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auf sich selbst, also nur „Nicht-Ich", ist; d. h., das absolute Subjekt oder das absolute Ich, zu dem das Kantische Bewusstsein überhaupt oder die synthetische Einheit der Apperception erhoben wurde, scheidet sich durch Reflexion in „Ich“ und „Nicht-Ich“, und dieses „Nicht-Ich" ist das Objekt. Diese Scheidung wird durch einen Akt, eine Thätigkeit vollzogen. Wie wir später sehen werden, wird die unendliche Thätigkeit bei Hegel zu einem der wichtigsten Merkmale des absoluten Geistes. Es ist die Unendlichkeit des Thuns und Strebens darin ausgedrückt. Das Streben, das Thun des Ich richtet sich auf die von ihm selbst gesetzten sittlichen Zwecke. Das Ich handelt um bestimmter Zwecke willen, also teleologisch, und dies ist das zweite sehr wichtige Moment, welches in den Begriff des absoluten Geistes aufgenommen wurde.

Aber auch dabei blieb es nicht. Wenn Subjekt und Objekt durch Unterscheidung aus dem absoluten Ich entstanden sind, so waren sie rein logisch zuerst unterschiedlos und eins. Dieses Ich, oder, wie es Schelling nennt, das Absolute ist also nichts anderes als die Identität des Ich und des Nicht-Ich, des Subjekts und des Objekts.

Aus dem genannten Prinzip hat Schelling sein Identitätssystem zu konstruieren versucht. Mit ihm verliess der deutsche Idealismus den „subjektivischen" Boden der Kantischen und Fichteschen Philosophie und wandte sich dem Absoluten zu. Das Problem stand jetzt so, dass man die Entwicklung des Unendlichen in die Welt der endlichen Dinge zu zeigen suchte.1) Selbstverständlich musste man, um die Wirklichkeit aus der Vernunft restlos zu verstehen, auch die Natur als ein Produkt der Vernunft unter teleologischem Gesichtspunkte betrachten, wie es Schelling und nach ihm auch Hegel that; und dies ist sehr wichtig für das Verständnis der Hegelschen Naturphilosophie.

Auf anderen Wegen gelangten die Romantiker- und später auch Schelling selbst — dazu, das Ästhetische in den Vordergrund zu rücken und als das Absolute zu betrachten, während wiederum Schleiermacher das Religiöse hervorhob und zum Absoluten ausrief.

Es ist nicht unsere Aufgabe, uns mit diesen Lehren zu beschäftigen. Uns war nur daran gelegen, auf diese Dinge hinzu

1) Windelband, Gesch. der neueren Philos. II. 2. Aufl. S. 286.

weisen, weil sie im Hegelschen System die Stufen bezeichnen, in denen der Geist seine Entwicklung vollendet und sich als den absoluten Geist weiss.

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Sowohl das Absolute bei Schelling als auch Gott bei Schleiermacher wurden für absolut unerkennbar erklärt das war das Erste, womit Hegel nicht übereinstimmte. Diese Systeme konnten für sich nicht Allgemeingültigkeit beanspruchen, weil ihnen die Notwendigkeit fehlte, mit der Alles aus dem obersten Prinzip folgt. In der Nacht des Absoluten," sagt Hegel in Bezug auf das Schellingsche Identitätssystem, „sind alle Kühe schwarz." Daraus ergab sich die Aufgabe, die sich Hegel stellte. Das Unwirkliche hat für die philosophische Erkenntnis gar kein Interesse, das Wirkliche aber muss restlos in ein rationales System aufgehen können, denn das verschlossene Wesen des Universums hat keine Kraft in sich, welche dem Mute des Erkennens Widerstand leisten könnte". Die Welt einheitlich zu verstehen, alles aus dem Absoluten notwendig folgen zu lassen, und vor allem das Absolute selbst bestimmt zu begreifen, das war das Ziel, welches Hegel sich setzte.

