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und von oben her neigen sich dazu noch die treuen Hände Deines seligen unvergeßlichen Ludwig! Der Herr aber lege selbst Seine heiligen segnenden Hände auf die Hände unserer Kinder!

Ja, HErr! wir lassen Dich nicht, Du segnest uns denn! denn Du warst und bist unsere Macht, unser Psalm und unser Heil, hochgelobt in Ewigkeit! Dir und dem Sohne und Heiligen Geiste sei Ehre und Preis und Macht und Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

5. Traurede

über Römer 1, 7:

„Allen, die zu Rom sind, den Liebsten Gottes und berufenen Heiligen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HErrn Jesu Christo!"

Bei der Trauung seiner Tochter Elisabeth*) am 4. Juli 1891.

In der evangelischen Kapelle zu Rom, Eurer Heimath, liegt auf dem Altar eine Bibel, die eine preußische Königin der Gemeinde geschenkt hat. Auf die erste Seite dieser Bibel hat. sie diesen Gruß Pauli geschrieben, den Ihr soeben gehört. Er ist gerichtet an jene Gemeinde, die, zerstreut in aller Welt, sich ge= sammelt in der großen brausenden Weltstadt. Aber was für eine Gemeinde war es, an die der Apostel so schrieb! Er konnte von ihr sagen, daß er allezeit danke, so oft er ihrer gedenke, daß man von ihrem Glauben in der ganzen Welt sage. Welch eine wunderbare Gemeinde! Vor sich, vor ihren Augen, das römische Richtschwert und die wilden Thiere des Zirkus, unter sich die stillen Katakomben, die Heim- und Ruhestätte für den im Opfertod dahingegebenen Leib; um sich eine Welt, die sie nicht verstand und ihr Bestes nicht kannte, aber über ihrem Haupt leuchtend die Liebe, der Trost ihres Gottes.

*) Mit Dr. Ch. Huelsen, f. Lebensbild II, S. 407.

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Geliebte Gottes", so ruft er ihnen zu, und vom Himmel hernieder ruft er Gnade und Frieden hinein in die kämpfende wogende Gemeinde. Jahrhunderte und Jahrtausende sind ge= gangen, das Evangelium hat gesiegt über die Macht der Römer, es hat die Kirche Christi die Welt überwunden, die Taube aus dem Morgenland hat den Adler der Römer besiegt und die Säuglinge der Wölfin sind getränkt worden mit dem Blut des Lammes Gottes unschuldig. Es ist urbi et orbi das Evangelium durch die Boten Gottes gebracht worden. Aber Ihr wißt, was aus dem Frühling geworden ist, wie es Winter wurde, wie der Nachfolger Petri Pauli seliges Testament von der freien Gnade Gottes verleugnet und wie neben dem reichen, herrlichen St. Peter mit seiner schönen Kuppel draußen wie verloren vor den Thoren Roms Pauli Kirche steht, St. Paolo extra muros, an das Gedächtniß seines Todes mahnend. Und sieh', wiederum hat man aus dieser verweltlichten Kirche heraus ein Häuflein gesammelt aus aller Welt Zungen, eine kleine Gemeinde, die Pauli Kleinod, das Wort von der freien Gnade in Christo, von der Freiheit eines Christenmenschen, wie ein kostbares Juwel hoch hält, und dieser Gemeinde hat die königliche Hand das Wort Pauli als Gruß gegeben. Diese Gemeinde, meine geliebten Kinder, das ist Eure Gemeinde, zu dieser Gemeinde gehört auch Ihr. Jeden Sonntag will die Kapelle mit ihrer Bibel still und laut Euch diesen Gruß bringen; sollte ich ihn Euch nicht auch heut als Euren Hochzeitsegen mitgeben? Allen, die zu Rom sind, den Liebsten Gottes" - und Euch gelte nicht dieser Gruß: „Gottes Geliebte", und Euch gelte nicht auch die selige, heilige Aufgabe, berufen zu sein zur Heiligung? Darum laßt mich in Eure Hausbibel diesen Doppelgruß schreiben von der Hand Pauli und im Geist der edlen Königin geschrieben:

