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Eberhard, zum Verlage. Auf sie bezieht sich ein vor kurzem aufgefundener Brief Kants vom 29. April 1790.1) Ebenso wie der hier publizierte, der sich ihm unmittelbar anschliesst, ist er an den auf der Leipziger Messe weilenden Buchhändler gerichtet. Der wesentliche Inhalt des gegenwärtigen Schreibens, nämlich die Erklärung des Autors gegen den Nachdruck seiner kleinen Schriften, wurde bereits in die Akademie-Ausgabe aufgenommen.2) Nur das Datum ist jetzt sichergestellt.

Lagarde berichtet am 22. Mai 1790 an Kant, dass der junge Kollege während ihres Leipziger Aufenthalts auf ihn den besten Eindruck machte. Es fehle ihm weder an Kenntnissen, noch an Mut und Thätigkeit. Von der Messe bringe er ein ausgesuchtes Lager an einen Ort, wo zwei Buchhandlungen ganz gut bestehen könnten. 1791 bezog Nicolovius ein eigenes Haus, und zwar, wie mir der um die Forschung so hochverdiente, nunmehr verstorbene Rudolf Reicke mitteilte, ganz in der Nähe von Kants Wohnung. Der geschäftliche Verkehr wird sich demnach zum grössten Teil mündlich zwischen ihnen vollzogen haben. Überdies bezeugt auch Schubert, dass der Philosoph häufig bei Nicolovius und in den bei ihm veranstalteten Gesellschaften verweilte.3) Dementsprechend wissen wir bloss noch von sieben kurzen Korrespondenzen, die in den Jahren 1795-1800 zwischen ihnen gewechselt wurden und Werke Kants aus jener Zeit betreffen; ein Schreiben davon liegt überhaupt nicht, ein anderes nur bruchstückweise vor. Im Ganzen also elf Briefe, darunter sechs (vollständig erhaltene) von Kant. Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass nach dem Tode des Verlegers sein wie der Schwiegersohn W. Borgius in einem Nekrolog urteilt unschätzbarer Schriftwechsel mit vielen Gelehrten und Dichtern Deutschlands in den Gewürzkram wanderte.") Immerhin ist eben aus innern Gründen die Wahrscheinlichkeit nicht gross, dass dabei viele Briefe Kants verloren gegangen wären.

Die Honorare, die Nicolovius zahlte, müssen entschieden höher gewesen sein, als Jachmann annimmt. Wenigstens für die Schrift: Zum ewigen Frieden verlangt und erhält Kant zehn Reichstaler pro Bogen.") Wenngleich er hier ein aussergewöhnliches Interesse des Publikums voraussetzen durfte, was sich ja auch durch die nach wenigen Wochen er

1) Abgedruckt in der Zeitschrift für Philos. u. philos. Kritik, Bd. 124, S. 106 f.

2) XII, 385; versehen mit der Datumbezeichnung: „Mai [?] 1790.“ 3) Wie auch bei anderen Geschäftsleuten, wobei er oft durchreisende Fremde kennen lernte und Gelegenheit hatte, sein erstaunliches Wissen aus der Länder- und Völkerkunde noch zu erweitern; a. a. O. 192. 4) W. Borgius, Der Banco-Cassirer Frdr. Nicolovius (Neue Preuss. Prov.-Blätter IX, 284 ff. Der Band selbst hat mir nicht vorgelegen; ich berichte nach den mir von Reicke gemachten brieflichen Mitteilungen).

5) Brief vom 13. August 1795 und Antwort des Verlegers vom selbigen Tage. Eine Notiz des mit Kant befreundeten Professors Kraus darüber habe ich in „Kant und der Buchhandel" berichtigt.

forderliche Neuauflage bestätigte,1) so werden doch die Honorare für die übrigen Werke in einem gewissen Verhältnis dazu gestanden haben. Meines Erachtens betrugen sie schwerlich weniger als sechs Taler pro Bogen, während Hartknoch nur vier zahlte.) Leider besitzen wir entweder gar keine Nachrichten darüber; so für die Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft. Oder nur verstümmelte und bruchstückartige in den Briefen und im handschriftlichen Nachlass;3) so für die Rechtslehre und die Anthropologie.