Wir lernten schon den Ursprung des Begriffs des absoluten Geistes kennen. Er ist zunächst aus der einfachen Hypostasierung der Kantischen „ursprünglichen synthetischen Einheit der Apperception" hervorgegangen. In Übereinstimmung mit Schelling lässt ihm Hegel das Prädikat „absolut.", aber andererseits legt er das denkbar grösste Gewicht darauf, dass dieses Absolute als Subjekt aufgefasst wird, worin eine Rückkehr zu Fichte sich andeutet. Er definiert das Absolute als sich selbst entwickelnden Geist; der Geist ist vor Allem Subjekt, sein Grundprinzip ist unendliche Thätigkeit, ohne welche es unbegreiflich wäre, wie aus ihm die ganze bunte Mannigfaltigkeit der Welt hervorgebt. „Dies ist der Inhalt des Absoluten, sich zu manifestieren." 1) Da nach Kant die notwendige und allgemein gültige Erkenntnis nur bei der Annahme der im erkennenden Subjekt enthaltenen Erkenntnisformen möglich ist, so schliesst Hegel daraus, dass nur diesem aprioristischen Denken die absolute Realität zukommt. So ist also der Logos, die absolute Vernunft, das reine Denken die wahrhafte Realität; und die Wissenschaft, welches dieses Denken zum Gegenstande hat, die Logik, ist nicht nur die Wissenschaft von den

1) Logik, Werke Bd. 4. S. 193.

Erkenntnisformen, sondern ebenso sehr die Wissenschaft von den Formen des wahren Seins. Die Welt musste danach als die Entwicklungsgeschichte des absoluten Geistes verstanden werden. Die Denkgesetze wurden zugleich Weltgesetze, die Logik wird zur Metaphysik, denn das Denken und das wahre Sein waren für identisch erklärt. Wenn aber die Vernunft die wahrhafte Realität ist, so schliesst Hegel daraus: „Alles was ist, ist vernünftig, und nur das Vernünftige ist." Aus der Identität des Seins und des Denkens ergiebt sich konsequent, dass der „Begriff" das wahre Wesen der Dinge ist.

Es sei uns gestattet, zur Erläuterung der Sache zwei interessante Syllogismen von dem bekannten russischen Philosophen Wladimir Ssolowjew anzuführen, welche seiner „Krisis der westeuropäischen Philosophie" 1) entnommen sind:

1. (Major des Dogmatismus.)2) Das wahrhaft Seiende wird in apriorischer Erkenntnis erkannt.

2. (Minor Kants.) In apriorischer Erkenntnis werden aber nur die Formen unseres Denkens erkannt.

3. (Conclusio Hegels.) Ergo: die Formen unseres Denkens sind das wahrhaft Seiende.

Oder

1. Wir denken das Seiende.

2. Aber wir denken nur Begriffe.

3. Ergo, das Seiende sind Begriffe."

Aus der Erhebung der Begriffe zum wahren Wesen des Seins ergab sich der wichtige Schluss, dass die Formen der Begriffsentwicklung die wahren Formen der Entwicklung des Seins sind. Diese Formen sind aber nichts Anderes als die Form des Systems und die dialektische Methode. „Ohne System," sagt Hegel, „keine Wissenschaft, ohne Methode kein System."

Hegel schätzte die Kantischen Antinomien sehr hoch, missbilligte aber die „Zärtlichkeit“3) Kants gegenüber der Erscheinungswelt, welche Kant als in sich frei von Widersprüchen aufgefasst hatte. Er knüpfte hier wieder an Fichte an. Wie wir wissen, sind bei diesem Denker Subjekt und Objekt aus dem absoluten Subjekt durch Reflexion hervorgegangen. Subjekt und Objekt stehen bei ihm einander so gegenüber, wie Thesis und Antithesis,

1) Werke, Bd. 1. S. 127. Nur in russischer Sprache vorhanden.

2) W. Ssolowjew meint hier Descartes, Spinoza, Leibniz und Wolf. Ibid. S. 126.

9) Werke, Bd. 6. § 48. S. 102.

und das absolute Ich muss dann als ihre höhere Synthesis betrachtet werden. War nun aber die ganze Welt nichts anderes als das Produkt des Ich, so wird es begreiflich, dass Hegel die dreigliedrige Entwicklung, die zum Begriff dieses absoluten Ich führte, auf alle Gebiete ausdehnte, und sie in der Reihenfolge von Thesis, Antithesis und Synthesis zu methodischen Grundpfeilern seines dadurch als genetisch, evolutionistisch charakterisierten Systems machte, indem er der Synthesis als der späteren Entwicklungsstufe den höheren Wert beilegte.