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Allen, die zu Rom sind, den Liebsten Gottes und berufenen Heiligen." Was muß es gewesen sein, geliebte Kinder, als die römische Gemeinde dies Wort gehört! Sie, die sonst verfolgt, nicht wissend, wann sie geholt wird vor den Richterstuhl, losgeschnitten von ihren Blutsverwandten um ihres Glaubens

willen, das Band der Liebe und Freundschaft durchschnitten, und nun tönt es von oben her tröstlich und köstlich: „Geliebte Gottes", als wollte ihnen der Apostel sagen, auch Euch steht ein Herz und Haus offen, das sich nicht schließt und zu dem ihr kommen könnt zu jeder Zeit und Stunde, Jhr seid „Geliebte Gottes". Das beugt in den Staub. Es ist ja schon mit der menschlichen Liebe so, wo sie rein und ideal ist und ein edles Herz geliebt wird, da ist es „nicht zu fassen, zu glauben“, da weiß man recht gut, das kann man nicht erringen und verdienen, da gilt Emanuel Geibels Wort:

,,Da hilft tein Ringen, kein Verlangen,

In Demuth magst du sie empfangen,
Als kehrt' ein Engel bei dir ein.
Denn Lieb' ist Wunder, Lieb ist Gnade,

Die wie der Thau vom Himmel fällt."

Wenn das schon von der menschlichen Liebe gilt, daß sie ein edles Herz beugt, wie viel mehr, wenn die ewige Liebe uns das sagt, die wir Staub und Asche sind. „Ich liebe Dich, Geliebte Gottes." Das sollte die Gemeinde demüthigen und aufrichten zugleich in aller Trübsal. Geliebte Gottes zu sein, daran mußten sie sich halten, wissend, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen. Und immer mehr und immer größer wurde ihnen das Herz ihres Gottes und immer tiefer schauten sie hinein, immer sicherer wurden sie dieser Liebe, daß sie endlich einstimmen konnten in den Triumphgesang des 8. Kapitels: „Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum mich scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem HErrn". Das sollte das Wort „Geliebte Gottes" ihnen sagen, wie das gestrige Evangelium vom verlorenen Sohn und verlorenen Groschen, denen, die draußen bei den Träbern saßen, ohne Hoffnung, zerrissenen Kleides, mit wunden Füßen und noch zerrissener die Herzen, sagen sollte, daß ein Vaterhaus ihnen offen steht, daß sie zurückkommen dürfen und daß das Herz des Vaters ihnen entgegen kommt, der sie kleidet und an Seinen Tisch setzt. Das heißt: Liebe Gottes!