Alle Schriften der späteren Zeit hat Nicolovius nicht verlegt; die von Rink edierte Physische Geographie z. B. erschien 1802 bei Göbbels & Unzer in Königsberg. Auch inbetreff der Sammlung seiner kleinen Veröffentlichungen durch Tieftrunk stellt Kant dem Herausgeber am 13. Oktober 1797 die Wahl des Verlegers durchaus frei. Die Sammlung erschien in Halle, Tieftrunks Wohnort, und hatte einen ärgerlichen Prozess mit Nicolovius zur Folge. Lagarde bemühte sich ebenfalls um weitere Verlagswerke bei Kant; er wünschte, wie Kiese wetter unter dem 9. November 1790 äussert, eine entsprechende Teilung zwischen sich und Nicolovius. Der Philosoph entschuldigt sich am 24. November 1794 ihm gegenüber mit dem Bemerken, dass er sich die Leute willfährig erhalten müsse, weil er täglich einen hinreichenden Vorrat neuen Messgutes benötige. Nicolovius sandte ihm ja regelmässig den neuen Sortimentskatalog zu; Kant notierte sich daraus, was ihn interessierte, und liess es nach und nach zur Lektüre abholen.4) Es war also keineswegs bloss die von Jachmann und Schubert behauptete uneigennützige und lokalpatriotische Gesinnung, die ihn bei seiner Handlungsweise leitete. Vielmehr hat Kant wahrscheinlich von vornherein diese litterarischen Bedürfnisse mit im Auge gehabt, als er den jungen Landsmann in seinem Vorhaben ermunterte. Wenigstens giebt es schon aus dem Jahre 1781 eine ähnliche Äusserung, wie die oben angeführte gegen Laparde.5) - Auch sonst erwies sich Nicolovius vielfach gefällig. So vermittelte er häufig Briefe von und an Kant;6) ebenso Packetsendungen, z. B. Göttinger Würste, die er gelegentlich überhaupt als freies Geschenk gab.) War man doch bei den damaligen Verkehrs

1) Schubert 144. Die Auflagen waren je 1500 Exemplare stark, standen also nur der Anthropologie nach, deren Auflage 2000 betrug (a. a. O. 154).

2) Vgl. meine ausführlichen Berechnungen a. a. O.

3) Ibid. von mir mitgeteilt.

4) Jachmann, 5. Br. Reicke, Kantiana, 1860 (Sonderdruck), S. 18, Anmerkung 28.

5) Wiedergegeben in Hamanns Brief an Hartknoch vom 14. September des Jahres; bei Schubert 86.

6) Siehe z. B. die Briefe J. B. Jachmanns vom 14. Oktober 1790, Kiesewetters vom 14. Juni 1791, Hartknochs vom 19. Oktober 1793, Kants vom 17. September 1795 und 5. April 1798, Richters vom Jahre 1801 [?].

Briefe Kants vom 28. März und 2. April 1800 an Nicolovius; vgl. das Schreiben J. H. J. Lehmanns vom 13. November 1799.

verhältnissen immer auf andere, in erster Linie auf die Buchhändler,1) angewiesen.

