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thue auch Davids Buße!" Und der Kaiser sah die Gerechtigkeit solcher Forderung ein. Er that sein königliches Gewand ab und büßte acht Monate lang seine Sünde; danach ließ ihn der Bischof zum heiligen Abendmahl zu. So wird auch heute noch jede echte Buße sich darin zeigen, daß sie auch der Demüthigung vor Menschen nicht ausweicht, da wo man an Menschen gefehlt hat. Schäme Dich solcher Abbitte nicht, auch wenn Du nicht wüßtest, was Du verschuldet. Christus sagt: „So du deine Gabe auf dem Altar opferst und wirst allda eingedenk, daß dein Bruder etwas gegen dich habe, so gehe zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder."

II.

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Wie soll ich kommen? Mit der Beichtbitte „Richte mich Gott“, aber dann auch mit dem Psalm weiter betend: Sende dein Licht und deine Wahrheit". Wer sich vor Gott gebeugt, der sieht vor dem Altar nicht mehr den Richter stehen, sondern die Gestalt des Heilandes, der den Mühseligen und Beladenen erquicken will. Wer es weiß, was es heißt, Seine Hand auf dem Herzen zu fühlen und aus Seinem Munde die Absolution zu empfangen, dem ist der Abendmahlsgang der liebste Gang. Wer den Glauben hat an die Worte: Dir sind deine Sünden vergeben", sagt Luther, ,,der ist geschickt und würdig". Komme darum im Glauben und Du wirst im heiligen Mahle den HErrn sehen und Ihn als den Lebendigen spüren. Keinen seiner Feinde, keinen Hohepriester und Schriftgelehrten ladet der HErr zu Seinem Abendmahl, sondern Seine Jünger, die Ihn lieb haben, sind Seine Gäste. „Wer den Glauben hat"; Manche meinen, sie müßten vor Allem über das Wesen des heiligen Abendmahls erst genau Bescheid wissen, womöglich eine Katechismusprüfung ablegen, ehe sie kommen dürfen. Aber wer wollte denn jemals völlig die Tiefen ergründen, die gerade in dieser Gabe des HErrn sich aufthun? Der Schleier des Geheimnisses wird immer darüber bleiben. Hätte der Heiland damals seine Jünger gefragt und sie examinirt, was sie sich bei dem heiligen Mahle dächten, sie hätten gewiß nicht bestanden. Sie hatten keine Ahnung, wie der HErr sich ihnen unter Brot und Wein

mittheilen wollte, aber das merkten und fühlten sie, daß es etwas Herrliches und Köstliches sei, was Er ihnen reichte, und sie thaten ihre Herzen weit auf und mit fester Zuversicht in Seine Liebe nahmen sie, was Er ihnen schenkte. Und so auch Du, ob das Licht Deiner Erkenntniß und Deines Glaubens noch schwach nur brennte, ob Du wie jenes Weib im Evangelium nur verstohlen den Saum seines Gewandes anzurühren begehrst, Du wirst doch eine Kraft spüren, die von Ihm ausgeht und Dich durchdringt und neue Lebenskräfte in Dir zeugt. Er ist noch heute derselbe treue Hohepriester, der gute Hirte und milde Heiland, der das zerstoßene Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht. Darum laß Dich nicht zurückhalten, zu kommen, Dir Licht und Trost im heiligen Mahle zu holen; folge Seiner Einladung oft! Mein Freund, nicht wahr, wenn Dein König Dich einlädt, dann erschrichst Du nicht, dann folgst Du freudig seinem Rufe und bist fröhlich und stolz, mit ihm an einem Tische zu sitzen und sein theures Antlig zu sehen? Wieviel mehr wird sich ein Glied des himmlischen Reiches freuen, wenn der König des Himmels und der Erde es zu Seinem Tische ladet! „Wir folgen all zum Freudensaal, und halten mit das Abendmahl." Es wird der Abendmahlsgast voll Lob und Dank die Stufen des Altars emporsteigen und die Speise des ewigen Lebens empfangen, kraft deren er es aushalten kann auf seinem Pilgergange.

Freilich, das Anschauen der Gaben thut es nicht, auch nicht das Grübeln darüber, Essen und Trinken und der Glaube an das „Für dich gegeben" ist das Hauptstück im Sakrament. Dem Syrer Naeman half das Ansehen des Jordans nicht, sondern das Hineingehen ins Wasser und der Glaube heilten ihn von seinem Aussaß. „Für euch“, das fordert eitel gläubige Herzen. „Ja“, sagt Mancher, für die Andern wohl, aber ich darf nicht mehr kommen, ich habe mich zu weit verloren". Oder Du sagst: „Ich habe gar kein Gefühl von der Nähe des HErrn, ich bin kein würdiger Gast. Auf Dein Gefühl, mein Christ, kommt es nicht an, das ist so veränderlich wie das Wetter draußen, wo einmal die Sonne lacht und dann Sturm und Wolken den Himmel verdunkeln. Es kommt einzig und allein auf das Wort und die Zusage Deines

Gottes an, die Dir sagt: „Für dich gegeben“. Glaube es einmal, daß das Testament auch für Dich ist, deutle und drehe nicht an diesen Worten, sondern greise wie ein Kind zu, wenn sein Vater ihm etwas geben will, und traue es Seiner Vaterhand zu, daß Er weiß, was Dir gut ist. Wie ein rechtes Kind die letzten Worte seines Vaters als ein seliges Vermächtniß unvergessen bewahrt und wie ein theures Kleinod hält, so halte Du Dich auch an des Heilands Wort: „Für dich gegeben". Beuge Dich nur erst einmal unter dieses Wort und in immer herrlicherem Licht wird sich Dir erschließen, was Er Dir in diesem köstlichen Vermächtniß alles bereitet hat.

