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ihn hinausführt in die wogende Welt, wenn er ein Heer von Tönen ruft und bewältigt, dann sollst Du ihm ein stilles Heim schaffen, wohin er einkehrt; an Deinem Verständniß, an Deiner Theilnahme soll ihm mehr gelegen sein als am schwankenden Urtheil der Menge, Du sollst ihn trösten über Verkennung, und im trauten, beglückten Heim, das Deine Liebe ihm bereitet, soll er die Kraft finden zum Schaffen und, selber beglückt durch die Harmonie im Hause, Andere durch seine Harmonien beglücken. Ach, geliebte Braut, Du möchtest so gern glücklich werden, es giebt nur einen Weg dazu: Glücklich zu machen. Kein Talent, feine noch so reiche Begabung des Geistes kann den Mangel an Liebe und opferwilliger Hingabe ersehen. Aber im Blick und Ausblick auf den HErrn, der in den Schwachen mächtig, sprich getrost und unverzagt: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen.“

Aber höher als das gegenseitige Empfangen der Liebe steht die Bewährung der Liebe. Ein Großes ist es, sich im vollen Vertrauen die Hand zu reichen, ein größeres, diese Hand festzuhalten in Freud und Leid. Drum sagt das Wort: „Wo du bleibst, da bleibe ich auch." Bei einander bleiben ist mehr als miteinander gehen. Ach, viele sind bei einander geblieben eine Zeit lang, als aber die Tage kamen, die ihnen nicht gefielen, als man am Andern Schwächen, Fehler und Sünden merkte, da wollte man nicht bei einander bleiben, da klagte Eins das Andere an, und innerlich verloren sich die, die äußerlich noch mit einander gingen. Nicht also, Geliebte! Die Ehe ist nicht bloß eine Stätte des Gebens, sondern auch des Vergebens, der Nachsicht und der Milde. An der Verschiedenheit der Charaktere erprobt sich die Einheit der Liebe, und alle Dissonanz des Tages muß sich am Abend in dem Feierakkord des Verständnisses und der Versöhnung auflösen.

Aber auch bleiben, wenn von außen Trübsal und Noth kommt, dann auch das Wort festhalten: „Wo du bleibst, da bleibe ich auch." Den starken Baum wurzelt der Sturm nur tiefer in die Erde und nur die schwachen bricht er. Echte Liebe ist wie

das Feuer, das der Sturmwind nur noch gewaltiger anfacht. Darum hat Emanuel Geibel wohl recht, wenn er singt:

„Das ist die rechte Ehe,

Wo zweie sind gemeint,

Durch Wohl und auch durch Wehe

Zu pilgern treu vereint.

Der Eine Stab des Andern

Und süße Last zugleich,

Gemeinsam Raft und Wandern

Bis hin zum Himmelreich.“

Ja, so schlingt sich wohl in gewaltigem Fugensage die doppelte Melodie der Freude und des Leides, aber doch um sich aufzulösen in den Finalchor: „Lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht, was Er dir Gutes gethan."

Ja, hin zu Ihm, von dem das letzte Wort bekennt: „Dein Gott ist mein Gott und dein Volk ist mein Volk!"

Das

ist Grund und Ziel aller Liebe. Von Jhm kommt sie, zu Ihm führt sie, und darum hat das Wort Recht:

,,Doch suchst umsonst auf irrem Pfade

Die Liebe du im Drang der Welt,

Denn Lieb' ist Wunder, Lieb' ist Gnade,
Die wie der Thau vom Himmel fällt.
Da hilft kein Drängen, kein Verlangen,
In Demuth magst du sie empfangen,
Als kehrt ein Engel bei dir ein.“

Und hier gilt es Dir, lieber Bräutigam, darin Deinem Weib ein treuer Freund und fester Halt zu sein. Um Deinetwillen verläßt sie Freundschaft und Heimath, um sie voll und ganz an Deinem Herzen zu finden. So laßt denn in Eurem Hause das Tedeum nicht fehlen! Wer betend arbeitet und arbeitend betet, über dessen Arbeit liegt eine heilige Weihe. Du kennst, lieber Bräutigam, jenes Wort: Gott hat dem Menschen die Ewigkeit ins Herz gelegt. Nur was aus dieser Ewigkeit stammt, hat auch ewigen Gehalt. Jener gewaltige Meister Sebastian Bach, der unter Kampf und Noth geschrieben, setzt an die Stirne jeder seiner Kompositionen als Meisterzeichen das „Soli deo gloria".

Wer so arbeitet, der arbeitet nicht um die Gunst der Menge, sondern bleibt ein gottverlobter und gottvergnügter Künstler. So nimm denn auch Dein Weib mit hinein, nicht bloß in die Lieder der Freude, sondern spanne auch ihre Saiten zu den Liedern der Ewigkeit. Man hat gefragt, ob die Musik ein Nachklang sei des verlorenen Paradieses oder ein Vorklang des kommenden. Etwas von beiden muß ja jede echte Musik haben. Dein Gott

mein Gott, das bleibe in Deiner Kunst und in Deinem Leben mit Deinem Weibe die Losung! Dann wird auch das letzte Wort herrlicher in Erfüllung gehen, als es die Ruth geahnt und gesagt. Denn was sie sagte: „Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden", das steht nicht in ihrer Hand, aber das Andere: „Der Tod muß mich und dich scheiden“ wandelt sich in das viel Herrlichere: „Auch der Tod wird uns nicht scheiden"; denn Liebe ist stärker als der Tod und feiert im Tode ihre Verklärung, Es gilt das Wort:

„Es blüht, es ist ein Lenz tief innen,

Ein Geistes-Lenz für immerdar,
Du fühlst in dir die Ströme rinnen,
Der ew'gen Jugend wunderbar.
Die Flammen, die in dir frohlocken,
Sind stärker als die Aschenflocken,
Mit denen Alter droht und Zeit,
Es leert umsonst der Tod den Köcher,
So trinkst du aus der Liebe Becher
Den süßen Wein: Unsterblichkeit."

