Page images
PDF
EPUB

seiner Brust nach einer Welt des Friedens und der Reinheit, wie es sie hier unten umsonst suchen wird. Wer wird das arme Herz stille machen? Wer wird es stärken im Kampf mit der Sünde und ihm den Weg zum Frieden weisen?

„Fürchte dich nicht", spricht der HErr, „ich bin es. Ehe du die Augen zum Himmel aufschlugest, bin ich vom Himmel zu dir herabgekommen, ehe du dein Leben hattest, habe ich mein Leben für dich gegeben zum Lösegeld. Ich will dir meine Hand aufs zitternde, zagende Herz legen und dir sagen: Sei getrost, deine Sünden sind dir vergeben. Ich will dir den Frieden geben, den die Welt nicht geben kann. Komm nur zu mir mit deiner Last und deiner Angst, und dir soll geholfen sein." So seht ihm der HErr selbst die Krone des Himmelreichs aufs Haupt, zieht es an sein Herz und macht es stille und getrost in einer wogenden und unruhvollen Welt.

Und so soll ihm auch die Hülfe von oben nicht fehlen, wie sie der Heilige Geist giebt: Schutz und Schirm vor allem Argen, Kraft und Hülfe zu allem Guten, der Geist des HErrn will beides wirken und wecken und so des Kindes Stärke und Schild sein. Unsere Erziehungsarbeit, liebe Eltern, kann ja nicht Alles thun, sie muß das Beste dem Geiste Gottes überlassen. Der allein vermag den inneren Menschen umzuwandeln, während wir den äußeren erziehen, Er allein kann aus dem Kindesherzen einen Gottesgarten machen, in dem die Blumen blühen zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen. Er allein kann es erinnern und trösten, wo kein Menschenmund helfen und trösten kann.

So nehmt denn Euer Kind aus der heiligen Taufe als ein Gotteskind und Bürger in den Heilands Reich, als einen Pflegling des Geistes, aufs Neue an Euer Herz. Unser Gott aber segne Euer Kind durch Euch und Euch durch Euer Kind in Zeit und Ewigkeit durch unsern HErrn Jesum Christum. Amen.

4. Taufrede

über Jesaja 54, 10:

Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HErr, dein Erbarmer."

Bei der Taufe des zweiten Kindes des Malers
Prof. A. von Werner, Berlin, 1878.

Hohe Versammelte*), geliebte Eltern dieses Kindes! Ihr kennt jene Geschichte aus dem römischen Alterthum, da zu Cornelia, der Mutter der Gracchen, die Freundin kam, ihr ihre Edelsteine und Juwelen zeigend, und sie aufforderte, auch die ihren zu bringen. Cornelia wartet, nimmt dann ihre beiden Kinder und spricht: „Siehe, diese sind mein Schmuck und Edelstein“. Die edle Römerin wußte, was das Beste im Hause war, besser als Gold und vergänglicher Schmuck - ihre Kinder, das Stück ihres eignen Lebens. Und auch Ihr, lieben Eltern, wenn man Euch nach dem Besten und Schönsten in Eurem Hause fragt, auf Eure beiden Kinder werdet Ihr weisen. Das sind die lebendigen Steine, aus denen ein Haus sich erbaut, sie sind aber auch die Denksteine in unserm Leben Denksteine göttlicher Gnade und Hülfe, die auch Du, liebe Mutter, wieder erfahren. Nicht aus zwei Augen allein sollte der Sonnenschein im Hause Euch leuchten, einziges Kind, es bleibt doch immer ein Kind der Sorge und der Angst; noch einmal hat Euch Gottes Güte angeschaut aus zwei Kinderaugen, und Ihr sprecht: „Bis hieher hat der HErr geholfen! Lobe den HErrn und vergiß nicht, was Er dir Gutes gethan".

ein

Am heutigen Tage aber soll Euer Kind erst wahrhaft Euer Schmuck und Edelstein werden, da es nicht bloß Euer Kind und Erbe, sondern Gottes Kind und sein Erbe werden soll. Einen Bund, so sagt Euch das Wort, das wir verlesen, will Gott mit dem Kinde schließen, und das Siegel des Bundes soll die heilige

*) Kaiser Wilhelm I. war Pathe des Kindes.

Taufe sein. Man schließt wohl in der Welt Bündnisse mit denen, die uns beistehen können; auf starke Bundesgenossen will man sich verlassen. Welch wunderbarer Bund aber hier! Der allmächtige Gott sich verbindend mit dem ohnmächtigen schwachen Kinde — der heilige Gott mit dem Sünder der ewige Gott mit dem Menschenkind, das in seinem Leben wie Gras und wie des Grases Blume! Und doch neigt Er sich herab und spricht: „Der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen“. Und gewiß: herablassen kann sich nur, der hochsteht, Gnade für Recht ergehen lassen nur der König. „Der HErr dein Erbarmer" ist es, nicht der HErr dein Richter, der in der Taufe dem Kindlein naht, nichts von ihm fordernd, als daß es einst solcher Barmherzigkeit mit dankbarem Herzen sich freue und ihr