Das Geschäft des Nicolovius ging später so zurück, dass er es 1818 verkaufen und die Stelle eines Bancokassierers übernehmen musste. Er starb am 16. Mai 1836.2)

Im Anschluss hieran sei noch auf den materialen Inhalt des Briefes, soweit erforderlich, eingegangen. Bei dem starken Bedürfnis nach Kants früheren und kleinen Schriften, das sich mit seinem wachsenden Ruhme geltend machte, und bei der Abneigung des Philosophen selbst gegen einen Neudruck jener Werke ist es begreiflich, das sich unter den damaligen Zeitverhältnissen unbefugte Herausgeber und Verleger damit beschäftigten. Von der in dem Briefe enthaltenen und bereits in der Akademie-Ausgabe abgedruckten Erklärung wurde der Buchhändler J. T. Haupt in Neuwied betroffen, der sieben Aufsätze aus der Berliner Monatsschrift gesammelt hatte erscheinen lassen. Es geht das hervor aus dem interessanten Schreiben dieses Mannes an Kant vom 8. Januar 1793. Haupt bemerkt einleitend, dass er mit seinem ersten Verlagsartikel etwas unternommen, was nicht ganz zu entschuldigen sei, und berichtet dann über die Entstehung der Ausgabe. Nachdem er sie vor zwei Jahren im Leipziger Messkatalog angekündigt und Kant sich im Intelligenz-Blatt der Jenaer Litteraturzeitung dagegen geäussert, hätte er auf seine Absicht verzichtet und das Manuskript dem Herausgeber wieder zugestellt. Da jedoch die durch den Autor angekündigte Sammlung von einer Messe zur andern vergebens erhofft worden sei, wäre man in ihn gedrungen, den ehemals gefassten Entschluss nun doch zu verwirklichen. Er habe aber nur fünfhundert Abdrücke hergestellt, von denen er einige anbei übersende; weitere ständen nach Belieben zur Verfügung. Jetzt, da er sich die Sache reiflicher überlege und ihm auch der dortige Buchhändler Gehra die Augen über das fatale Unternehmen geöffnet, sei er in grösster Verlegenheit. Wenn es die Vermögensumstände eines jungen Anfängers zuliessen, würde er das Ganze in die Makulatur werfen. Nur durch guten Verlag wünsche er sich emporzubringen. Bosheit oder Gewinnsucht hätten ihn nicht zu dem ihm nun verhassten Unternehmen verleitet. Er bitte Kant dringend, es nicht als Nachdruck anzusehen und ihm damit von Anfang an alle ferneren Geschäfte mit den sächsischen Buchhändlern abzuschneiden. Mit Vergnügen werde er eine zweite autorisierte Auflage herstellen und honorieren, auch künftige Arbeiten Kants gern verlegen. „Lassen Sie dieses lieber Herr Professor," heisst es gegen Ende, „mir diesesmal nicht entgelten ich bitte flehentlich darum, und erfreuen Sie mich mit wenigen Zeilen, dass ich die 2. vermehrte Auflage erhalten soll um meinen jungentlichen Fehler wieder gut zu machen. Ich werde gewiss alles thun was in meinen Kräften steht, dasjenige zu ersezen, was ich Ihnen durch dieses unglückliche Unternehmen geschadet habe." Kant

1) Brief Kants an Lagarde vom 12. Juni 1792 und an Hufeland vom März 1797, Plessings vom 19. Oktober 1792, J. S. Fests vom 30. November 1792 u. a. S. auch Hippel, Brief an Scheffner.

Nach dem erwähnten Briefe Reickes.

254 E. Ebstein u. F. Jünemann, Ein unbek. Brief I. Kants an Nicolovius.

blieb diesen Bitten gegenüber kalt. Am 10. Mai erst hatte er den Brief, nach einem handschriftlichen Vermerk, empfangen, und am 6. Juni veröffentlichte er eine neue Erklärung 1) gegen Haupt und gegen einen ungenannten österreichischen Buchhändler, von dem verlautete, dass er sämtliche frühere Werke des Philosophen edieren wolle. Der Autor bemerkt dazu, schon die Besorgnis, er selbst würde den Gedanken in die That umsetzen, müsse doch derartige Absichten vereiteln. Aus dem Wortlaut dieser Kundgebung ist ebenfalls ersichtlich, dass es Kant mit einer solchen Edition nicht ernst war, zum mindesten, dass er sie nicht selbst veranstalten würde. Auch die bereits erwähnte rechtmässige Sammlung Tieftrunks hat er nicht angeregt. Als sie 1799 in drei Bänden erschien, wozu im folgenden Jahre ein Nachtrag von Rink kam, waren ihr inzwischen noch drei unbefugte Ausgaben vorangegangen.")