Und nun, geliebte Kinder, darf ich es auch von Euch sagen, „Geliebte Gottes?" Wer war es, der Euch bis hierher ge= bracht? Wer hat Euch diesen Tag geschenkt und daß Ihr von so reicher Liebe hierher geleitet seid in Gottes Haus? Ich habe hier so viele Paare getraut, hinter ihnen stand Niemand mehr, feine segnende Vater und Mutterhand, und Ihr kommt, und hinter Euch steht Euer Haus und so viele segnende Hände. Und Du, meine geliebte Elisabeth, wer war es, der Dich bis hierher gebracht? Als Du uns geschenkt worden mit Deinem Bruder an einem Tage, da haben wir nicht geglaubt, daß Gottes Hand und Kraft Dich so weit tragen würden und ob nicht diese beiden zarten Blumen der Novembersturm brechen würde. Und als wir Dich in der heiligen Taufe an des HErrn Herz und in Seinen Arm gelegt, da hat Dein seliger Großvater aus dem 118. Psalm das Wort genommen: „O HErr, hilf! o HErr, laß wohlgelingen!", daß Er segnend die Hände über Euch halten wolle. Und wie wunderbar hat Er es gethan! Wie ist Er mit uns gezogen aus Süddeutschland in diese Hauptstadt bis zum heutigen Tage. Hier der Altar Deiner Konfirmation, wo Du eingeschlagen in Deines Gottes und Heilands Hand und Ihm das erste Ja gegeben, wo Du nun heut am Traualtar das zweite Ja geben wirst. Gott hat Dich, mein geliebtes Kind, geschmückt und geziert mit manch köstlicher, herrlicher Gabe, das sage ich nicht, Dich zu erheben und stolz zu machen, ist's doch nichts als lauter Gnade und Liebe von Jhm. Gott hat Dir die Menschen zufallen lassen eft ohne Dein Wollen und Bemühen; Er hat Dir das Auge geöffnet für alles Schöne um Dich her und Dein Herz geöffnet für alles Elend und allen Jammer der Welt, aber was ist das Alles gegen die Liebe Gottes! Und was ist unsere arme Elternliebe gegen die Liebe Gottes, die Dich geführt und getragen, daß Dir Gottes Wort aufgegangen und Sein Herz und Seine Güte und Seine Wahrheit! Und nun am heutigen Tage doch die Krone Deiner Führung, daß Er Dir ein Herz geben und schenken will in Deinem geliebten Manne, ein Herz, das Dich liebt, wie Dich noch Niemand geliebt hat, das Dir ein Freund und Halt

sein will durchs Leben. Du hast ihn wie ein verwundertes Kind als Geschenk aus Gottes Hand genommen, und das allein giebt Dir auch unter den Füßen den festen, sicheren Grund, daß Du mit dem alten Wandsbeker Boten sagen kannst: „Ich war wohl flug, daß ich Dich fand; doch fand ich nicht, Du gabst ihn mir; so segnet keine andre Hand." So nimm ihn heut und alle Tage als Geschenk aus Gottes Hand. Du weißt, es war nicht Deine Wahl und Dein Gedanke, hinüber über die Alpen zu ziehen in das Land der Schönheit; Dich zog es hinauf nach dem Norden; Du hast nicht geahnt, was Dich erwartet, ein Anderer hat Dich geführt und gegürtet, aber, weil Du im Gehorsam gegangen, Dich auch finden lassen, was Dein Herz nun füllen soll. Mein Kind, daran gedenke! Diese Liebe Deines Gottes, die muß Dein Halt werden, die wie ein rother Faden durch Dein Leben gegangen, die muß das Seil werden, wenn Dir die Wasser der Trübsal an die Seele gehen wollen. Du weißt, daß vor den Thoren Roms die Kirche Domine quo vadis steht: HErr, wo willst Du hin“, der Legende nach von dem flüchtenden Jünger gefragt, der das Kreuz mied und dem der HErr die Antwort gab: Ich gehe wiederum nach Rom, für dich gekreuzigt zu werden. Daran gedenke, mein Kind. Keinem Paare hat man es ja sagen können, so Viele hier am Altar gekniet, wohin sie ihr Weg führen werde; aber wenn Dein Weg nach Rom auch ein Kreuz- und Leidensweg wird, dann sage Dir, es ist doch ein Liebesweg, dennoch bin ich „geliebt von Gott". Wir wissen, daß Denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.

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Und Du, mein geliebter Sohn, lieber Christian, so wenig und so viel ich aus Deinem Leben weiß, das Eine weiß ich, das, daß Gottes Gnade über Deinem Haupt gestanden. Gott hat es mit Dir freundlich gemeint im ganzen Leben, schon von Jugend an hast Du in Deinem Elternhaus ein Sonnenschein sein dürfen. Gott hat Dir das Auge und das Herz aufgethan, Seine Wege zu verstehen im Gang der Völker, Jhn herauszulesen aus Wort und Bild in Vergangenheit und Gegenwart, und so schon das junge Herz mit Idealen gefüllt, mit Schönheit und Herrlichkeit.

Er

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