zu

Ehren wandle. Der Bund soll nicht hinfallen, — der Menschen Bündnisse, sie werden geschlossen und gebrochen. Man zeichnet einen „ewigen Frieden“ und wenige Jahre darauf bricht der Krieg aus. Hier soll es nicht so sein. Unverbrüchlich will der HErr den Bund halten, das Recht des Kindes an den Vater im Himmel, das Recht des Schäfleins an seinen guten Hirten, es soll ihm nimmermehr bestritten werden; Niemand soll es aus seines HErrn Hand reißen. Und meine Gnade soll nicht von dir weichen." In die Arme der ewigen Gnade soll Euer Kind gebettet, von den Armen der Gnade getragen sein. Gewiß, liebevolle Arme, die es tragen, fehlen ihm auch sonst nicht; der starke Arm seines Kaisers wird es jetzt halten und Eure Arme in Liebe und Treue es tragen. Um seine Wiege her viel Wünsche und Grüße der Liebe von nah und fern. Und doch: Die Lippen die sie geredet, so will unser Wort sagen sie werden einst verstummen, und die treuen Arme, die Dich gehalten, werden ermüden und erschlaffen. Von denen, die Dich geleitet am Morgen des Lebens, werden die Einen am Mittag, die Anderen am Abend Dich verlassen haben, und es werden die Stunden kommen, wo Du einsam bist und Dich einsam fühlen wirst in dieser Welt. Aber Eins wird Dich nicht verlassen, „Meine Gnade soll nicht von Dir weichen." So Vieles wirst Du wanken und weichen sehen,

[ocr errors]

Vieles wird Dir im Lauf Deines Lebens als unzuverlässig sich erweisen: Menschen, auf die Du bautest; Pläne, die Du Dir machtest; Hoffnungen, die Dir entgegenleuchteten wie schöne stolze Berge das alles kann sinken, weichen und wird es thun. „Aber Meine Gnade bleibt". Wie sie als lichter Morgenstern unter der aufgehenden Sonne Deines Lebens gestanden, so will sie auch Deiner Tage Licht und der Abendstern Deines Lebens sein.

Ueber den Wassern der Sündfluth stand einst der Bogen in den Wolken, ein leuchtendes Siegel der Treue Gottes, Seines Bundes mit der sündigen Erde. Auch über dem Wasser der Taufe, dieser Sündfluth für den alten, der Gnadenfluth für den neuen Menschen, steht der Friedensbogen göttlicher Treue und Gnade, und ein Bundeszeichen soll diesem Kinde allezeit die heilige Taufe sein: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöset; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!" Als Sein Kind wollt Ihr denn Euer Kind jeden Tag seines Lebens anschauen, als ein köstliches Kleinod, das Euch aus Seiner Hand anvertraut ist, es halten und bewahren, das schenke Euch der barmherzige Gott um Seiner ewigen Liebe willen. Amen.

5. Taufrede

über Philipper 4, 4 bis 7:

„Freuet euch in dem HErrn allewege, und abermals sage ich: freuet euch. Eure Lindigkeit lasset kund sein allen Menschen. Der HErr ist nahe. Sorget nichts, sondern in allen Dingen lasset eure Bitte im Gebet und Danksagung vor Gott kund werden. Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu!"

Bei der Taufe des ersten Sohnes A. v. Werners, 1879. Hohe Versammelte,*) geliebte Eltern und Pathen des Kindes! Es ist ein vierfacher Gruß, den Ihr soeben vernommen.

*) Kronprinzessin Friedrich war Pathin des Kindes.

Den

Gruß Eures Gottes an Euer Kind laßt es sein. Menschenherzen und Menschenlippen haben es bis jetzt begrüßt; mit besonderer Bewegung des Herzens habt Ihr selbst, lieben Eltern, dies Kind, Euren erstgeborenen Sohn, auf den Arm genommen. Wer Euch und Euer Haus lieb hat, der hat sich mit Euch gefreut, daß zu Eurem Mägdlein der Knabe, der Erbe des Namens gekommen ist. Aber Menschengrüße, so köstlich und lieb sie sind, sie bleiben eben doch Menschengrüße, sie gehen eine Weile mit durchs Leben, aber dann verklingen sie, es bleibt schließlich nur die Erinnerung am Abend des Lebens, daß wir einst am Morgen von theuren Menschen gegrüßt worden sind. Gottes Grüße, sie geleiten und begleiten ein Menschenkind durchs ganze Leben. Sie sind kein Hauch, der im Winde verhallt, sie sind ein Stecken und Stab, an dem man sich halten kann, eine Macht, die den Menschen tröstet und ihm ein Anrecht auf Gottes Herz giebt.

Vier solcher Gottesgrüße hören wir aus unserm Worte; wie eine vierfache Perlenschnur will es sich um Eures Kindes Hals legen, ein fröhliches, ein liebevolles, ein sorgenfreies, ein friedevolles Herz Eurem Kinde verheißend.

"

Freut euch in dem HErrn allewege!" so lautet der erste Gruß. Freude war ja über Eurem Kinde, aber wer möchte nicht wünschen, daß sie auch in ihm sei und bleibe? Wir nennen so gern unsere Kinder den Sonnenschein im Hause. Das kann nur dann sein, wenn sie selbst ein helles, sonniges Gemüth haben. Deshalb suchen wir einem Kinde den Lebensmorgen licht und helle zu machen, denn es ist ja wahr, was ein Dichter unseres Volkes sagt: „Mit einer lichten Jugend kann man ein halbes faltes Leben hindurch aushalten." Und doch, wer fann einem Menschen bleibende Freude schenken? Eine Freude, die länger dauert als der Augenblick, zu dem wir sprechen: „Verweile doch, du bist so schön!" Freude, wahre Freude ist wohl kein schöner Götterfunke, aber doch ein Strahl aus dem Herzen Gottes, wo Freude die Fülle ist. Das wird des Kindes höchste und tiefste Freude sein und bleiben, daß es zu diesem Herzen einen offenen

« PreviousContinue »