1) Abgedruckt in der Akademie-Ausgabe XII, 386.
"Verzeichnet bei Schubert, Im. Kants Biographie 217.

Zu Kants Metaphysischen Anfangsgründen

der Naturwissenschaft.

Von Dr. Alois Höfler, Professor an der Deutschen Universität Prag.

I. Nachlese zur Berliner Ausgabe.

Als ich zu Zwecken des Kollegs „Kants Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, verglichen mit Maxwells Stoff und Bewegung" (Wintersemester 1898/99 an der Universität Wien) einen Neudruck der Kantischen Schrift vorzubereiten hatte, da sie seit 1800 nicht mehr selbständig gedruckt worden war, ergaben sich mir, namentlich dank der freundschaftlichen Mithilfe der Herren Dr. Karl Neisser und Dr. Otto Neisser, eine Anzahl von neuen Lesarten (zusammengestellt in den Vorbemerkungen zu meinem „Nachwort zu Kants M. A. d. N.", das den Titel führt: „Studien zur gegenwärtigen Philosophie der Mechanik", Leipzig 1900, zuerst bei C. E. M. Pfeffer, jetzt bei Johann Ambrosius Barth). Ich schloss damals das Verzeichnis der Lesarten mit den Worten: „Einige noch unwesentlichere Abweichungen teils der vorliegenden Ausgabe von H(artenstein) und K(irchmann), teils der H. von K., dürfen füglich unerwähnt bleiben, zumal den strengsten philologischen Anforderungen ohnedies bald durch die in Vorbereitung stehende grosse Berliner Kant-Ausgabe Genüge geschehen wird."

Ich habe damals nicht geahnt, dass mir selbst die Ehre zu teil werden wird, jene Schrift von Kant für die Berliner Ausgabe zu besorgen. Da ich in Arbeiten, die den strengsten philologischen Anforderungen zu genügen haben", durchaus ungeübt war und bin, so konnte ich mich dem ehrenvollen Auftrage erst unterziehen, als mir die Herren Geheimrat Dilthey und der Herr Sekretär der Kantkommission Dr. P. Menzer ihren freundlichen Rat für alle kritischen Fälle zugesagt und die unten genannten Herren als Mitglieder der Philosophischen Gesellschaft in Wien ihre Mitwirkung bei der Vergleichung der Texte in Aussicht gestellt hatten. Über die dankenswerte Unterstützung, die uns von Seiten des Wormser Paulus-Museums durch Herrn Dr. Weckerling zu Teil geworden ist, wurde schon in der Berliner Ausgabe IV, 637 berichtet. Ich füge hinzu, dass mir für die Beschaffung der sämtlichen Ausgaben, Neudrucke und Nachdrucke der Herr Kustos an der Universitäts-Bibliothek in Wien, Dr. I. Himmelbaur, aufs Wirksamste und Liebenswürdigste behilflich war, ferner, dass mich beim wiederholten Lesen und Vergleichen der Korrekturen neuerdings mein Freund Dr. Karl Neisser mit grosser Geduld unterstützt hat, und dass mir bei allen auf die Ausgabe bezüglichen Arbeiten zum Schlusse auch bei der vorliegenden kurzen Mitteilung mein ehemaliger Schüler Herr Dr. Wolfgang Schultz mit Scharfsinn und philologischer Akribie ein treuer Gehilfe gewesen ist. Die genannten Herren sind sämtlich Mitglieder der philosophischen Gesellschaft an der Universität zu Wien. Die erste Vergleichung aller Texte erfolgte in der Weise, dass in einer Reihe gemeinsamer Sitzungen ich und die Herren Dr. R. Eisler, Dr. O. Friedlaender, Dr. A. Gerstel,

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