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Zugang hat, das wird der goldene Stern über seinem Haupte sein, der ihm in keiner Nacht seines Lebens untergeht, daß ihm jetzt in der heiligen Taufe das Wort zugesagt wird: „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte." An dieser Liebe und Güte sich haltend, kann es dem Kinde nicht fehlen, das freudevolle Herz.

Eure Lindigkeit lasset kund sein allen Menschen“ das ist der zweite Gruß. Geliebte! Freude und Liebe sind Schwestern. Wo die Freude in ein Herz kehrt, da weitet sich das Herz, sie muß sich mittheilen, denn das Herz ist zu enge. Es will ja der Sonnenschein mit seinem Strahl auch die Andern erwärmen. Den höchsten Werth des Menschen bestimmt allein das Maß der Liebe. Nicht was ein Mensch Großes im Leben geleistet, sondern was er gewesen ist, was er an Saat der Liebe ausgestreut, das ist, was ihm ein bleibendes Andenken sichert. Wir sind hier in einem Künstlerhause. Manch herrliches Bild ist aus ihm hinausgegangen, aber das schönste Bild ist es doch: zu sehen, wie ein reiches Herz sich legt an ein verarmtes, eine volle Hand in eine leere und ein freudestrahlendes Auge hineinblickt in ein thränenvolles. Möge das Kind allezeit solch ein liebevolles Herz durchtragen durch eine, ach nur zu oft so liebeleere Welt.

„Sorget nicht, sondern in allen Dingen lasset eure Bitte im Gebet und Flehen vor Gott kund werden." Geliebte, es zieht mit jedem Kind bei aller Freude doch auch die Sorge durchs Herz und die Frage: Was will aus unserm Kindlein werden? Wer mag in seine Zukunft schauen? Wohl hat der Dichter Recht:

,,Wenn ich ein Kindlein vor mir sehe,
Gewiegt von treuer Mutter Hand,
Halb ist's noch in des Himmels Nähe,
Halb Gast und Fremdling unserm Land,
Ein süß Geheimniß dieser Erden
Das erst die Zukunft einst erklärt,
Ein Räthsel, eine Welt im Werden,
Die im Gestaltungskampfe gährt;

Wenn ich es seh', ein solches Wesen,
Da faßt ein Sturm mich von Gefühl,
In seinen Zügen möcht ich lesen,

Was einst sein Loos im Weltgewühl."

„Es

Aber dieser Sorge und Frage sind wir überhoben. soll mein Kind werden, ein Erbe des ewigen Lebens", das ist die Antwort Gottes in der Taufe. Was kann ihm geschehen, wenn es in diesem Arm geborgen ist? Was kann ihm fehlen, wenn es diesem Ohre Alles klagen und sagen darf? Wenn es den Schlag dieses Herzens allezeit fühlt? Darum ein sorgenfreies Herz Eurem Kinde.

„Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne." Wir fühlen diesem Worte an: Es ist ein Friedensgruß aus dem Lande des Friedens. Unser Leben ist kein Traum, sondern ein Kampf, und auch dieses Kindleins Leben wird ein solcher sein. Aber eben darum tritt jetzt in dieses Lebensschifflein als Steuermann der HErr, dem auch Wind und Meer gehorsam sind. Wie Er, so soll auch Euer Kind einst im Sturme sagen können: „Ich liege und schlafe ganz im Frieden, denn der HErr behütet mich, daß ich sicher wohne."

Theure Mutter dieses Kindes! Es hat einst Deine Mutter*) in der Ferne ein Bild gezeichnet, „die Wasserlilie“, deren Blüthenhaupt von Wind und Wellen hin und her bewegt wird, deren Wurzel aber tief unten im Meeresgrunde ruht. Das sei auch Deines Kindes Bild! Wohl vom Sturm bewegt, aber ruhend im Frieden Gottes in Christo Jesu unserm HErrn. So grüße denn unser HErr Euer Kind mit seligem Gottesgruß und schenke ihm ein freudevolles, ein liebevolles, ein sorgenfreies, ein friedevolles Herz. Amen.

*) Frau Malvine Schrötter in Karlsruhe, die dem Elternhause Emil Frommels nahestand.

6. Gedanken zu einer Taufrede

über Luc. 1, 66:

„Was meinest du, will aus dem Kindlein werden? Denn die Hand des HErrn war mit ihm.“

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Das ist nicht bloß die Frage der Gefreundten des Zacharias und der Elisabeth über dem Kinde Johannes, sondern vieler Tausend und Abertausend von Eltern und Gefreundten seit jener Zeit. Wer möchte nicht in den Zügen eines solchen Kindleins lesen, wer nicht den dichten Schleier lüften, der über seiner Zukunft liegt? Aber das vermag keine Menschenhand. Was können denn Menschen sagen über die Zukunft eines Kindes? Und wenn sie etwas Wahres sagen würden, dann wären es höchstens trübe Dinge wie die, daß es seinen Kampf ums Dasein, Kampf mit der Sünde und schließlich mit dem Tode haben werde. Denn das ist etwas unumstößlich Wahres. Gottlob, daß uns eine bessere, trostreichere Antwort gegeben wird in der heiligen Taufe. Da antwortet der HErr: Seid getrost es soll mein Kind werden und ein Erbe des ewigen Lebens." Wenn es aber das geworden, dann ist es das Herrlichste geworden, was ein Mensch zu werden vermag. Denn wenn es auch Alles würde und dies Eine nicht, es wäre doch ein armes Kind geblieben. So aber wird ihm nicht bloß gesagt, was es werden soll, sondern auch gegeben, was es werden kann, in der Gnade seiner Taufe. Es muß freilich werden, was es ist, wie ein Kronprinz der fünftige König bereits ist und doch es erst werden muß. Wie getrost kann darum ein Elternherz das Kind aus der heiligen Taufe nehmen, und wenn Pathen und Freunde dem Kindlein alles mögliche Gute prophezeien - dann mögen sie, innerlich gewiß, voll Zuversicht sagen: Liebes Kind, wir wissen, was Du werden sollst. Bleibt nur die Hand des HErrn über Dir, wie sie gewaltet in Deiner Geburt und jetzt in der heiligen Taufe, die Hand eines treuen, allmächtigen Vaters, die Dich hält und behütet, eines barmherzigen Heilands, die sich auf Dein Herz legt und es heilt; leitet Dich

