnes. Die Jünger hörten mit dem inneren Ohr und vernahmen. die Stimme des guten Hirten der vom Himmel kam, uns zu suchen.

Jeder Mensch ist auf diese Stimme angelegt; wer aus der Wahrheit ist, der muß, wenn er Jesu Stimme hört, bekennen: Ja wahrlich, das ist Gottes Stimme, die mein ewiges Heil will, die mir Friede und Freude schenken und mich den rechten Weg leiten will.

Liebe Kinder, auch ich habe Euch nicht kommandirt, nicht gezwungen; aber gebeten habe ich Euch: lasset Euch versöhnen mit Gott. An das innerste Sehnen Eures Herzens habe ich mich gewandt, daß Ihr suchen solltet, was zu Eurem Frieden dient, und unterscheiden die Stimmen der Welt und die Stimme des guten Hirten. Ach, sie hat geklungen schon in Eurer Kindheit, da Euch die Mutter die Hände faltete zum Gebet, hier in Gottes Wort, im Unterricht auch in so mancher ernsten und freundlichen Führung Eures jungen Lebens. Diese Stimme, sie will mit dem heutigen Tage ja nicht aufhören. Höret sie, lieben Kinder, hier im Hause des HErrn, Eures Gottes. „Ich

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