Wohlan denn! Das erste Wort: „Wo du hingehst, da gehe ich auch hin", der Liebe tiefer Zug; das zweite der Liebe Bewährung: „Wo du bleibst, da bleibe ich auch", und das letzte, der Liebe Krone:,,Dein Gott ist mein Gott." Das sei und bleibe Eures Hauses und Herzens Losungswort! Das walte Gott durch Jesum Christum, unsern HErrn! Amen.

4. Traurede

über Psalm 118, 14.

„Der HErr ist meine Macht und mein Psalm und ist mein Heil."

Bei der Trauung seines Sohnes Carl*) am 4. Januar 1884.

In Christo geliebte Freunde! Insonderheit theure Mutter der Braut und Ihr, meine geliebten Kinder, theure Freunde unseres Hauses und Glieder unserer Gemeinde!

Es ist kein fremdes Wort, das Ihr soeben vernommen. Fünf Jahre sind ins Land gegangen, da standen wir, Eure Eltern, an diesem Altar im Silberschmucke feiernd. Ein theurer Freundesmund**) hat uns damals die unverwelkliche Kraft und den unvergänglichen Segen dieses Wortes ausgelegt, das uns vom Traualtare weg durch fünfundzwanzig Jahre getragen hatte. Der Mund, der es uns einst zum ersten Male zugerufen, ist längst geschlossen, er feiert und lobt schon in der Ewigkeit; seine Hand, die uns gesegnet, ist erkaltet; aber das Wort, das er aus Gottes Wort geredet, lebt, so wie es von ihm gilt, vom Werke seines Lebens und vom Gedächtniß unserer Liebe: „Er ist gestorben und lebet noch."

Was könnte ich Euch darum Köstlicheres mitgeben, als dies theure doppelt geweihte Vermächtniß? welch besseren Halt, Licht und Troft als dies Wort, das uns tröstender Stecken und Stab, Sonnenglanz am Tage der Freude, Sternenlicht in dunkler Nacht geworden, dessen Tiefe uns in dreißigjähriger, gemeinsamer Pilgerschaft aufgegangen ist von Tag zu Tage mehr? So laßt mich den seligen Dreiklang, wie ihn der himmlische Sangmeister zusammengestimmt, den Blüthenstrauß, wie ihn der himmlische Gärtner zusammengebunden, in seinen Tönen und Farben auslegen.

I.

Ihr wißt, wer dies Lied zuerst gesungen. Mose, der Mann Gottes ist's. Hinabschauend in das Wellengrab der Egypter, das *) Mit Amélie Schoeberlein, s. Lebensbild II, S. 206.

**) Rudolf Koegel, vergl. Lebensbild II, S. 191.

Rothe Meer, durch das Israel feuchten Kleides und trockenen Fußes gezogen, die große Errettung hinter sich, das feste Land unter sich und das Land der Verheißung vor sich, bricht er aus in den Lobgesang. Und das Lied taucht wieder auf, als Israel aus der Knechtschaft heimkehrt, und es wird einst wieder ertönen nach Jesajä Wort aus dem Munde der versammelten Nationen, wenn die Erlösten des HErrn wiederkommen werden und ewige Wonne und Freude sie ergreifen wird. Es ist darum ein Lied, das aus der Erfahrung der handgreiflichen, sichtbaren Durchhülfe des HErrn und ihr zu Ehren gesungen ist.

Und Ihr, meine geliebten Kinder, so jung Ihr seid, wüßtet Ihr nichts davon zu sagen? Ehe Ihr vorwärts eilt zum neuen Haus und neuen Heim, schauet zurück zum alten; haltet still einen Augenblick wie Wanderer, die an einem Scheidepunkte angekommen sind, schauet zurück auf die durchwanderte Straße. Wer war's, der Dich, geliebte Tochter, getragen auf Flügeln der Gnade bis hierher? Hinter Dir das stille Haus am Anger, umrauscht von Blüthen und Bäumen, aber drinnen ein anderer Garten, da waltete der herrliche Vater, der Freund und Lehrer auch meiner Jugend.*) Sein tiefes, seelenvolles blaues Auge ruhte auf Dir von Jugend an, sein Mund hat in heiliger und seliger Liebe zu Dir geredet. Du weißt wer seine Macht war, wer ihn getragen auch durch das letzte Weh, dessen Trösterin Du sein durftest; Du weißt, wem seine Wissenschaft, wem sein Lied galt, die Arbeit seines ganzen Lebens. Ja, der Herr war sein Psalm. Und wer gab Dir die treueste Mutter, so hingebend und selbstlos wie selten eine? wer trägt sie in ihrem Wittwenkleid und Wittwenleid? Ja, was Du mitnimmst aus Deiner Eltern Hause, aus all dem Leben und seligem Sterben drin, es ist doch nur das Eine: „Der HErr ist meine Macht! Er ist mein Gott, ich will Ihn preisen, Er ist meines Vaters Gott, ich will Ihn erheben!"

Und Du, geliebter Sohn! Mit uns hast Du den Pilgergang getheilt vom stillen Dorfe, darin Du geboren, bis in des

*) Abt Schoeberlein, siehe Lebensbild I, S. 115.

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