Die Ausdehnung dieser „dialektischen Methode" auf alle Teile des Systems schien vor Allem dadurch gerechtfertigt, dass der Begriff, das wahre Entwicklungssubjekt, sich nach Hegel dialektisch entwickelt. Jeder Begriff schlägt, wenn er vollständig durchdacht und entwickelt wird, notwendigerweise in seinen Gegensatz, in seine Antithesis um; aber die Wirklichkeit enthält auch die Versöhnung der beiden Gegensätze: durch die Negation der Antithesis entsteht ein höherer Begriff, der die früheren „aufhebt“, d. h. nicht nur vernichtet, sondern sie zugleich zu einer neuen Einheit versöhnt. Diese höhere Einheit ist ihre Synthese. Aber auch die Synthese ist nichts Starres, sie enthält wiederum in sich notwendig einen zur Entwicklung treibenden Widerspruch; sie selbst ist somit Thesis, und wird notwendig durch die Antithesis hindurch zu einer noch höheren Einheit fortgeführt, welche abermals einen Widerspruch involviert und sich vor der Qual des Widerspruchs zu einem Höheren rettet. So steigt in unterbrochenem Fortgang die Entwicklung durch Thesis, Antithesis und Synthesis immer höher und höher, getrieben von der Sehnsucht nach Erreichung ihres Zieles: der Rückkehr in das Absolute, diese Einheit aller Gegensätze. „Das, was die Welt bewegt, ist der Widerspruch," sagt1) Hegel.

Den drei Etappen der dialektischen Entwicklung: Thesis, Antithesis und Synthesis entsprechen die drei Termini: „an sich", „für sich" und an und für sich". Unter „an sich" versteht Hegel etwas, was noch unmittelbar, noch nicht entwickelt ist, was den notwendigen Weg durch Antithesis zur Synthesis noch nicht gemacht hat und daher als blosse Anlage, als Potenz zu seiner Synthesis zu verstehen ist. Es sei uns gestattet, die Interpretation dieses Begriffes besonders zu unterstreichen. Das „An

1) Werke, Bd. 6. S. 242.

sich“ spielt im Hegelschen System eine sehr grosse Rolle und ist von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der absoluten Idee und ihres Überganges in die Natur. Der unvorsichtige Gebrauch von Beispielen hat schon oft in der Philosophie eine nicht gerade glückliche Rolle gespielt; so auch bei Hegel. Man hat das „An-sich-Sein" an der Hand seiner Beispiele als ein wesenhaftes Sein verstanden, das sich in ein „An-und-für-sich-Sein" umwandeln müsse, wie ein Kind sich umwandelt in den erwachsenen Menschen. In Wahrheit ist von Hegel mit diesem Begriffe nur die reine Möglichkeit, die Potenz zu dem, diesem „An-sich" (Thesis) entsprechenden „An-und-für-sich" (Synthesis) gemeint, was durch folgendes Zitat aus Hegel bestätigt wird: „Was an sich ist, ist eine Möglichkeit, ein Vermögen . . .“1) An einer anderen Stelle sagt er, dass der Geist, der natürlich zuerst „an sich" ist, „von seiner unendlichen Möglichkeit, aber nur Möglichkeit anfängt".") Das „nur“ unterstreicht Hegel selbst. Dieses „An sich" fordert notwendig die dialektische Entwicklung. So schlägt es in seine Antithesis um, um auf diese Weise für sich" zu sein. Das „Für sich" bedeutet im Grunde genommen, „für die Anderen". Denn die Entgegensetzung bringt die Unterscheidung und die Absonderung von allem Übrigen mit sich. Jetzt kommt aber im Laufe der Entwicklung durch die Negation der Antithesis, durch diese „absolute Negation" alles das vollkommen entwickelt zum Vorschein, was schon im „An sich", aber als reine Potenz da war. Diese Stufe, die Synthesis, bezeichnet Hegel mit dem Ausdruck „An und für sich" und nicht selten auch als die vermittelte Unmittelbarkeit".

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Das Wesen der dialektischen Methode verlangte selbstverständlich die Durchführung der triadischen Entwicklung im ganzen System, und so bemühte sich Hegel, bis ins Kleinste dem Prinzip der Dreistufigkeit Rechnung zu tragen. Dennoch sah er sich ziemlich oft genötigt, die Dreiteilung durch die Vierteilung zu ersetzen, mit der Begründung, dass die Antithesis eigentlich zwei Glieder für sich beanspruche.

Das ganze System baut sich auf in drei Teilen. Der erste Teil enthält die Logik, die Wissenschaft von dem An-sich des absoluten Geistes. Hier wird der Geist als ein einheitliches System

1) Philos. d. Gesch. S. 28. S. besonders Gesch. d. Philos. Werke Bd. 13. S. 33, wo das Ansichsein direkt als Potenz bezeichnet wird. *) Ibid. S. 70.

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