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lernen, was Christenliebe, was allgemeine Menschenliebe ist. Je höher die Stellung, desto ausgesetzter ist man dem Urtheil, desto mehr schauen die Leute hinauf, wie hier Alles nach dem hochgebauten Schlosse schaut. Schenke es uns Gott, daß dies Haus eine Stätte edler Gesittung und Gesinnung, echter Liebe und Menschenfreundlichkeit und wahrer Ehre werde.

Aber freilich, wir werden hier nicht immer bleiben, es ist und bleibt unser Haus

IV.

eine Pilgerstätte. Wunderbar ist ja doch, wie Gottes Hand uns gerade hierher geführt. Wieviel Stürme sind über dies Land gegangen, wieviel Wandlungen hat es erlebt! Und nun ist hier unter uns unsere geliebte Kaiserin, Ihre Mutter, lieben Prinzen, eine Nachkommin des letzten Sprosses aus diesem Schloß da oben. Sie bringt Ihre Kinder in das Land Jhrer Väter. Ja, da möchten wir auch sagen: Welche Wendung durch Gottes Fügung!

So predige nun dies Haus, daß über allem Wandel die ewige Hand Gottes waltet zu unserm Heil und Besten. Wir aber sollen hier einen Segen empfangen, dessen wir uns später, wenn wir wieder zu Hause sind, dankbar erfreuen wollen. Wir wollen es darum hier nicht zu leicht und nicht zu schwer nehmen, sondern als die Pilgrime des Worts gedenken:

,,Die Welt mit ihrem Gram und Glücke

Will ich, ein Pilger froh bereit,

Betreten nur als eine Brücke

Zu dir, HErr, übern Strom der Zeit."

So weihe denn der HErr selbst dies Haus durch seinen Geist zu einem Bethause, einer Arbeitsstätte, einer Friedensstätte, einem Pilgerhause durch Jesum Christum, unsern HErrn! Amen.

3. Rede

bei der Einweihung einer Familiengruft.

Zu einer wehmüthigen Feier sind wir heute in der Frühstunde des Tages versammelt, am stillen Ruheplaß der Todten. Eure Lieben, die Gott Euch einst gegeben und genommen, Ihr wolltet die hin und her Zerstreuten sammeln unter einen Hügel und zugleich Eure einstige Ruhestätte neben den Euren haben.

Wohl ist die Erde allenthalben des HErrn und überall ist sie geheiligt, wo ein Christenherz schlägt; wohl ist stille Ruhe da wie dort und Ausruhen und Feier. Ein großes Haus, das Alle beherbergt; ein Himmel, der sich über den Gräbern spannt und Sonnenschein und Thau hinabsenkt. Aber es ist doch ein trauter Gedanke, die im Leben einst Verbundenen im Tode und Grabe auch vereint zu sehen, und treue Liebe hat ja den Wunsch: „Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden".

Wenn schon sonst von einer Stätte auf Erden gesagt wird, daß heilig und geweiht die sei, die ein guter Mensch betrat heiliger doch noch und geweihter die Stätte, wo losgelöst von irdischer Schwachheit, entgegen dem Morgen der Auferstehung die Todten schlummern.

Aber es sind ja nicht Todte allein; todt ist nur der, der vergessen wird, nicht der gestorben; der im Herzen, im Danke der Erinnerung lebt, ist nicht todt; schon hier und vor dem HErrn leben alle Todten. Und ich weiß, sie leben in Eurer Liebe. Es schlafen hier die beiden Kronen aus Eurem Familienbaum, die beiden Eltern, das Haupt und das Herz einst im Hause. Und des Vaters geistige Gestalt, sein edler ritterlicher Sinn, sein Leben und Erleben tritt Euch vors innere Gesicht. Die Mutter mit all ihrer Treue, mit dem, was sie ihm, was sie Euch gewesen, ihr leidensvoller Kampf und ihr sanftes friedevolles Ende was Beide Euch waren es drängt sich vor die Seele, wo ihr Staub nahe zum andern sich rückt.

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Ein hoffnungsvolles Kind, eine frisch quellende Blüthe, jäh getroffen vom sengenden Strahl — ein Enkelkind reiht sich an sie. Kein Kind kann das andere ersehen, so wenig wie eine Blume die andere; in jedem ist ja etwas Besonderes uns geschenkt, als Gabe und Aufgabe, darum auch der leere Plag für dich, lieber Vater, im Herzen bleibend.