still und stark des Heiligen Geistes Hand

was könnte Dir

mangeln, um zu werden, wozu Du berufen bist aus so freiem Erbarmen!

7. Gedanken zu einer Taufrede

über Joh. 13, 7 und 13:

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Was ich jetzt

„Wisset ihr, was ich euch gethan habe?" thue, weißt du nicht, aber hernachmals sollst du es erfahren.“

Von diesen beiden Worten aus der Fußwaschung mögen die Eltern das erste für sich nehmen, das zweite soll ihrem Kindlein gelten. -Was für eine herzandringende Frage ist sie doch, die der HErr mit einem Kinde auf dem Arme an die Eltern richtet: „Wisset ihr, was ich euch gethan habe?" Jedes neugeborene Kind ein Wunder der Macht und Gnade Gottes; aus seinen Augen strahlt Gottes Güte, und aus dem geschlossenen und doch so beredten Kindermund tönt der Psalm: „Schmecket und sehet, wie freundlich der HErr ist“. Jedes Kind doch ein Geschenk aus Gottes Hand, dem Einen wird's zu Theil, dem Andern versagt. Denen es aber zu Theil wird, gilt die Frage: „Wisset ihr, was ich euch gethan?" Hat Er über eine Mutter in der Stunde, da Wiege und Grab so nahe neben einander stehen, Seine Hand segnend und behütend gehalten — ob's beide Eltern wissen und erkennen? Ist nicht sodann namentlich ein erstgeborenes Kind das feste Band zwischen den Eltern, das, wo es recht steht, die beiden inniger, treuer noch wie zuvor zusammenschließt? „Wisset ihr, was ich euch gethan?" Ja, wißt ihr, was ich euch anvertraut? Eine unsterbliche Seele, berufen zur ewigen Herrlichkeit, zum Lichte und zum Herzen unsers Gottes nicht bloß euer Erbe, sondern ein Erbe des ewigen Lebens! So gehen die Fragen Gottes an Vater- und Mutterherz, und wohl ihnen, wenn sie beide über dem Kindlein sprechen: „Ja, lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht, was Er dir Gutes gethan!"

Frommel-Gedenkwerk. Bd. V. Reden aus dem Amt.

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Das andere Wort gilt aber dem Kindlein in der heiligen Taufe: „Was ich jetzt thue, weißt du nicht, aber hernachmals sollst du es erfahren". Tritt doch jetzt der dreieinige Gott zu ihm mit Seiner reichen Gnade und legt ihm die herrlichsten Geschenke in die Wiege. Der Vater will es zu Seinem Kinde annehmen und zum Erben des ewigen Lebens, der Sohn in Seine Lebensgemeinschaft, es erlösen von Sünde, Tod und Teufel, der Heilige Geist es weihen zu einem Tempel Gottes und in ihm wirken. — Von alledem ahnt das Kindlein nichts; es weiß nicht, was der HErr an ihm thut. Aber empfängt es darum weniger die Gnade, weil es nichts davon weiß? Hängt denn Gottes Gnade an unserm Wissen und Fühlen? Gewiß nicht. Wir haben Alle die Liebe einer Mutter erfahren zu einer Zeit, wo wir diese Liebe weder begehrt noch verstanden haben. Und doch hat diese Liebe ihr Leben an uns gewagt, hat an unserm Bette gesessen und gewacht bei Tag und Nacht, nichts ist ihr zuviel geworden — aber das Kindlein hat nicht gewußt, wer das war, und hätte jede Wartefrau für seine Mutter gehalten, hat nicht gedankt, sondern Alles so hingenommen, als ob sich's von selbst verstünde. So nehmen auch wir die Gnade Gottes hin in der heiligen Taufe, unverstanden, unbegehrt, unbedankt aber wir empfangen sie

doch. Hernachmals soll aber das Kind es erfahren, was an ihm geschehen. Eltern und Pathen sollen es ihm sagen. Und wie ihm später die ganze Tiefe und Herrlichkeit der Liebe der Mutter aufgeht, so soll ihm auch die Liebe seines Gottes aufgehen mit Allem, was sie ihm in der heiligen Taufe geschenkt.

Wohl wird das Kind noch manchmal in seinem Leben an Tage und Stunden kommen, wo ihm auch das Wort entgegentönen wird: „Was ich jetzt thue, weißt du nicht," und ihm Gottes Wege und Liebe dunkel und räthselvoll sein werden. Da soll es sich aber der Gnade seiner Taufe getrösten. Und die Liebe Gottes, die am Anfang seines Lebens so frei und königlich sich seiner angenommen und ihm später erst so lichtvoll aufgegangen, wird ihm auch eine dunkle Stunde auflösen in Licht, in Anbetung und Dank! Das wird es hernachmals" erfahren.

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