Kaiser Karl V. hatte bei einem seiner Unterthanen Schulden. gemacht. Als der Kaiser diesen einst besuchte, da stand der reiche Kaufherr auf und verbrannte vor den Augen seines Fürsten alle Schuldscheine, die er von ihm hatte. Das ist die Gabe des heiligen Mahles, die Du im Glauben ergreifen sollst: „das Blut Jesu Christi macht rein von aller Sünde", es ist das Feuer, das auch Deine und meine Schulden tilgt, daß Du sprechen kannst, nicht nur ,,ich denke, ich hoffe", auch nicht nur „ich glaube“, nein:

Bis zum Schwören kann ich's wissen,

Daß der Schuldbrief ist zerrissen

Und die Sünd' ist abgethan."

III.

So kann das heilige Abendmahl mit einem dankenden, ja mit einem jauchzenden Herzen gefeiert werden. Aber wie es an der Weihnacht nicht lauter jubelnde Kinder giebt, sondern auch solche, die still sich freuen — und ihre Freude ist nicht minder groß und tief als die der andern, so wisse: wenn Du nicht lobend und dankend hinabgehen kannst in Dein Haus, so soll das Dich nicht irre machen, als sei Dein Gang vergeblich gewesen, oder gar Dir selbst zum Schaden. Wenn Du es nur Deiner bekümmerten Seele zurufen kannst: Was betrübst du dich und bist unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichts Hülfe und mein Gott ist". Und man wird es doch merken, auch

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unter den drückendsten Lagen und den schwersten Verhältnissen, in die Du vom Abendmahl hineingehst, wo Du gewesen. Man soll's doch aus Deinen Augen leuchten sehen und an Deinem Wesen fühlen, daß Du in der Kraft der empfangenen Vergebung und des Lebens Christi mit neuem Muth und neuer Geduld im Kampfe stehst und Dein Leid trägst.

Wenn der Dichter sagt, daß jeder Mensch in seiner Brust zwei Seelen beherberge, so weiß das auch das Psalmwort, wenn es ein Zwiegespräch der beiden anführt: „Was betrübst du dich?“ und „Harre auf Gott". Es kann ja Beides im Herzen sein: Trauer und Harren, Zagen und Hoffen, Kampf und Friede. Eine zitternde Hand ist doch auch eine Hand und kann doch auch etwas empfangen. Es kann ein Auge thränen und das andere lachen, das eine kann Dunkelheit der Nacht sehen, aber das andere die lichten Sterne. Es kann ein Ohr die Stimmen des Gerichtes, das andere die Stimme der Vergebung und der Gnade hören, es kann ein Fuß wanken, aber der andere feststehen, eine Hand zittern, aber die andere desto fester sich anklammern, es kann der Mund sprechen: HErr gehe hinaus, ich bin ein sündiger Mensch", aber in gleichem Athemzuge doch auch: HErr bleibe bei mir!"

Wohlan denn, es geht vom heiligen Mahle ein Jeder hinab in sein Haus, in seinen Beruf, in seinen Kampf. Es kann ein Tag kommen für Dich so schwer und so dunkel, so trostlos, wie Du es nie gedacht. Du kannst vom Tisch des HErrn und Seiner Gemeinschaft hineinmüssen in eine Vereinsamung, die Dir den Lebensmuth rauben will, wo es Dir geht, wie Elia dem Propheten, da er ermattet niedersinkt und ausruft: „Es ist genug, HErr, so nimm denn meine Seele". Aber gerade da will Dir der gedeckte Tisch des heiligen Mahles immer wieder die Speise geben, kraft deren Du gehen kannst, bis auch Du kommst an den heiligen Berg, ja bis zum Abendmahl droben, von dem alle Abendmahlsfeiern hier unten nur Abbilder und Angeld sind. Da werden wir danken lernen auch für die dunklen Stunden unsres Lebens. Da wird alle Unruhe gestillt, aller Kampf verschlungen sein in den Sieg. Da wird Gott alle Thränen abwischen von unsern Augen, und

wir werden mit neuen Zungen preisen das Lamm, das erwürget ist. Daß Du und ich würdig erfunden werden, alsdann mitzufeiern und es von Dir und mir heißen könne: „Selig, die zum Abendmahl des Lammes berufen sind", das gebe Er uns um Seiner ewigen Liebe willen. Amen.

4. Abendmahlsandacht

über Jesajas 43, 1:

Und nun spricht der HErr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: »Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöset; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein. «"

Am Gründonnerstag Abend 1889.

Es gibt Worte der heiligen Schrift, die einen unvergänglichen Klang haben. Einmal gehört, vergessen sie sich nicht wieder. Sie sind mit uns klein gewesen und groß geworden; wir ahnen ihren Inhalt als Kinder, aber auch als Männer können wir ihn nicht völlig aussprechen. Zu diesen Worten, die sich in unser Leben hineingeschlungen, gehört das Wort aus Prophetenmund, das wir eben gehört. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöset; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein". Mit diesem Wort ist manches Kind an seinem Lebensmorgen eingesegnet am Taufstein, von den Armen seiner Eltern in die Arme Gottes und von ihrem Herzen an sein Herz gelegt. Für Manches unter Euch ist dies Wort, das ihm am Einsegnungstage zugerufen wurde als Losung, Leitstern fürs Leben geworden. In wieviel Angst der Welt hat dies Wort die Seele getröstet: sich zu wissen in der Hand des HErrn, aus der Niemand uns reißen soll und die Alles endlich wohlmacht! Ueber wie manchem Grab hat es friedevoll geklungen als Psalm des Dankes für den Feierabend und die Ruhe nach dem Kampfe: Du hast ihn erlöst, Du treuer Gott".

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