Zwei junge Knospen, eben den Lebensmorgen begrüßend um wieder Abschied zu nehmen, sie reihen sich zu den alten Pilgern.

So hat Jeder von Euch ein Vermissen im Herzen, wenn auch der Schmerz des Verlierens überwunden. Nur ein ober= flächlicher Geist und Sinn kann davon reden, daß die Zeit den Schmerz heile; es vernarbt die Wunde wohl, aber sie meldet und regt sich wieder bei jedem neuen Leid. Je älter man wird, je mehr eine Hand nach der andern uns losläßt, desto deutlicher, greifbarer taucht das Leben der Vergangenheit herauf, die sonnigen Tage der Jugend, mit dem „was einstens war".

So laßt denn hier diesen Boden einen Sammelpunkt gemeinsamen Gedenkens sein, den stillen Fleck, da Jhr im Geiste Euch trefft in stillen Gedanken, so weit Ihr auch durch Beruf und Lebensführung getrennt seid, aber ebenso lernt über den Todten Euch als die Lebenden untereinander erfassen. Haben wir den Wunsch und die Bitte, im Tode vereint zu sein, wollten wir nicht vielmehr die Bitte haben, im Leben vereint zu sein in wahrhaftiger, gebender, vergebender Liebe, der Liebe, die die Reihen schließt, wenn die Lücken gerissen werden?

Geliebte! Ihr habt den Gedanken, daß auch Eure sterbliche Hülle hier ruhe, habt Euer Haus bestellt zum Empfang. Höher aber und größer ist's, sein Haus droben zu bestellen, eine Wohnung nicht auf Erden sondern im Himmel. Arm, wie wir gekommen in die Welt, gehen wir auch aus ihr; mit den Windeln der Wiege und dem Sterbekleid und Bahrtuch im Sarge, so findet uns das Leben. Was wir aber zwischen Wiege und Sarg, zwischen Leben und Tod ausgestreut an Liebe und Treue, an Glauben und Hoffnung, das nehmen wir mit hinüber. Habe denn auch diese Morgenstunde das Gold in ihrem Munde, des Glaubens an den,

der uns Frieden, Vergebung und Trost im Leben und Sterben gebracht; der Liebe Gold, die nimmer aufhört, und der seligen Hoffnung, die scheidend ein ewiges Wiederfinden und Vereintwerden im Licht uns versiegelt.

Wer der Nächste ist, dessen Bette hier bereitet ist, wir wissen es nicht. Wir stehen alle unter dem Bliz des Lebens und dem Donnerschlag des Todes, aber bitten wollen wir für ihn, daß er fahre in Frieden zu unserm HErrn und versammelt werde zu der oberen Gemeinschaft im Lichte.

Das walte Gott, durch Jesum Christum hochgelobt in Ewigfeit! Amen.

£300€ 7

VI. Grab- und Trauerreden.

1. Grabrede

über 1. Mose 24, 56:

„Haltet mich nicht auf, denn der HErr hat Gnade zu meiner Reise gegeben, lasset mich wieder zu meinem HErrn ziehen".

An einem Kindergrabe, 1875.

So wollen wir denn, geliebte Eltern, Euer liebes Kind in sein kühles Grab legen. Ach, Eure Liebe hätte es so gern anders gebettet als in den Schoß der winterlichen Erde! Ihr dachtet, dies Mägdelein sollte Eures Hauses Stern, diese Blume Eurer Augen Trost bleiben. Und nun ist das Sternlein untergegangen, die zarte Blume schon am frühen Morgen gewelkt. Nur kurz ist seine Lebensreise gewesen, aber wir wissen ja, nicht die Länge der Zeit, sondern die der Liebe entscheidet. Wieviel Freude sich in solch ein Leben hineindrängt, das macht doch allein seinen Werth

Und Euer Kind, hat es nicht eine Welt süßer Sorge aber auch köstlicher Freude mit sich gebracht? Als ein Unterpfand der ewigen Liebe und Gnade habt Ihr es einst aus Gottes Hand in Euren Arm genommen. Wollt Ihr nicht auch heute diese Gnade, ob auch unter Thränen, preisen? Soll's nicht das Bekenntniß und die Bitte Eures entschlafenen Kindes an Euch sein: „Haltet mich nicht auf, denn der HErr hat Gnade zu meiner Reise gegeben"?

Frommel-Gedenkwerk. Bd. V. Reden aus dem Amt.

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